Daytime versus Primetime

Die Quoten am kabel-eins-Nachmittag werden immer besser. Doch die Tagesquoten spiegeln das kaum wieder. Warum eigentlich?

Statistisch gesehen mögen rund 50 Prozent der Deutschen Comedy im deutschen Fernsehen. Von einer Sitcom, die all diese Menschen tatsächlich auch einschalten, träumt die TV-Branche allerdings noch.

Charlie Sheen ist ein echtes Phänomen. Vielleicht nicht unbedingt im wahren Leben, wo der Schauspieler in den letzten Monaten öfter vor Gericht als auf dem Set seiner Sitcom erschien und derzeit mit einem Bein im Showbusiness und mit dem anderen im Knast steht, aber zumindest im Fernsehen sind die «Two and a Half Men» rund um sein Alter Ego Charlie Harper ein absoluter Dauerbrenner. In den USA holte die siebte Staffel in der abgelaufenen Saison wieder Traumquoten und auch in Deutschland ist die Serie so erfolgreich, dass sie - kombiniert man ProSieben und kabel eins - schon beinahe rund um die Uhr läuft.

«Two and a Half Men» hat das geschafft, was zuvor eigentlich nur den «Simpsons» gelang und diese längst übertroffen: Erfolg in der Primetime, selbst mit Wiederholungen und auch am Nachmittag läuft die Sendeschleife immer wieder und immer wieder von vorne durch ohne dass sich Abnutzungserscheinungen zeigen. Ganz im Gegenteil: Am vergangenen Dienstag erzielte die Serie um 17.30 Uhr auf kabel eins eine Traumquote von 20,7 Prozent - Marktführerschaft! Selbst RTLs Soap-Urgestein «Unter Uns» musste sich an diesem Tag geschlagen geben vom kleinen kabel eins.

Mittlerweile hat «Two and a Half Men» das gesamte Nachmittagsprogramm regelrecht nach oben gepusht. «Die wilden 70er» und «King of Queens», beide ebenso in einer sich immer wieder wiederholenden Sendeschleife am Nachmittag festgenagelt, erzielen nicht selten Zielgruppenmarktanteile deutlich im zweistelligen Bereich. Selbst «What's Up, Dad?», der eigentliche Schwachpunkt im Comedyprogramm, schafft das des Öfteren. «What's Up, Dad?» hieß übrigens «My Wife and Kids» bevor sich die deutsche Übersetzung daran zu schaffen gemacht hat, aber das gehört jetzt eigentlich nicht hierhin. Denn viel interessanter ist: Wie kann es sein, dass ein Sender, der sieben Stunden am Tag solche tollen Quoten einfährt, in der Monatsabrechnung meist bei gut sechs Prozent herumgurkt und selbst RTL II als Konkurrenz fürchten muss während ein Sender wie ProSieben, dessen klappriges Nachmittagsprogramm in letzter Zeit einen ziemlich erbärmlichen Eindruck macht, auf das Doppelte kommt? Denn so viel Primetime als Ausgleich gibt es doch gar nicht!

Der Trick liegt in der Berechnung der Quoten und ist genau genommen kein Trick, sondern die einzig sinnvolle Definition. Um den Tagesmarktanteil zu bestimmen, wird nicht etwa über die einzelnen Quoten gemittelt, denn das würde auch zu seltsamen Auswüchsen führen. Ein Sender könnte seine Erstausstrahlungen in die Nacht verschieben und dort Traumquoten ernten, die einen gigantischen Tagesmarktanteil erzeugen. Obwohl genau genommen kaum jemand zusah. Und kurz darauf wäre dieser Sender insolvent. Tatsächlich wird die Gesamtzahl der gesehenen Minuten des Senders durch die Gesamtzahl gesehener Minuten aller Sender geteilt. Dabei gilt: Sehen eine Million Menschen dreißig Minuten lang fern, so sind dies 30 Millionen gesehene Minuten. Denn ein Zuschauer, der eine Minute fernsieht ist für die Werbeindustrie zu jeder Tageszeit gleich viel wert. Ein Marktanteil von zehn Prozent nicht, denn der ist in der Nacht nahezu wertlos.



So kommt es zu der scheinbaren starken Gewichtung der Primetime, die hier am Beispiel zweier Sender mit 6 Stunden Daytime mit insgesamt vier Millionen Menschen vor dem Fernseher und einer dreistündigen Primetime mit zwölf Millionen Zuschauern. Die Marktanteile orientieren sich leicht an denen von ProSieben und kabel eins. Man sieht: über die gesamten neun Stunden ist der linke Sender erfolgreicher, obwohl er bei einer bloßen Mittelwertbildung über diese neun Stunden mit knapp 11 Prozent gegen 15 Prozent klar das Nachsehen hätte.

Das heißt natürlich nicht, dass sich kabel eins über seinen erfolgreichen Nachmittag ärgern muss. In der Summe trägt auch der ein gutes Stück zum Erfolg bei und dazu die zahlreichen Flops im Abendprogramm auszugleichen. Nur um zu den Großen aufzuschließen werden Charlie Sheen und co. kaum ausreichen.

Oft steckt mehr hinter den Zahlen des TV-Geschäfts als man auf den ersten Blick sieht. Oder weniger. Statistisch gesehen nimmt sie unter die Lupe.
06.08.2010 10:35 Uhr  •  Stefan Tewes Kurz-URL: qmde.de/43720