Die Kritiker: «Die Tochter des Mörders»

Inhalt:
Auf den ersten Blick ist Hanna Maiwald eine ehrgeizige und erfolgreiche Wirtschaftsprüferin. Auf den zweiten Blick vermutlich auch – denn der attraktiven Frau bleibt gar nichts anderes übrig als in der Masse der Großstadt unter- und in ihrem Beruf aufzugehen. Genau das, was Hanna immer wollte seit sie mit etwa 16 Jahren den Klauen ihres Heimatdorfes entkam. Denn jeder Tag, an dem sie den Blicken ihrer Nachbarn ausgesetzt war, erinnerte sie wieder an die Tat ihres Vaters: dieser stach in einem Akt des Wahns Hannas Mutter, seine Frau, brutal nieder und wanderte dafür ins Gefängnis. Damals war Hanne fünf Jahre alt.

Ihre Kindheit ist mit ihrer Mutter gestorben. Doch der Anruf eines alten Freundes und Arztes versetzt Hanna augenblicklich zurück in die Vergangenheit. Ihr Vater geht langsam aber sicher an seiner Demenz zu Grunde und braucht ständige Pflege. Hanna kümmert sich darum und verschwindet wieder, im Glauben das Kapitel ein für allemal geschlossen zu haben. Doch als ihr Vater anschließend Selbstmord begeht und in einem Abschiedsbrief beteuert, nicht der Mörder ihrer Mutter zu sein, bleibt der Karrierefrau nichts anderes übrig als die Blicke der alten Bekannten zu ertragen und Licht ins Dunkel zu bringen.

Darsteller:
Sophie von Kessel («Frank Riva») ist Hanna Meiwald
Matthias Brandt («Im Schatten der Macht») ist Kommissar Arnsberger
Tim Bergmann («Die letzte Schlacht») ist Finn Breuer
Monika Baumgartner («Gipfelsturm») ist Gerda Bichler
Tilo Prückner («Adelheid und ihre Mörder») ist Joseph Bichler
Peter Mitterrutzner («Beste Zeiten») ist Helmut Meiwald

Kritik:
Was für den Amerikaner die allerorts identischen Vororte sind, ist für die Deutschen das dunkle bayerische Dorf: voller Geheimnisse, eigenartigen Gestalten und einer Menge Blut – denn jeder Keller hat Leichen und jeder Wirt hat Keller. So oder so ähnlich. Über die Atmosphäre im Dorf, seine Charaktere und Leichen lässt sich dasselbe sagen wie über «Die Tochter des Mörders» insgesamt: Solide Arbeit. Drehbuchautorin Claudia Kaufmann und Regisseur Johannes Fabrick haben sich für ein sittsames Drama entschieden, ohne großes Risiko und mit den richtigen Zutaten: tolle Darsteller, die sich nicht gegenseitig um ihr Rampenlicht bringen, eine interessante Hintergrundgeschichte und ein gut verwobenes Netzt der Figuren.

Die Kehrseite des Ganzes: wenig Profil für die Nebendarsteller, ein leicht ausmachbarer Täter und ganz allgemein das Gefühl, das alles schon einmal gesehen zu haben. Denn den Storypart mit dem größten Potential hat man nicht wirklich ausgeschöpft: Hannas Schuld gegenüber ihrem Vater, der nach einer knappen halben Stunde klar als Täter ausgeschlossen werden kann. Natürlich ist es unterbewusst diese Schuld, die Hanna antreibt, die Wahrheit zu finden – doch auch wenn Sophie von Kessel ein hervorragenes Porträt einer verstörten jungen Frau liefert, wird man mit der Hauptfigur und ihren egostischen Motiven nicht wirklich warm. Anders gesagt: Hanna ist authentisch, aber nicht liebenswert. Wie auch? Neurosen, Zorn, Angst – hier kommt alles zusammen. Als Zuschauer ist man zwar an der Geschichte und ihrer Auflösung interessiert, an der eiskalten Protagonistin aber eher weniger.

Statt also die Wunde völlig aufzureissen und Hanna vor Schuld platzen zu lassen, weil sie ihren Vater Jahrzehnte lang zu Unrecht verurteilt hat (auch wenn sie dank der Ignoranz ihrer Adoptiveltern gar keine andere Wahl hatte), legt man mehr Wert auf den Kriminalfall, der ja eigentlich gar keiner ist. Hanna musste den Mord an ihrer Mutter damals mitansehen, hat Gesicht und Stimme des Täters aber verdrängt. Mithilfe von Hypnose will sie nun ihre Erinnerung zurück. Da die eigentlichen Spuren nach über 30 Jahren selbstverständlich verwischt sind, zögert man die entscheidende Hypnose-Stunde immer weiter hinaus. Zumindest gibt uns das Zeit, Tim Bergmann und Matthias Brandt in ihren Rollen zu bewundern. Ersterer gibt Finn, Hannes Jugendfreund, der ganz nebenbei von ihr bessesen ist. Letzterer lässt als Kommissar Arnsberger lieber Gesten und Augen sprechen – der ausschweifende Dialog ist dem Ermittler fremd. Und das ist auch gut so. Zwei zwar nicht innovative Figurenkonstellationen, die dank ihrer Darsteller aber dennoch stark zur Unterhaltung des Filmes beitragen.

Nicht zu beanstanden ist die Kamera- und Schnittarbeit. Tadelloses Handwerk an beiden Fronten, die für Wachsame auch inhaltlich etwas trägere Szenen abwechslungsreich gestaltet. Und sonst? Auf das Genre zugeschnitten gibt es farbenfrohe Flashbacks und düstere Spannungsmomente zu tiefer Nacht – wie es sich eben für einen Psychothriller gehört. Es wird auch keine wertvolle Sendeminute verschwendet: die Wortgefechte treiben die Handlung voran, die ruhigeren Szene loten die Abgründe der Charaktere aus, allen voran Hanna. Fazit: Nicht das Gelbe vom Ei, aber vor allem dank der Schauspieler nichtsdestotrotz ein sehenswertes Stück Fernsehen. Fans von US-Krimiserien dürfen gern einen Gang zurück schalten – erstens um am gefühlsvollen Tempo des Filmes Spaß zu haben und zweitens um den Täter nicht sofort beim ersten Auftritt zu erkennen.

Das ZDF zeigt «Die Tochter des Mörders» am Montag, den 25. Oktober 2010 um 20:15 Uhr.
24.10.2010 10:54 Uhr  •  Marco Croner Kurz-URL: qmde.de/45386