Mit «X Factor» kommt die beliebteste Castingshow aus Großbritannien und ein vielversprechendes Format endlich nach Deutschland. Wie VOX mit dem Megaprojekt die Zuschauer anlocken will…
Alles begann im Jahr 2001 mit dem Start von «Pop Idol» in Großbritannien. Die Sendung, hierzulande besser bekannt als «Deutschland sucht den Superstar», räumte auf der Insel richtig ab und begeisterte die Massen. Jurymitglied Simon Cowell wollte nach zwei Staffeln aber lieber eine eigene Castingshow haben, die er nach seinen Wünschen gestalten konnte. Daraufhin entstand das Format «The X Factor», welches seit 2004 bei dem britischen Privatsender ITV läuft und «Pop Idol» aus dem Programm verdrängte. In Deutschland sicherte sich RTL die Rechte an dem Format, brachte es aber lange Zeit nicht auf den Bildschirm. Anscheinend wollte man das Format nur unter Verschluss halten, damit die Konkurrenz es nicht zeigen konnte. Doch Show-Erfinder Simon Cowell wollte sich damit nicht begnügen und bestand auf eine Verwertung der Rechte auch in Deutschland, andernfalls wären die Rechte wohl anderweitig verkauft worden. Das wiederum wollte man bei RTL dann doch nicht zulassen. So wurde im Dezember 2009 bekannt, dass der kleine RTL-Bruder VOX die Castingshow in diesem Jahr ausstrahlen wird. Warum RTL nicht selbst zugeschlagen hat bleibt ein kleines Rätsel, zwischen «Deutschland sucht den Superstar» und «Das Supertalent» bliebe eigentlich noch genug Platz. Nun hat VOX die einmalige Chance, mit dem Megaprojekt «X Factor» die Konkurrenz alt aussehen zu lassen. Denn die Erfolgschancen stehen gut.
Wie der Sender stolz verkündete, haben sich mehr als 19.000 Menschen für die Castings angemeldet. Hier liegt «DSDS» mit über 30.000 Kandidaten zwar weiter deutlich vorn, wenn man zur Konkurrenz nach Unterföhring schaut wird aber klar, wie groß der Hype um die neue VOX-Show bereits im Vorfeld ist. Zur letzten «Popstars»-Staffel, bei der übrigens Jungs und Mädchen teilnehmen konnten, sind bei ProSieben nur etwas mehr als 5.000 Bewerbungen eingegangen. Ohnehin wird es in den kommenden Wochen auf genau dieses Duell hinauslaufen – «Popstars» gegen «X Factor». Die ProSieben-Show gibt es wie immer am Donnerstag zu sehen, nach dem Start von «X Factor» bei RTL an diesem Wochenende zeigt VOX die folgenden Ausgaben immer dienstags zur besten Sendezeit. Nicht wenige trauen dem britischen Erfolgsformat zu, gleich im ersten Jahr die alteingesessenen «Popstars» hinter sich zu lassen. Doch der Sendeplatz am Dienstagabend ist hart umkämpft. Wenn VOX mit seiner zweistündigen Show beginnt, müssen die Kölner unter anderem gegen die RTL-Serien «CSI: Miami» und (ab 14. September) «Dr. House» antreten. Auf ProSieben läuft weiterhin die bislang sehr erfolgreiche Comedy-Schiene mit den «Simpsons» und «Two and a half men». Hinzu kommt mit der ARD und «Mord mit Aussicht» eine deutsche Serie, die in jüngster Vergangenheit ebenfalls bei den jungen Zuschauern punkten konnte.
Sehr wichtig war für die neue VOX-Sendung die Auswahl der Jury. RTL hat mit Dieter Bohlen einen quotenträchtigen Mann in seiner Jury sitzen und auch Detlef "D!" Soost ist bei «Popstars» nicht mehr wegzudenken. Für «X Factor» fiel die Wahl auf Sängerin Sarah Connor, Startrompeter Till Brönner sowie den Musikproduzenten George Glueck. Connor dürfte bei den meisten Bundesbürgern wohl die bekannteste Person sein. Es wird spannend zu sehen sein, wie sehr diese Besetzung funktionieren und vielleicht auch harmonieren wird. Für den Moderationsposten ging man bei VOX gänzlich neue Wege und holte ein fast unbekanntes Gesicht: Jochen Schropp wird durch die Show führen. Damit stellt der Sender ein junges und unverbrauchtes Gesicht vor die Kamera und hat sich bewusst gegen eine senderinterne (z.B. Marco Schreyl; Daniel Hartwich) Lösung entschieden. Schropp stand in jüngster Vergangenheit mehr als Schauspieler vor der Kamera, 2001 war er in der ARD-Vorabendserie «Sternenfänger» zu sehen.
Das Konzept der Show:
Hier gibt es erhebliche Unterschiede zu den bereits vorhandenen Castingsendungen in Deutschland. Schon bei der sonst vorherrschenden Altersgrenze bei meistens rund 30 Jahren fällt «X Factor» aus der Reihe. Hier teilt man die Teilnehmer in drei verschiedene Kategorien ein, die da lauten "Solokünstler/-innen von 16 bis 24 Jahren", "Solokünstler/-innen ab 25 Jahren" und "Duette bzw. Gesangsgruppen ab 16 Jahren". Das heißt, es können sich neben einzelnen Sängerinnen und Sängern auch Gruppen bewerben und an der Show teilnehmen. Zum anderen fällt die Altersbeschränkung weg, alle Menschen egal welchen Alters können bei «X Factor» mitmachen. Die nächste Neuheit: Ab der zweiten Runde, dem sogenannten "Bootcamp", werden die Kandidaten in die genannten Gruppen eingeteilt und die Jury-Mitglieder werden fortan zu ihren Mentoren.
Lesen Sie auf der kommenden Seite, wie es im Verlaufe der Show weitergehen wird. Außerdem: Für welchen Weg wird sich VOX entscheiden? Mehr Ernsthaftigkeit wie beim Original oder doch eher Klamauk à la «Deutschland sucht den Superstar»?
Mit «X Factor» kommt die beliebteste Castingshow aus Großbritannien und ein vielversprechendes Format endlich nach Deutschland. Wie VOX mit dem Megaprojekt die Zuschauer anlocken will…
Jeder Juror wird dann eine der Gruppen übernehmen und sich anschließend intensiv mit den Kandidaten beschäftigen und sie unterstützen. Am Ende müssen sich die drei Jury-Mitglieder auf die sechs besten Teilnehmer bzw. Gruppen in ihrer Kategorie festlegen, die in die nächste Runde kommen. Sarah Connor, Till Brönner und George Glueck bekommen bei ihrer Entscheidung aber prominente Unterstützung. So wird sich Mousse T. mit Till Brönner verständigen und Sarah Connor darf auf die Ratschläge von Larsito (Culcha Candela) hoffen. Im Mittelpunkt dürfte aber die Beraterin von George Glueck stehen. Für ihn konnte VOX nämlich die US-Sängerin Kelly Rowland auftreiben. In der dritten Phase der Show wird es in die "Jury-Häuser" gehen, in der die Kandidaten sich schon intensiv auf Auftritte vorbereiten müssen. Begleitet werden sie dabei immer von den drei Juroren, die ihnen hilfreiche Tipps geben sollen. Zum Abschluss kommen aus jedem Jury-Haus, welche sich laut Senderangaben übrigens auf "exklusive Locations in Europa" verteilen, nur die besten drei Acts weiter und damit in die großen Live-Shows.
Und auch hier stehen Sarah Connor, Till Brönner und George Glueck ihren Schützlingen weiterhin mit Rat und Tat zur Seite. In den Shows selbst wird es ebenfalls zu Änderungen gegenüber «Deutschland sucht den Superstar» kommen. So können weiterhin die Zuschauer per Telefon-Voting abstimmen, welche Künstler sie in der nächsten Runde sehen wollen, die beiden Acts mit den wenigstens Anrufern treten am gleichen Abend dann aber noch einmal gegeneinander an. Die endgültige Entscheidung, wer die Show für immer verlassen muss, fällt dann die Jury. Im Finale werden sich noch zwei Acts gegenüberstehen, über den Sieg entscheiden dann letztendlich die Zuschauer. Der siegreiche Kandidat oder die siegreiche Gruppe bekommt dann einen Plattenvertrag bei Sony Music und soll sich im Musikbusiness durchsetzen. Ob dies gelingen wird, hängt stark davon ab, wie man die Show bei VOX aufziehen wird.
VOX muss entscheiden – Klamauk oder Ernsthaftigkeit?
Es wird wohl eine der spannendsten Fragen werden, dessen Antwort sich nach der ersten Folge wahrscheinlich schon gut erahnen lässt. Wie wird VOX seine Castingshow «X Factor» aufziehen? Nimmt man sich ein Beispiel an dem britischen Original und stellt die Kandidaten samt Musik in den Vordergrund oder will man nach «DSDS»-Vorbild das Privatleben der Teilnehmer ausschlachten, um so viel PR wie nur irgend möglich zu bekommen? Es spricht nichts dagegen, auch einige lustige Castingauftritte von untalentierten Kandidaten zu zeigen, denn auch diese gehören zu einem solchen Format dazu. Doch wird VOX wie RTL auch so weit gehen und die missglückten Auftritte mit diversen Cartoon-Einspielungen untermalen? Es wäre ein herber Rückschlag für all diejenigen, die sich viel Ernsthaftigkeit von «X Factor» versprechen. Vom Sender war bislang allerdings eher zu hören, dass man sich stark an dem britischen Original orientiert habe. Also mehr auf die guten Leistungen achten wolle.
Und dass so ein Vorgehen in Deutschland funktionieren kann, bewies vor kurzer Zeit erst Stefan Raab mit der Castingshow «Unser Star für Oslo». Die Siegerin Lena gewann im Anschluss sogar der Eurovision Songcontest, der im kommenden Jahr zum ersten Mal seit 28 Jahren wieder in Deutschland stattfinden wird. Natürlich sind beide Shows nur schwer miteinander zu vergleichen, «Unser Star für Oslo» stellt in diesem Vergleich aber auch eine absolute Sonderrolle dar. Natürlich wird VOX auch immer wieder schlechte Kandidaten zeigen, um das Publikum zu amüsieren, den Großteil der Sendezeit sollten sie aber nicht einnehmen. Für die Live-Shows kündigte VOX dann auch gleich "Showacts nationaler und internationaler Stars" an. Damit würde man einen weiteren Schritt in Richtung Original gehen. Egal ob die Black Eyed Peas, Take That, Celine Dion, Kylie Minogue, Mariah Carey, Britney Spears oder Beyonce – sie alle waren schon einmal zu Gast bei «The X Factor». Auch Robbie Williams, Katy Perry und Lady Gaga statteten der Show einen Besuch ab. Sollten in Deutschland auch nur halb so viele Hochkaräter mit an Bord sein, dürften die Shows zu einem echten Spektakel werden. Mit Leona Lewis und Alexandra Burke hat die britische Castingshow auch bereits zwei international relativ bekannte Sängerinnen hervorgebracht.
Doch kann das deutsche «X Factor» wirklich ähnlich erfolgreich werden wie auf der Insel? Könnte es zum Beispiel «Deutschland sucht den Superstar» vom Quoten-Thron stürzen? Vermutlich noch nicht. Ein Sieg über die zeitgleich startende «Popstars»-Staffel wäre wohl schon aller Ehren wert. Aber vor allem die weiter oben genannten Probleme auf dem Sendeplatz müssen VOX handeln lassen. «X Factor» darf nicht einfach nur bei anderen Castingsendungen abkupfern. Das würde die Zuschauer vermutlich schnell langweilen und wieder zur starken Konkurrenz treiben. Und ohne Dieter Bohlen sind die fiesen Sprüche und schlechten Darbietungen der Kandidaten ja auch sowieso nur halb so lustig. «X Factor» muss sich schnellstmöglich ein eigenes Gesicht zulegen, eines, an dem die Zuschauer das Format wiedererkennen können. Doch was passiert eigentlich, wenn das Format zu einem echten Quotenknüller wird? Ausschließen, dass es im nächsten Jahr dann bei RTL laufen wird, sollte man jedenfalls nicht. Es wäre nicht das erste Mal, dass sich der Marktführer bei seinem kleinen Bruder VOX bedienen würde…