RTL II: Fehlt nur die Quote oder auch die Qualität?

Angesichts einiger Flops im Unterhaltungsbereich stellt sich die Frage, warum die Zuschauer die Neustarts in jüngster Zeit mieden.

Seit vergangener Woche hat RTL II keine Unterhaltungschefin mehr: Julia Nicolas musste gehen, weil die Senderspitze der Meinung war, dass gewisse qualitative Standards unter ihrer Führung nicht gewährleistet sind. Angekündigt wurde ein neues System zur Qualitätssicherung. „Frau Nicolas hat für den Sender viele Jahre erfolgreich gearbeitet, aber unsere neue Positionierung muss mehr als bisher programmlich ausgefüllt werden. Dazu braucht es auch in der Redaktion neue personelle Impulse“, sagte RTL II-Chef Jochen Starke am Freitag zu Quotenmeter.de.

Selten zuvor erklärte ein Sender öffentlich, dass er mit der Qualität der eigenen Formate nicht zufrieden ist. In der Tat: Zahlreiche Neustarts, die Julia Nicolas zu verantworten hatte, starteten schlecht. «Just the Best» fiel an diesem Wochenende beispielsweise auf ein neues Allzeit-Tief, «Generation Ahnungslos» und «Abenteuer Afrika» erreichten den Senderschnitt mit ihrem Auftakt ebenfalls nicht. Doch: Wurde Julia Nicolas wirklich ein Opfer fehlender Qualität oder doch eher nur fehlender Quote? Quotenmeter.de-Redakteure bewerteten zuletzt eine Vielzahl der neuen RTL II-Sendungen – kamen dabei aber nicht zum einhelligen Ergebnis, dass alles qualitativ minderwertig ist.

Dies galt vielleicht für «Das Tier in mir», das montags um 21.15 Uhr läuft. Quotenmeter.de-Redakteur Marco Croner bewertete: „die Dokusoap wirkt durchgehend unnatürlich – von einem ernsthaften Versuch, Teil der Herde zu werden oder sich dem Gegenüber auch nur anzugleichen, kann überhaupt nicht die Rede sein […]So stellt sich die Frage, was man mit diesem halbgaren Projekt zu erreichen glaubte. Andersen hat Recht behalten. Drei, vier Tage bei den Tieren und dabei das Futter mit ihnen geteilt – alles passiert. Und sonst? Richtig zähe Minuten.“

Redakteur Jürgen Kirsch nahm sich des neuen Sexformats «Generation Ahnungslos» an, übte zwar ebenfalls Kritik, welche allerdings nicht gänzlich vernichtend ausfiel. „Für die Zuschauer von RTL II im Teenager-Alter hatte dieses Schauspiel vielleicht einen Unterhaltungswert auf belustigende Weise und mag sie zum Informieren über Sexualität, Verhütung und die anderen behandelten Themen anregen. Doch die sinnvolle Idee der Aufklärung der «Generation Ahnungslos» hat man verspielt.“ Das Fazit eines qualitativ minderwertigen Produkts sieht jedenfalls anders aus.

Auch die neue Sendung «Tattoo Attack», die sogar überdurchschnittliche Quoten einfuhr, bekam lediglich Langweile attestiert. „Wirklich jeder Zuschauer müsste doch Spannenderes zu tun haben, als Menschen wie Carsten Spengemann und Alida Kurras dabei zuzusehen, wie sie sich irgendwelche Bildchen auf ihren prominenten Körper stechen lassen. Als Einschlafhilfe dient die Sendung zwar prächtig, ansonsten ist sie allerdings mehr als flüssig: überflüssig“, urteilte Glenn Riedmeier.

Somit schneiden die neuen Primetime-Formate zwar nicht sonderlich gut ab, aber auch nicht schlechter als beispielsweise «Der Kreuzfahrtkönig», der von der neuen RTL II-Daytime-Redaktion verantwortet wurde. Jürgen Kirsch über das nach drei Folgen aus dem Vorabendprogramm verbannte Produkt: „Das Konzept heißt Konzeptlosigkeit, denn außer dem den vorbestimmen Spielregeln wirkt alles in seiner Gesamtheit sehr spontan und ausgefallen. Peinliche Momente nicht ausgeschlossen […] Einem spaßigen Jugendfreizeit-Trip auf See kam die Sendung auch gleich. Mit dem Unterschied, dass Erwachsene auf dem Luxus-Dampfer sich zum Affen machen und zum Fremdschämen animieren. Immerhin ist dies ein wenig unterhaltend wie auch die Spiele, die aber ausbaufähig sind.“ Auch «X-Diaries», die neue Dokunovela, wurde nicht unkritisch betrachtet. „Wirklich gute und neue Urlaubsgeschichten werden nämlich noch nicht erzählt. Manche Storys nerven im Piloten bereits nach zehn Minuten“, urteilten die Quotenmeter.de-Kritiker.

Fazit: In der Tat überzeugten die Neustarts des RTL II-Sommers nicht durch überragende Qualität. Sie waren aber nicht schlimmer als das, was der Kanal seit einigen Jahren anbietet. Und: Auch Formate, die von anderen Fernsehmachern verantwortet wurden, erreichten kein sonderlich gutes Niveau. Demnach muss sich nicht nur Julia Nicolas auf die Fahne schreiben, dass mehr Qualität dem deutschen Fernsehen gut tun würde.

Alle Bewertungen hier noch einmal in der Übersicht.
«Das Tier in mir»
«Generation Ahnungslos»
«Der Kreufahrtkönig»
«X-Diaries»
23.08.2010 10:54 Uhr  •  Manuel Weis Kurz-URL: qmde.de/44050