'With great power...'

Die Flut der Comicverfilmungen nimmt zu. Ein Blick auf andere Welten und die Zukunft von Superhelden wie Batman und Wolverine.

Mit großer Macht kommt große Verantwortung. Spätestens seit Sam Raimi im Jahre 2002 seine Version des Superhelden Spider-Man lebendig werden ließ, ist das Mantra der Spinne dem überwiegenden Teil von Filmbegeisterten bekannt – Comicfan hin oder her. Ohnehin mussten Gegner der übernatürlichen Welten, erschaffen von Autoren der Verlage Marvel und DC Comics, im vergangenen Jahrzehnt so einiges über sich ergehen lassen. Nicht, dass das bedeutet, es wäre ein Ende in Sicht. Ganz im Gegenteil: Die federführenden Studios legen gerade erst richtig los und setzen alle Hoffnung in die Verfilmungen des nächsten Jahres, darunter «Thor», «Green Lantern» und «Captain America». Größer, höher, weiter – es ist kein Flugzeug, sondern Superman!

Als langjähriger Anhänger von Gestalten wie Batman oder Wolverine, den dazugehörigen Kunstgriffen wie der ewigen Wiedergeburt (Wie oft starb Captain America nun schon? Und ist das nicht Barry Allen, der sich vor rund drei Dekaden für das gesamte Universum opferte?) und alternativen Realitäten, sehe ich mich quasi gezwungen, nach einer Zeitlinie zu fragen, in der «Spider-Man» ein krasser Misserfolg wurde. Immerhin hat der Streifen die ganze Welle erst losgetreten. Filmwerke, die nicht nur hinsichtlich der Erwartungen von Fans, sondern auch auf rein objektiver Ebene versagten, wären uns erspart geblieben: «Catwoman», «Elektra», der erste «Hulk», die beiden «Fantastic Four»-Teile und «Ghost Rider», von der «X-Men»-Reihe ganz zu schweigen. So kann man sich in Geek-Kreisen übrigens in Bruchteilen Feinde schaffen: Beinahe uninteressiert in die Diskussion einwerfen, dass Hugh Jackman den besten Marvel-Charakter ausbluten hat lassen und Toby Maguire so viel Charisma besitzt wie es der eigene Wandschrank tut – Vergleiche mit dem abtrünnigen Odinsohn Loki sind da nicht weit.

Zweifellos, im Rahmen des neuen Millenium hat sich mit den Comicgeschichten eine Tür geöffnet, die unbegrenztes Material birgt und den Fanboy in mir entzwei spaltet. Einerseits beschränkt sich das Phänomen nicht einmal auf die Superheldentitel, sondern lässt auch fantastische Arbeiten wie David Cronenbergs «A History of Violence» entstehen, das auf der gleichnamigen Graphic Novel basiert. Und man stelle sich nur vor, «Sin City», «Iron Man», «300», «The Dark Knight» und «Watchmen» hätten nie ihren Weg in die Lichtspieltheater gefunden. Andererseits lassen sich bei diesem bahnbrechenden Erfolg die Dollarzeichen aus den Augen der Studiobosse nicht mehr wegdenken – das Rennen könnte längst nur noch um des Rennens Willen geführt werden. Konkret heißt das: Die Comicverfilmungen 2011 verkommen mehr und mehr zur Hype-Maschine, um schlussendlich als großes Sprungbrett für «The Avengers» bzw. in fener Zukunft «The Justice League» zu dienen, die den Kinokassen dann höchstpersönlich den Overkill verpassen sollen. Es gibt zu diesem Zeitpunkt allerdings noch immer genug Gründe, der Vorfreude nachzugeben, sei es das Engagement von Joss Whedon als «The Avengers»-Regisseur oder schlicht der großartige «Thor»-Trailer, den die Comic Con in San Diego mit sich brachte.

Doch was hat die aufgeführten Tops von den Flops abgehoben und zu Hits gemacht? So schwer ist das gar nicht zu beantworten: «300» und «Watchmen» sind zum Beispiel in sich geschlossene Geschichten und kommen, auch wenn es weder Frank Miller, noch Alan Moore zugeben würden, besser auf der Leinwand zur Geltung. Mal davon abgesehen, dass Zach Snyder vernünftigerweise den gesamten 'The Black Freightener'-Part in seiner «Watchmen»-Verfilmung ausgelassen hat, haben beide Werke eine sehr eigene Atmosphäre, die schon allein mit der passenden Musik untelegt weitaus mehr berühren als gewöhnlich. Natürlich muss die Idee immer auf den richtigen Visionär, in diesem Fall Snyder, treffen, der sich ihrer annimt. Ein zweites Beispiel: Christopher Nolan hat ebenfalls Verstand bewiesen. Es ging ihm nie darum, Batman zu erzählen. Sein Ziel war es, eine grandiose Batman-Geschichte zu erzählen und das ist ihm gelungen.

Sein «The Dark Knight» funktioniert deshalb auch ganz anders als die übliche Comicverfilmung: Es ist eine Story um verrückte Figuren, die Mafia, Liebe und Selbstzweifel – der Screenplay hätte auch ohne den Namen Bruce Wayne Anklang gefunden. Das ist auch der Grund dafür, dass Christian Bale nie einen Oscar für seine Darstellung bekommen würde. Er spielt den Rächer routiniert gut und authentisch – aber es bleibt nur der Rächer. Als George Clooney 1997 in das schwarze Kostüm schlüpfte, wurde er als Batman belächelt – obwohl nie jemand daran zweifeln würde, dass Clooney ein fantastischer Schauspieler ist. Helden wie der dunkle Ritter wurden über die Jahrzehnte von hunderten Autoren der Branche unterschiedlich interpretiert – Nolan hat seine Sichtweise nur zu Film gebracht. Dieses Prinzip wurde in der Vergangenheit zu oft vergessen und brachte so halbgare und herzlose Filme wie «Superman Returns» hervor, die nur die Welle des Hypes gesucht haben, nicht aber die des Helden.



Was die Highlights von 2011 betrifft, ist meine Erwartungshaltung seit kurzem deutlich gestiegen. Dabei haben «Thor» und «Captain America» hierzulande dasselbe Problem: fehlende Popularität. Als Steve Rogers in der Hölle namens 'Civil War' (Ein Marvel-Event von Autor Mark Millar, der auch «Kick-Ass» erschuf) ums Leben kam, war sein Tod am nächsten Morgen die Schlagzeile aller amerikanischen Zeitungen. In Deutschland ist der Patriot nur wenig bekannter als Donnergott Thor. Vor zwei Wochen ist die erste Concept Art der beiden Filme erschienen, die schlicht fantastisch aussieht. Wenn nämlich auch alles auf die Zusammenkunft unserer neuen Idole getrimmt ist, so scheint man sich doch sehr persönlich auf die „kleineren“ Aufgaben zu konzentrieren. DC Comics hat die Filmproduktion im Gegensatz zu Marvel noch nicht komplett unter die eigenen Fittiche genommen, scheint aber gleichermaßen Verantwortung zu zeigen: Bei «Green Lantern» will man alles richtig machen. Parallel arbeitet man aber bereits an einem Sequel. Mehr als voreilig, könnte man meinen.

Und was haben die beiden Goldgruben für die Zukunft in der Pipeline? Neben den «Avengers» und der «Justice League», setzt DC selbstverständlich auf sein bestes Pferd und bereitet alles für einen dritten «Batman»-Teil vor. Marvel werkelt indes an «Iron Man 3» und dem viel diskutierten Reboot des «Spider-Man»-Franchises. Bereits Ende 2011 kommt das von Matthew Vaughn realisierte «X-Men: First Class» in die Kinos, das Professor X und Magneto in ihren Anfangstagen begleiten soll. Letzterer erhält mit «X-Men Origins: Magneto» zusätzlich seinen eigenen Film. Neben den noch ungewissen Fortsetzungen von «Sin City» und «Kick-Ass», gibt es auch Platz für die C-Riege der Stars: «Ant-Man», «Namor», «Shazam» und «Luke Cage» bekommen ihr Stück des Kuchens. Nie von den Typen gehört? Damit stehen Sie nicht alleine da. Die Führungsetage hat sich einiges vorgenommen.
06.08.2010 00:22 Uhr  •  Marco Croner Kurz-URL: qmde.de/43705