Der Microbloggingdienst Twitter erlebt seit vergangenem Jahr einen regelrechten Boom. Auch die TV-Sender machen sich dies zu nutzen. Quotenmeter.de-Redakteur Jürgen Kirsch testete ihre Online-Auftritte.
Im Kino läuft mit «The Social Network» ein Film über Facebook, das auch in Deutschland in Windeseile zu einem der angesagtesten sozialen Netzwerke geworden ist. Eine rasante Entwicklung, die auch ein anderes Medium des Web 2.0 hinter sich hat: Twitter. Der Microbloggingdienst, der seine Messages auf 140 Zeichen begrenzt und sich mittlerweile schon im zweiten, aufgepeppten Anzug zeigt, ist ein weiteres beliebtes soziales Netzwerk – funktioniert es doch wie eine Symbiose aus wirren SMS und dem typischen Internet-Bloggen in Kurzform. Mitteilungsbedürftigkeit der Nutzer ist eine Grundvoraussetzung, doch hat man auch schnell erkannt, welches Potenzial Twitter doch eigentlich bietet. Noch vor dem großen Boom innerhalb der Netzgemeinde im vergangenen Jahr haben Nachrichtendienste recht früh Twitter für den schnellen Transport und die Überlieferung von Informationen für sich gewonnen. Aus dieser Tatsache heraus war es nur eine Frage der Zeit, bis der Microbloggingdienst auch im Mainstream angekommen war. Doch was hat das mit dem Fernsehen zu tun? Mehr als man denkt. Denn schnell wurde es auch ein Trend zu beliebten Fernsehsendungen im Internet zu twittern – sprich sich in Echtzeit über kurze Nachrichten („Tweets“) mit Freunden oder anderen Fernsehzuschauern über «Wetten, dass..?», «Schlag den Raab» & Co. auszutauschen.
Auf diesen Trichter sind die Fernsehstationen allmählich auch gekommen – und so nutzen viele den Internet-Dienst Twitter als kleine, aber feine PR-Maschine für das eigene Programm. Doch wie kommt das bei den Internet-Usern an? Welche Kommunikationsstrategien verfolgen die TV-Sender in Deutschland? Den Anfang machten – wie sollte es anders sein – die Nachrichtensender, denn am Anfang war das Twittern auch für Nachrichtendienste am interessantesten. n-tv (@ntvde) und N24 (@N24_de) stellten mit ihren Online-Portalen ohnehin eine Konkurrenzsituation zu den anderen Nachrichtendiensten im Web dar. So lag es nahe die Informationen - vor allem schnell - auch mit Hilfe dieses neuen Mediums zu transportieren. Noch heute werden auf beiden Twitter-Profilen tagesaktuelle Artikel mit Überschrift und jeweiliger Verlinkung auf das eigene Nachrichtenportal veröffentlicht. Sobald eine neuer Bericht erscheint, gibt es auch bei Twitter eine entsprechende Meldung – die Informationsvermittlung ist noch schneller geworden. Das funktioniert vollautomatisch. Wenn es um Vermittlung von Informationen geht, ist auch die Werbung nicht weit. Denn die PR-Abteilungen von Fernsehsendungen haben ebenfalls Informationen zu vermitteln: Sei es auf das eigene Programm aufmerksam oder Neuerungen bekannt zu machen oder schlicht Erfolge zu verkünden. Die Kommunikationsstrategien sind unterschiedlich – auch im Netz.
Nach den Verlagen kamen auch die TV-Stationen in Sachen Twitter auf den Geschmack. Das zunehmende Interesse der Medienlandschaft am Microbloggingdienst ist allerdings in unterschiedlichsten Tonarten zu vernehmen. Für die PR-Abteilungen der Sender ist Twitter in jedem Fall ein Impulsmedium geworden. So zusagen eine qualitative „Real-Time-Quote“ lässt sich für sie hier ablesen. Der direkte Draht zum Zuschauer steht. Nach seinen Wünschen, seinen Hoffnungen und seiner Kritik wird gesucht. Genau dies ist auch das große Potenzial von Twitter für die TV-Sender. Vorbildlich geht hier ProSieben vor. Der Sender aus Unterföhring hat bislang mit seinem Account die meisten Twitter-User hinter sich bringen können. Sie verfolgen @ProSieben auf Twitter und erhalten über den Tag verteilt in regelmäßigen Abständen Programmhinweise oder Ankündigungen und Hintergrundinfos zu ihren Lieblingsserien. Eine solide Mischung aus Eigen-PR und der Kommunikation mit dem Zuschauer ist hier zu beobachten und vorab schon ein Lob wert. Denn auffällig ist ohnehin, dass gerade die TV-Stationen der ProSiebenSat.1-Gruppe in den neuen Social Networks (Facebook mit eingeschlossen) deutlich kommunikativer sind als die Kollegen aus der Medienwelt. Nahezu alle Sender des Konzerns sind bei Twitter vertreten. Die Mediengruppe RTL hat beispielsweise neben Nachrichtensender n-tv nur den Familiensender Super RTL (@SuperRTL) und Vermarkter IP Deutschland (@ipdeutschland) als offiziellen Account ausgewiesen. Und im Gegensatz zum ZDF ist die ARD kaum vertreten.
Lesen Sie auf der nächsten Seite: Die Vorteile von Twitter & wie ProSieben sie einsetzt.
Der Microbloggingdienst Twitter erlebt seit vergangenem Jahr einen regelrechten Boom. Auch die TV-Sender machen sich dies zu nutzen. Quotenmeter.de-Redakteur Jürgen Kirsch testete ihre Online-Auftritte.
Die Vorteile von Twitter-PR liegen auf der Hand. Ein direkter Kontakt zu den potentiellen Zuschauern inklusive Rückkanal sind ein nicht zu unterschätzender Punkt, den auch viele Schauspieler und TV-Stars schätzen. Im Theater bekommen sie die Resonanz des Publikums direkt zu spüren, mittels Applaus oder Buh-Rufen. Beim Fernsehen war bislang die Einschaltquote die einzige Variable, an der festgemacht werden konnte, ob die eigene Sendung ankommt. Dabei berücksichtigt die nur die nackten Zahlen und blendet viele andere Faktoren aus. Manchen Darstellern & Fernseh-Protagonisten reicht das aber bei Weitem nicht, macht man seinen Job doch schließlich für den Zuschauer, dem gefallen soll, was er sieht. Konstruktive Kritik stößt da oft auf fruchtbaren Boden. Ausgelöst hat den Austausch mit dem Publikum via Twitter der amerikanische Schauspieler Ashton Kutcher (@aplusk), der den Vorstoß wagte und seine Fans nicht nur an seinem Leben und seinen Projekten teilhaben lässt, sondern sich über die Fans auch ein Bild davon macht, wie seine Hollywood-Streifen ankommen. Dem Beispiel sind auch deutsche Schauspieler wie Michael Kessler gefolgt (@kesslermichael). In dem schnellen Medium haben die TV-Sender darüber hinaus eine gute Möglichkeit zur Verbreitung von TV-Tipps. Eine große Rolle spielt auch für sie der Erhalt von Meinungen zum Programm. Die Kommunikation mit dem Zuschauer ist somit nicht nur für Schauspieler und Fernsehstars interessant, sondern auch für ihre Sender selbst, die wie der Regisseur im Theater so die Stimmungen des Publikums sammeln können.
Natürlich spielen aber auch wirtschaftliche Faktoren eine Rolle und so versucht man über die Twitter-Accounts Promotion für aktuelle Sendungen in Echtzeit anzustreben. Beispiel: ProSieben. Sendungen wie «Schlag den Raab», «Unser Star für Oslo», «Popstars» oder «Germany’s next Topmodel» werden oder wurden während ihrer Ausstrahlung gepusht. Das spiegelt sich in einem geringen Maße vielleicht auch auf die Quote wieder. Doch in erster Linie dient die Sendungs-Promotion der Gewinnung von neuen Zuschauern, die auch tatsächlich den Weg zu einem Format finden, das sie ohne die schmackhafte Empfehlung im Netz eher gemieden hätten. Der eine oder andere zappt dann doch aus Neugier rüber. Ist Twitter-PR also manipulativ? Es ist eher eine Frage, wie sie verpackt wird. Bei ProSieben versucht man es mit einer Prise Humor, den offenbar nicht jeder der über 50.000 "Follower" teilen kann. Denn ein paar Witze über Teenie-Schwarm Justin Bieber in Verbindung mit einem Magazin-Beitrag bei «taff» lösten jüngst sogar eine Welle der Empörung im Netz aus - unterschiedlichster Natur. Doch auch das spielte ProSieben irgendwie in die Karten, wurde der Account doch noch beliebter. Es ist weiterhin verständlich, dass bei der großen Zahl an Usern nicht jede Zuschauerfrage beantwortet werden kann, zumal viele Frage doppelt und dreifach gestellt werden. Ein aktives Lesen der "Timeline" von ProSieben muss der User also schon mal mitbringen. Das fällt auch gar nicht schwer, dosiert man die "Tweets" doch stets übersichtlich. Auch immer wieder unterhaltend: Dumme Fragen bekommen die passende ironische Antwort. Ansonsten versucht man die Meinung der Follower (ProSieben folgt über 30.000 von ihnen) zu den Sendungen (meist positiv, aber auch Kritik scheut man nicht) wiederzugeben. Auf sympathische, witzige Weise macht man unterschwellig immer wieder auf eigene Programminhalte aufmerksam. Professionell ist das allemal, hier sind PR-Profis am Werk. Koordiniert wird das Twittern bei ProSieben von Kommunikation-Chef Christoph Körfer.
Ein Twitter-Team innerhalb der ProSiebenSat.1-Gruppe besteht meist aus drei Mitarbeitern, die sich über den Tag verteilt zu bestimmten Stoßzeiten abwechseln. Dass eine positive Darstellung von Einschaltquoten und Sendeinhalten versucht wird, liegt in der Natur der Tatsache, dass der Privatsender mit Werbung Geld verdient. Die Eigenwerbung machte beim Test von Quotenmeter.de aber nur etwa die Hälfte der Twitter-Nachrichten aus. Der Rest ist sogar passend zum Sender-Slogan „We love to entertain you“ richtig unterhaltend. ProSieben hat die perfekte Mischung gefunden.
Feedback von der Zielgruppe ist auch beispielsweise für Super RTL (@SuperRTL) interessant. Doch wird hier das Twittern noch nebenbei erledigt. Denn direkte Rückschlüsse darauf, wie das Familienprogramm ankommt, will die Kommunikationsabteilung nicht missen. Zum Zeitpunkt unserer Recherchen konnte der Account aber nur beiläufig betrieben werden. Konzepte sollen auch innerhalb der Mediengruppe RTL erarbeitet werden. Die Wege seien hier aber nicht immer leicht. Hinzukommt, dass der gesamte Konzern auch gerade noch umgesiedelt ist, was die Wege verlängert haben dürfte, hat man doch primär andere Baustellen.
Lesen Sie auf der nächsten Seite von den Online-Strategien bei kabel eins & den öffentlich-rechtlichen Sendern.
Der Microbloggingdienst Twitter erlebt seit vergangenem Jahr einen regelrechten Boom. Auch die TV-Sender machen sich dies zu nutzen. Quotenmeter.de-Redakteur Jürgen Kirsch testete ihre Online-Auftritte.
ProSiebenSat.1 ist bei Twitter also klarer Vorreiter und auch Sat.1 (@Sat1TV) und kabel eins (@kabel_eins) haben den Weg zum Microbloggingdienst gefunden und komplettieren die Sendergruppe weitgehend. Mark Plorin, Chef vom Dienst bei kabel eins Multimedia, twittert seit September für den kleinen Sender offiziell. Die Idee kam hier von Produktmanagern, die schon lange twittern. Einer Test- und Experimentierphase folgte auch bei kabel eins ein offizieller Twitter-Account – es ist der jüngste Newcomer der ProSiebenSat.1-Gruppe. Der Account wird persönlich betreut und versucht nach dem Vorbild von ProSieben etwas unterhaltsam zu sein. Man ist deshalb darauf bedacht den Mittelweg zwischen der Information und der ursprünglichen Idee von Twitter, Befindlichkeiten mitzuteilen, zu gehen. „Wir wollen tatsächlich vermitteln: 'Heute Abend kommt was Tolles bei kabel eins' oder 'Es gibt was Neues auf der Homepage'. Nicht wie es der Online-Redaktion geht oder wie das Wetter in Unterföhring ist“, erklärt Mark Plorin. Eine Strategie also, die Aufmerksamkeit auf den Sender und sein Programm lenken soll. Die Menschen will man animieren, selbst mitzumachen. Der Wunsch nach Kommunikation kann also auf unterschiedliche Weise verfolgt werden. Der Account von kabel eins zeigt dabei eine gute Entwicklung. Täglich kommen mehrere neue Follower hinzu. Die Strategie scheint aufzugehen.
Als „Nischenmedium“ lässt sich mit dem großen Bruder ProSieben aber nicht mithalten, denn „die kabel eins Zuschauer sind etwas älter“, wie Plorin sagt. Auch der Account vom Bällchensender Sat.1 hat eine ähnliche Entwicklung bereits einige Monate zuvor durchgemacht und ist auch auf einem guten Weg.
Positive Beispiele, wie der Microbloggingdienst Twitter von TV-Sendern zu PR-Zwecken genutzt werden kann – und auch sollte. Dagegen funktioniert die rein manipulativ-werbende Art gar nicht. Es reicht nicht aus, reine PR-Mitteilungen zu verbreiten. Der Nutzer ist schnell desinteressiert an dem Account. Es ist also keine leichte Aufgabe einen Twitter-Account professionell zu betreuen und mit ihm Zuschauer zu gewinnen. Eine Kommunikation nur in eine Richtung ist immer schwierig und gar nicht Sinn und Zweck des Mediums. Auch das große Schweigen bei Zuschauerfragen kommt nicht gut an. Schnell macht ein Twitter-Account also für den Sender gar keinen Sinn, wenn die Botschaften gar nicht erst ankommen oder ignoriert werden, weil der Sender die Fragen seiner Zuschauer gleichermaßen ignoriert. Denn ihre Anliegen sollen schließlich Gehör finden. Letztlich muss eine Abteilung damit beauftragt, sich um das Thema Social Networks zu kümmern. Auf die Kommunikationsabteilungen kommen so weitere Personalkosten zu, denn nur wenn auch Menschen sich hinter den Twitter-Accounts verbergen, findet der User Gefallen daran. Vielen Sendern ist das jedoch noch zu kostspielig und auch sieht man das Kosten-Nutzen-Verhältnis noch eher skeptisch, weshalb man sich bei der Mediengruppe RTL beispielsweise schwer tut. Die Accounts sind vorhanden, doch belebt werden diese nicht. Sie gedeihen vielmehr vor sich hin. RTL und VOX kommen über News-Meldungen aus den Online-Redaktion der Nachrichtenformate und gelegentliche einfache Programmhinweise nicht hinaus. Von RTL II hört man bei Twitter schon sehr lange nichts mehr.
Und die Öffentlich-Rechtlichen? Mit gutem Beispiel geht hier das ZDF voran (@ZDFonline) und ist auch schon eine ganze Weile dabei. Ein bunter Mix aus aktuellen News und Progammankündigungen sowie teilweise einem Dialog mit den Zuschauern während der Sendungen wie der «heute Show» zeichnen ein stimmiges Bild des Auftritts des Mainzer Sender im Netz. Auch der neue Ableger ist seit einiger Zeit vertreten: ZDFneo (@zdfneo) folgt dabei dem großen Bruder, sodass gleich zwei empfehlenswerte Twitter-Accounts aus Mainz kommen. Auf direkte Anfragen der User folgen meist auch schnell Antworten, wenn sie nötig sind. Wichtig ist dem ZDF: Die ernsten Fragen des Zuschauers werden auch ernst genommen und bearbeitet. Die Mitarbeiter beim ZDF-Twitter-Account sind kompetent und nett, „posten“ auch mal externe Links oder senden Glückwünsche an User und teilen Freude und Kritik ihrer Zuschauer. Beim Ersten gibt es nach derzeitigem Stand zwar Pläne, aber deren Umsetzung wird noch einige Zeit auf sich warten lassen, wenn sie denn überhaupt zeitnah umgesetzt werden. Denn konkrete Vorstellungen waren nicht zu erfahren. Als Einzelkämpfer schlägt sich MDR-Intendant Udo Reiter (@mdrreiter) durch den Twitter-Dschungel. Nur die Online-Redaktion des WDR (@WDR) schickt Schlagzeilen über den Äther. Neben Arte (@ArteTV) und 3sat (@3sat), die jeweils eine Art eigene Programmzeitschrift twittern und somit eine andere, erfolgreiche Strategie verfolgen, sind auch die Musiksender MTV (@MTV_Germany) und VIVA (@VivaTV) sowie Comedy Central (@_ComedyCentral) bei Twitter vertreten. Letztere suchen jedoch noch nach der richtigen Formel, halten ihre "Follower" aber stets bei Laune.