Kinokracher = Quotenknüller?

Locken Kinoerfolge tatsächlich auch viele TV-Zuschauer an oder schadet es den Fernsehquoten sogar?

Statistisch gesehen geht jeder Deutschen pro Jahr 1,8 mal ins Kino. Der Durchschnittsdeutsche ist also wohl ein Kunstbanause, der bei jedem zweiten Besuch das Kino schon vorzeitig verlässt.

Die neue Fernsehsaison steht unmittelbar vor der Tür, in nicht einmal mehr zwei Wochen bricht der September an, der Herbst und somit auch die zuschauerreicheren Tage, an denen die Sender ihre besten Shows und neuesten Serien aus den Regalen holen. Im Showbereich geht es schon seit dieser Woche rund: ProSieben startete am Donnerstag seinen Dauerbrenner «Popstars», der in die neunte Runde geht, am Freitag startet mit «X-Factor» ein frisch nach Deutschland importiertes Castingformat neu auf RTL und VOX. Doch nicht nur Shows und Serien werden das Fernsehen endlich wieder attraktiv machen, auch Blockbusterfilme werden bereits für den heißen Herbst gebunkert.

Vor allem ProSieben konnte seinem Image als Spielfilmsender Nummer eins in der jüngeren Vergangenheit wieder ganze Ehre machen und ist auch für die neue Saison gut gerüstet. Mit unter anderem «Twilight», «The Dark Knight» und «Harry Potter und der Halbblutprinz» hat der Sender einige Filme im Portfolio, die schon im Kino die Massen begeisterten. Ob gute Besucherzahlen in den Kinos allerdings für eine gute Einschaltquote im Fernsehen garantieren, dafür gibt es keine Garantie. Sind Kino und TV gar zwei so verschiedene Dinge, dass sich der Erfolg in den beiden Medien überhaupt nicht vergleichen lässt?

Obwohl der Sommer bereits Einzug erhalten hatte, wurden in den vergangenen Monaten im Fernsehen immer noch genügend Free-TV-Premieren von Filmen ausgestrahlt, die vorher eine Kinoauswertung in Deutschland bekommen hatten. Darunter die beiden «Step Up»-Filme auf ProSieben, deutsche Produktionen wie «Neues vom Wixxer» oder Kino-Schwergewichte wie «Sex & the City», der nahezu zweieinhalb Millionen Besucher in die deutschen Kinos gelockt hat. Hier sind die deutschen Besucher und deutschen Zuschauer von 21 Primetime-Premieren der letzten Monate einmal gegenübergestellt, um zu sehen, wie stark der Zusammenhang zwischen Kinokracher und Quotenknüller tatsächlich ist:



Zwei Dinge lassen sich recht deutlich erkennen: Eine schlechte Kinoauswertung bedeutet noch lange kein kleines Publikum vor den TV-Geräten. Das Gegenteil bewies erst vor wenigen Wochen «Die letzte Legion». Im Kino nur von gut 75.000 Menschen gesehen wurde der Film auf ProSieben vor 3,71 Millionen Zuschauern zum großen Erfolg. Ausgerechnet «Sex & the City» - in der TV-Auswertung eines Filmes, der wiederum auf einer TV-Serie beruht, zeigt, dass das Fernsehen manchmal sogar nicht einmal die Besucherzahlen toppen kann. Den 2,47 Millionen Kinobesuchern folgten nur 2,18 Millionen TV-Zuseher. Dass der Film genau genommen vor ProSieben bereits auf sixx Premiere feierte, dürfte bei der geringen Verbreitung des Senders keinen entscheidenden Einfluss gehabt haben.

Die zweite Erkenntnis lautet dennoch: Man mag zwar Glück haben mit Filmen, die vor leeren Bänken aufgeführt wurden, doch die richtigen Blockbuster bieten eine echte Quotengarantie. «Asterix bei den olympischen Spielen» und «Alvin und die Chipmunks», die beiden weiteren Filme in der Liste, die mindestens eine Million Besucher hatten, schnitten im TV vorzüglich ab.

Interessant wird es sicherlich in rund zwei Jahren, wenn die TV-Premiere von «Avatar» ansteht. Dass wir bis dahin alle einen funktionstüchtigen 3D-Fernseher vor der Größe eines außerirdischen Urwalds im Wohnzimmer stehen haben, wird ein Wunschtraum der Industrie bleiben. «Avatar» in platt, klein, mit Werbung und nach jahrelanger Vermarktung von DVDs und Special Editions - da dürfte eines wohl feststehen: An die Besucherzahl des Kinoerfolgs wird die TV-Ausstrahlung sicherlich nicht herankommen. Die liegt in Deutschland bei knapp elf Millionen. Tendenz steigend.

Oft steckt mehr hinter den Zahlen des TV-Geschäfts als man auf den ersten Blick sieht. Oder weniger. Statistisch gesehen nimmt sie unter die Lupe.
20.08.2010 13:22 Uhr  •  Stefan Tewes Kurz-URL: qmde.de/44005