Die Kritiker: «The Forgotten»

Inhalt:
Eine Gruppe Freiwilliger hat es sich zur Aufgabe gemacht, ungewöhnliche Mordfälle aufzuklären, in denen die Opfer nicht identifiziert werden konnten und die nicht im Fokus polizeilicher Ermittlungen stehen. Die namenlosen Toten erzählen ihre Geschichte selbst, während sie die Nachforschungen der Amateurdetektive aus dem Jenseits beobachten. Unter den Mitgliedern des Teams ist auch der ehemalige Polizist Alex Donovan, dessen Tochter spurlos verschwunden ist.

In der ersten Episode stehen die Ermittler unter Zeitdruck: Sie haben nur fünf Tage Zeit den Fall aufzuklären, dann wird die unbekannte Tote beerdigt. Die Frau, die ohne Papiere in einem Park gefunden wurde, stellte die Polizei vor große Rätsel. Alex Donovan und sein Team übernehmen die Nachforschungen. Es gelingt ihnen, die Familie der Toten ausfindig zu machen.

Darsteller:
Christian Slater («Der Name der Rose») ist Alex Donovan)
Michelle Borth («Tell me You Love me») ist Candace Butler
Anthony Carrigan («The Undying») ist Tyler Davies
Bob Stephenson («Jericho») ist Walter Bailey
Rochelle Aytes («Drive») ist Grace Russell
Devon Gummersall («State of Mind») ist Clay Thornton

Kritik:
Schon anhand der ersten Beschreibungen der Jerry Bruckheimer-Serie «The Forgotten» ließ sich erahnen, was sich im Frühjahr 2009 in der Produktionsschmiede des Erfolgsfernsehmachers abgespielt haben muss. Bruckheimer wurde klar, dass weder «Cold Case» noch «Without a Trace» eine sonderlich lange Verweildauer im US-TV vor sich hätten. Weil sie schon auf recht viele Staffeln kamen, waren sie in der Herstellung deutlich teurer als neue Krimiserien und die Quoten gingen langsam, aber sicher zurück. Inhaltlich waren die Formate aber noch nicht am Ende, man hatte noch viele Ideen für weitere Geschichten rund um Vermisste. So ist «The Forgotten» entstanden. Es war dann wohl eher Mark Friedmans Aufgabe als Creator der Serie, interessante Hauptfiguren zu finden.

«The Forgotten» ist ein Abklatsch von «Cold Case» unter leichter Beimischung von «Without a Trace», leider aber eben kein Guter. Das, was «Cold Case» ausgemacht hat, konnte man in «The Forgotten» nicht einbauen, sonst wären die Serien nahezu identisch. Erlebten die Zuschauer in «Cold Case» den Werdegang der Opfer hautnah mit, hört man in der neuen Serie nur die Stimme der/des Toten aus dem Off, zudem erscheint in manchen Sequenzen. Das führt aber dazu, dass man keine wirkliche Verbindung zur Vergessenen aufbaut – man verfolgt zwar die Ermittler auf ihre Suche nach Hinweisen, stellt aber immer wieder fest, dass die Handlung deutlich vor sich hinplätschert.

Wer das schon bei einem Pilotfilm sagen kann, der wird nicht mehr sonderlich viel Lust auf die eigentliche Serie haben – mehr als 17 Folgen wurden in den USA aus Mangel an Interesse übrigens auch gar nicht hergestellt. Es gibt nichts, das besonders ist an der Serie. Im Look gleicht sie «Cold Case», die sehr kalten Farben, die im Piloten noch dominierten, wurden im Laufe der Serie zumindest teilweise durch etwas Freundlichere ersetzt. Im Mittelpunkt steht ein Team von Otto-Normal-Bürgern, die die Fälle bearbeiten, für die die Polizei keine Zeit hat. Ins deutsche Übersetzt wurde der Name der Gruppe etwas unglücklich mit „Das Vergessenen-Netzwerk“ – zentrale Figur ist Alex Donovan, der von Christian Slater gespielt wird.

Slater selbst ist keinerlei Vorwurf zu machen, die Autoren haben dafür gesorgt, dass die Figur zu blass bleibt. Einzig das Geheimnis, das Donovan mit sich trägt, charakterisiert sie tiefer. Donovan hat sich dem Netzwerk angeschlossen, weil seine kleine Tochter seit zwei Jahren verschwunden ist – er wartet noch immer auf eine Nachricht. Daraus machte man bisher aber zu wenig. Dabei bieten genau diese privaten Geschichten der Mitarbeiter des Netzwerks doch eigentlich sehr großes Potential – im Laufe der ersten und einzigen Staffel erfahren die Zuschauer mehr davon. Hier hapert es lediglich an der Dosierung, die in der Pilotepisode nicht stimmte. Was passiert sonst in «The Forgotten»? Alex Donovan nannte es „wir rekapitulieren ihre letzte Reise“ – und das trifft es eigentlich ganz gut.

Ähnlich wie bei «Without a Trace» besteht die ganze Folge aus einer Art großer Puzzelei, nach rund 20 Minuten der Pilotfolge meinten die Ermittler beispielsweise immerhin den Namen der unbekannten Toten erfahren zu haben. Genau bei dieser Puzzlesuche haben die Macher aber die größten Chancen vertan: Sie gingen vor wie in den früher produzierten Serien auch, erwähnten zwar soziale Netzwerke im Internet, wollten sich auch mit angeblich anderen Vergessenen-Netzwerken zusammenschließen, taten es im Verlauf der Folge aber nicht.

Das Neue an der Serie fehlt – und das ist bei einem Format, dessen Crime-Plot allenfalls als mäßig bezeichnet werden kann, keine gute Voraussetzung für einen Erfolg. Da hilft selbst der teils gute Humor („Ihr Bluterguss im Gesicht verrät mir zehn Dinge von Ihnen, die ich lieber nicht wüsste“ – „Das ist Farbe“. „Oh“) nur wenig zur Verbesserung der Episoden. Ein Markenzeichen der Serie ist wohl auch eine überraschende Wendung am Schluss, die sich aber zumindest in den ersten Folgen der Serie ebenfalls nicht loben lässt, da sie an den Haaren herbei gezogen erscheint.

«The Forgotten» ist also – wie von vielen schon befürchtet – eine Kopie von bereits eingestellten Bruckheimer-Formaten und ein erneuter Beweis dafür, dass Nachahmungen nie so gut sein können wie das Original. Aus diesen Gründen hatte es das Format in den USA sehr schwer und auch in Deutschland wird sich wohl nicht die ganz große Fangemeinde für das Format mit Christian Slater finden lassen.

kabel eins zeigt 17 Folgen der Serie ab Donnerstag, 9. September 2010, jeweils um 20.15 Uhr.
08.09.2010 10:14 Uhr  •  Manuel Weis Kurz-URL: qmde.de/44391