Das TV-Experiment mit «Kerner»-Reporter Sven zeigt: Das Magazin ist auf einem erfolgreichen Weg.
Angekündigt wurde es als „das TV-Experiment des Jahres“: Ein Reporter des Sat.1-Magazins «Kerner» versuchte, drei Wochen lang unerkannt durch Deutschland zu reisen – Undercover also. Johannes B. Kerner und seine Zuschauer wollten wissen, ob das Verschwinden einer Person im digitalisierten und globalisierten Informationszeitalter überhaupt noch einfach so möglich ist. Das Ergebnis: Reporter Sven wurde gefunden – nur knapp drei Tage nach Kerners Aufruf, ihn zu suchen und als Finderlohn 10.000 Euro zu kassieren.
Medientechnisch ist das Experiment „Wo ist Sven?“ natürlich keine Studie zur Zwangs-Transparenz des menschlichen Lebens gewesen, sondern in erster Linie eine – wirklich hervorragende – PR-Kampagne zur Profilierung des «Kerner»-Magazins. Und dieses Ziel ist geglückt: In Zeitungen und auf den Internetportalen der größten News-Websites war Sven ein Topthema. Auf Quotenmeter.de wurden die Artikel zum Experiment massenhaft angeklickt – noch zwei Tage nach Erscheinen war die News zur Entdeckung des Reporters der meistgelesene Artikel auf Quotenmeter.de. Und die Redaktion des Magazins hat bei diesem Thema die meisten Zuschriften seit Beginn von «Kerner» erhalten.
Was lediglich nicht wirklich stimmte, war die Quote: 8,7 Prozent der Werberelevanten schalteten am Donnerstagabend die erste Ausgabe von Kerners Sendung nach der Sommerpause ein. Dennoch hat das interessante Thema geholfen, «Kerner» weiter in Sat.1 zu etablieren. Besser noch: Mit solch außergewöhnlichen Ideen, die auch schon vor der Sommerpause zu sehen waren, ist «Kerner» zuletzt das beste Infotainment-Magazin im deutschen Fernsehen geworden, wenn auch längst nicht das erfolgreichste. Es geht nicht um Allerwelts-Themen, beispielsweise welche Zahncreme krebserregend ist oder wie Kim im falschen Körper geboren wurde, sondern auch um Aufsehen erregende Dinge wie eben das beschriebene TV-Experiment, die Schiedsrichter-Affäre oder den perversen Leichen-Supermarkt des Gunther von Hagens.
Johannes B. Kerner hat es geschafft, sich dem Moderationsstil des Privatfernsehens anzupassen – diese Wandlung vom austauschbaren, unkritischen ZDF-Moderator zum kernigen Sat.1-Typen ist ihm in dem Jahr, in welchem er in Sat.1 auf Sendung ist, erstaunlich gut gelungen. Dies zeigt nicht zuletzt auch die Quotenkurve,
die nach oben ging. Die harte Arbeit, welche die Redaktion mit ihren spannenden Ideen und der Moderator mit seinem neuen Präsentationsstil gemacht haben, zahlt sich langsam auch in barer Münze aus. Und wenn man noch weitere solch medienwirksame Themen wie „Wo ist Sven?“ auf Lager hat, die genau den Nerv des Zielgruppen-Publikums treffen, dann werden die Marktanteile zwangsweise weiter ansteigen. Zur Erinnerung: Der andere große Sat.1-Einkauf Oliver Pocher hat gezeigt, wie es genau nicht geht – denn seine Zuschauerzahlen sanken im Laufe des ersten Jahres immer weiter ab.
Bald wird ein weiteres Experiment mit Kerner folgen, der ab dem 21. September dienstags zweimal nach «Akte 2010» auf Sendung gehen wird: «Kerner – Das Thema» widmet sich lediglich einem Leitgedanken und zehn konkreten Fragen dazu. Dieser Test zur Ausweitung seiner Bildschirmpräsenz ist nur folgerichtig und logisch, um sein Profil beim Bällchensender weiter zu schärfen. Selbst wenn die Quoten schlecht sind und das neue Format schief geht, wird es sich also dennoch in dieser Hinsicht auszahlen. Das Projekt Kerner in Sat.1 ist noch lange kein Erfolg – aber es ist auf einem guten Weg dorthin. Selbst wenn Sven nicht mehr unerkannt durch Deutschland reisen muss.