Ein Job für Programmplaner 2.0

Wie sähen Sendepläne wohl aus, wenn die Programmchefs wirklich täten, was man ihnen oft vorwerfen will, nämlich zu würfeln?

Statistisch gesehen liegt die Chance, im ersten Versuch einen Kniffel, also fünf Würfel gleicher Augenzahl zu werfen, bei 1 zu 1295. Zur Veranschaulichung: Das entspricht ziemlich genau der Chance von Sat.1, mit einer neuen Castingshow einen Quotenhit zu landen.

Als ich diese Woche Deutschlands dienstälteste Castingshow «Popstars» sah, kam - nicht zum ersten Mal, aber stärker als jemals zuvor - die Erkenntnis: Hey, da geht es ja gar nicht darum, gut singen zu können! Dass in der aktuellen Staffel so viele wirklich komplett untalentierte Kandidatinnen in den Recall oder sogar in den sogenannten "Talent Check" in der kommenden Woche geschleift werden, kann ja eigentlich kein Zufall sein. Oder gerade genau das. Denn bei den Urteilen der «Popstars»-Jury hat man zuweilen schon das Gefühl, dass es sich bloß um Marionetten handelt, die von einem Zufallsgenerator ferngesteuert werden.

Damit aber auch genug von «Popstars», denn die Idee mit dem Zufallsgenerator ist ja für sich genommen schon interessant genug und nicht nur bei Castingsendungen anzutreffen. Oft genug wird den Programmplanern diverser Sender vorgeworfen, die Sendepläne am Würfeltisch zu erstellen statt mit Marktanalysen und gesundem Menschenverstand. Man siehe sich zum Beispiel den neuen Dienstag auf ABC an, der in anderthalb Wochen mit einer Kombination aus Superhelden-Familienserie, Tanz-Realityshow und auf düster gebürstetem Cop-Drama auf Sendung geht. Wie das eine Einheit bilden soll, das weiß wohl bestenfalls die ABC-Programmredaktion.

Ein Sender, der auf den ersten Blick vom Programmwürfel durchaus profitieren könnte, ist Sat.1. Stoisch hält man seit Jahren am Comedy- und Entertainment-Freitag fest und versenkt dort zur Primetime eine ungewöhnliche Castingshow nach der anderen und sowieso jegliche zarten Pflänzchen von Comedy-Innovation in einem Umfeld aus versifften Sketch-Comedies und einer Late-Night-Show, die niemand sehen will. Mangels Flexibilität harrt auch «Kerner» weiterhin am Donnerstagabend aus, wo er in Bälde wieder mit den Europa-League-Übertragungen kollidieren wird.

Klingt nach einem Job für den Programmplaner 2.0. Die Kriterien: Sendungen mit guten Quoten tendenziell, aber nicht zwingend in die Primetime, Sendungen mit schlechten Quoten eher ins Spätprogramm, Sendetage und -zeiten bestimmt der Zufall. Und der Vorschlag von Programmplaner 2.0 an Andreas Bartl, wie der aktuelle Programmplan umzubauen wäre, sieht so aus:



Na, da sind doch prinzipiell ein paar interessante Ideen dabei, mit denen man den Zuschauer, sagen wir mal: überraschen könnte. Eine Impro-Comedy als kleine Erholungspause zwischen zwei Krimiserien, das hat doch was. Zumal sowohl «The Mentalist» als auch «NCIS» in Sachen Gagrate mit «Wir müssen reden!» durchaus mithalten können. Am Sonntag mit seichter Promi-Doku das Publikum abfangen, dem die werktäglichen Tratschmagazine fehlen, klingt auch nach einem innovativen Ansatz. Und wo «stars & stories» mit den neuesten Botox-Sünden der Reichen und Schönen aufhört, kann Ulrich Meyer mit einer Reportage über die abgewracktesten Schönheitskliniken an der polnischen Grenze den Audience Flow wahren. Nur wieso «Deutschlands Meisterkoch» ein Recap am Samstagabend und eine Entscheidungsshow am Montag braucht, das erschließt sich mir noch nicht ganz.

Okay, im Ernst: Das ist natürlich ein furchtbares Programmschema, dagegen ist das, was die Verantwortlichen der Sender tatsächlich des Öfteren verbrechen, wahres Gold, und wir haben gelernt: Nicht nur Gott würfelt nicht, die Programmplaner tun es auch nicht - vielleicht mal von denen bei ABC abgesehen - das sollte dieses kleine Experiment ein für allemal bewiesen haben. Unter Umständen wäre es allerdings tatsächlich ein sinnvoller Ansatz, um sich zumindest mal für einen Moment den starren Programmschemata zu entziehen und auf frische Ideen zu kommen.

Aber aufgepasst, liebe Programmchefs, Konkurrenz naht: Programmplaner 2.1 soll kurz vor der Fertigstellung sein. Dann mit Audience-Flow-Kontrolle, gesundem Mensch-Maschinen-Verstand und einem Gratis-Upgrade für ProSieben, unabhängig von qualitativer Unsendbarkeit bevorzugt Sendungen mit Sonya Kraus oder Charlotte Engelhardt im Programm unterzubringen.

Oft steckt mehr hinter den Zahlen des TV-Geschäfts als man auf den ersten Blick sieht. Oder weniger. Statistisch gesehen nimmt sie unter die Lupe.
10.09.2010 11:15 Uhr  •  Manuel Weis Kurz-URL: qmde.de/44468