360 Grad: Wer ist eigentlich Lena?
Lena Meyer-Landrut soll zickig und arrogant sein. Das behauptet zumindest Radiomoderatorin Claudia Stöckl. Julian Miller kommentiert.
Bis ins kleinste Detail ist die deutsche Öffentlichkeit über Dieter Bohlens sexuelle Eskapaden informiert. Wenn Jenny Elvers-Elbertzhagen einkaufen geht, hat sie gerne auch mal ein Kamerateam im Schlepptau. Und als Nadja Abd el Farrag ihre Beziehung mit dem Schlagerkomponisten Ralph Siegel beendete, ging die Geschichte wochenlang durch die Presse. Nur wenige Prominente oder solche, die es zumindest in ihrem eigenen Selbstbild sind oder gerne wären, verschonen uns mit Schnickschnackgeschichten um die Lappalien ihres Alltagslebens. So zum Beispiel Lena Meyer-Landrut. Wobei von der verkommenen Journaille immer wieder versucht wird, ihr daraus einen Strick zu drehen.
So wurde sie etwa bereits von der österreichischen Radiomoderatorin Claudia Stöckl als „zickig“, „arrogant“ und „überheblich“ abgekanzelt, nachdem sich Meyer-Landrut in einem von Stöckl geführten Interview geweigert hatte, auf ihre frechen bis unverschämten Fragen zu ihrem Privatleben zu antworten. Die Grand-Prix-Gewinnerin verwehrt der Regenbogenpresse genau das, was andere gecastete (Möchtergern-)Künstler ihr in vollem Umfang ermöglichen; nämlich ihr Privatleben in einer sensationsgierigen Notgeilheit gewinnbringend auszuschlachten. Natürlich sagt man das nicht so. Zumindest nicht Frau Stöckl. Denn sie schiebt ihre Zuhörer vor: „Kein Mensch will sich nur über den Inhalt eines Songs unterhalten. Die Menschen wollen etwas von der Persönlichkeit kennenlernen.“ Ob die Menschen das tatsächlich wollen, sei dahingestellt. Doch der springende Punkt ist, dass sie kein Anrecht darauf haben.
In besagtem Interview hat Stöckl keinen noch so plumpen Versuch ausgelassen, die Themen Liebe, Erotik, Männer und Familie einzustreuen. Vergeblich. Stets wurde sie mit „Das ist ein Thema, worüber ich gar nicht gerne rede“ abgewürgt. Doch das ist nicht arrogant oder zickig, sondern offenbart lediglich, dass Lena Meyer-Landrut weiß, was sie will und was nicht. Und dass sie sich dabei nicht von headlinegeilen Interviewführern beirren lässt.
Jeder Journalist weiß, dass prominente Abgründe sich verkaufen. Man will formbare Püppchen, für den Kindchenschema-Faktor gerne auch etwas schwer von Kapee, wie etwa die ehemalige «Deutschland sucht den Superstar»-Teilnehmerin Annemarie, die die «Bild»-Zeitung alles mit sich machen ließ. Oder Naddel, die mit Ralph per SMS Schluss macht. Doch toughe, erfolgreiche Frauen, die wissen, was sie wollen, und einer yellow-press-gerechten Aufarbeitung ihres Privatlebens im Wege stehen, sind für Redakteure wie etwa die meisten aus dem Axel-Springer-Verlag ein rotes Tuch.
Lena Meyer-Landrut ist eine der wenigen deutschen Künstlerinnen, die an dem Boulevardsumpf-Quid-pro-Quo kein Interesse haben. Denn sie gibt so gut wie gar nichts von ihrem Privatleben preis. Weil sie es nämlich behalten will. Und das soll ihr doch, verdammt nochmal, zustehen.
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