Die Kritiker: «SOKO Köln: Mord zartbitter»

Story
Schock bei einer Wohnungsbesichtigung: Im schönsten Zimmer einer leeren Altbauwohnung findet der Hausverwalter Herbert Scheuermann die Leiche des Hausbesitzers Udo Rosinski in einer Blutlache. Der Mann wurde erstochen. Rosinski war bei seinen Mietern gefürchtet. Um seinen hohen Mietforderungen Nachdruck zu verschaffen, griff er nicht selten zu unfairen Mitteln. Besonders unter dem sadistischen Vermieter zu leiden hatte die attraktive Miriam Brosi, die ein kleines Schokoladengeschäft im Erdgeschoss führt. Rosinski hatte versucht, sie mit utopischen Mieterhöhungen in die Enge zu treiben. Die SOKO Köln stößt bei ihren Recherchen zunächst auf eine Bande Jugendlicher, die die Anwohner der Straße seit Wochen nervt und verunsichert. Ein frisches Graffiti deutet darauf hin, dass sich jemand von denen am Tatort aufgehalten hatte.

Auch der Hausverwalter Scheuermann hätte Grund, Rosinski übel zu wollen, hat ihn doch sein Chef bei einem Immobiliengeschäft über den Tisch gezogen. Oder auch Rosinskis ehemalige Freundin, die Friseurin Sandra Schmidt könnte keinen anderen Ausweg mehr gesehen haben, den immer bedrohlicher auftretenden Ex ruhig zu stellen und gilt als Verdächtige. Wichtige Hinweise erhoffen sich die Ermittler vom Nachbarn gegenüber der Mordwohnung, dem schrulligen Künstler Willi Mühlkamp, der offensichtlich Plagiate kreiert. Dessen Angaben jedoch klingen eher verwirrend. Willi sorgt sich mehr um die Dame im Schokoladengeschäft, die er heimlich liebt. Doch auch Miriam Brosi hat ein Geheimnis, welches die SOKO Köln noch lüften muss. Die ist aber mit dem Thema Ernährung beschäftigt: Frank Hansen lässt sich indessen gern mit Pralinen verwöhnen, während vor allem seine Partnerin Karin Reuter gegen die süße Versuchung kämpft. Sie hat mit ihrem Ex-Mann gewettet, vier Wochen lang eine strenge Diät durchzuhalten. Eine harte Disziplin und ein schwieriger Fall zugleich.

Darsteller
Sissy Höfferer («Hinter blinden Fenstern») ist Karin Reuter
Jophi Ries («Die Pfefferkörner») ist Frank Hansen
Lilia Lehner («Die Hochzeit meines Vaters») ist Julia Marschall
Steve Windolf («Boat Trip») ist Daniel Winter
Kerstin Landsmann («Inga Lindström») ist Vanessa Haas
Thomas Clemens («Aus dem Sand») ist Dr. Philip Kraft
Hans-Martin Stier («Rennschwein Rudi Rüssel») ist Ben Schneider
Hugo Egon Balder («Genial Daneben») ist Willi Mühlenkamp
Stefanie Höner («Barfuß bis zum Hals») ist Miriam Brosi
Dietmar Mues («Ich trag dich bis ans Ende der Welt») ist Herbert Scheuermann
Charlotte Bohning («Countdown») ist Sandra Schmidt
Klaus Zmorek («Unter dir die Stadt») ist Udo Rosinski
Jeremy Mockridge («Die wilden Hühner und das Leben») ist Lukas Brosi

Kritik
Zum modernen Krimi-Film gehört es fast schon zur Normalität: Kleine Nebengeschichten, die das Ermittler-Team betreffen. Sie werden auf charmante Weise in Szene gesetzt – der Mordfall bleibt natürlich im Vordergrund. In dieser Form hat das nicht nur seine Berechtigung, sondern erfrischt eine trockene Kriminalhandlung sogar. Ein paar Sticheleien unter den Kollegen, der eine oder andere Humor oder einfach ein paar flotte Sprüche nebenbei – all das kann eine Krimi-Folge wie bei «SOKO Köln» auflockern. Der natürlich ernste Kriminalfall wird da tatsächlich auch mit zartbitterem Unterton serviert. Der Titel «Mord zartbitter» meint dabei hauptsächlich das Schokoladengeschäft, dessen Vermieter ums Leben gekommen ist. Wie – das zu klären ist die Aufgabe der Kölner Sonderkommissare Reuter und Hansen. Beide sind ein eingespieltes Team und haben sich über mehrere Staffeln bewährt, so dass eine lockere, ja auch zartbittere Nebenhandlung ganz locker von der Hand geht. Das Publikum wird es Natalia Geb danken, dass sie in ihrem Drehbuch die Ermittler zum eigenen Kampf mit der süßen Versuchung Schokolade antreten lässt. Denn dies ist ein Nebeneffekt, der für einiges Schmunzeln sorgt. Denn während Karin Reuter auf Diät sich äußerst schwer tut den Schokoladen-Spezialitäten zu widerstehen, gibt sich Frank Hansen voll dem Genuss hin. Beide Handlungen bergen komödiantische Elemente in sich.

Doch ist das nur eine Randerscheinung, denn die beiden Ermittler müssen den Fall des ermordeten Vermieters des Schokoladengeschäft von Miriam Brosi lösen, der sie erst dorthin führt. Dort treffen sie auf die von Stefanie Höner überzeugend gespielte Verkäuferin und Inhaberin des Ladens, die zwar offenkundig freundlich und nett erscheint, aber irgendwie auch ein Geheimnis mit sich trägt. Es ist die erste Spur, der Reuter und Hansen also nachgehen. Doch führt diese nur soweit, dass sie auf eine Gruppe Jugendliche aufmerksam werden. Denn die haben ein Graffiti in der Wohnung hinterlassen, in der der tote Vermieter aufgefunden wurde. Über mehrere Ecken führt der Weg schließlich auch zu Miriam Brosis Sohn Lukas, der offensichtlich zu dieser Gruppe gehört. Es ist die zweite Spur der SOKO-Ermittler und gleichzeitig ein erstes Highlight des Films. Denn Jungschauspieler Jeremy Mockridge, bekannt vor allem aus den «Die wilden Hühner»-Filmen und der «Lindenstrasse» bietet seine ganze Klasse auf, wenn es nachdem Lukas ausfindig gemacht wurde in den Verhörraum geht. Der freche Charakter bringt eine gute Portion Frische in den Krimi-Film, der hier zum ersten Mal so richtig authentisch und nicht aufgesetzt wirkt. Denn zuvor ist vieles noch Makulatur, was dann fortschreitend immer mehr professionelle Züge annimmt. Denn auch das Drehbuch sieht hier erstmals eine heiße Spur vor, mit der man aber irgendwie zu lang gewartet hat. War die Spannung gerade im Begriff flöten zu gehen, hat der Film an dieser Stelle gerade noch die Kurve bekommen.

Auch fortan scheint die Besetzung mit Jeremy Mockridge ein Glücksfall für das von Regisseur Sascha Thiel inszenierte «SOKO Köln: Mord zartbitter» gewesen zu sein. Denn bei seinen Auftritten kommt jeweils jugendliche Dynamik ins Spiel, was dem ansonsten eher abgeklärten, routinierten Geschehen in dem ZDF-Krimi sichtlich auf die Beine hilft. Doch auch noch ein weiterer Gastschauspieler bringt das festgefahrene Schema des Krimi-Dauerbrenners etwas aus den Fugen. Es ist handelt sich dabei aber nicht etwa um einen weiteren jungen Schauspieler, sondern eher um einen vom alten Eisen: Hugo Egon Balder. Der «Genial daneben»-Moderator versucht sich einmal mehr als Schauspieler und schlüpft in die Rolle des zwiespältigen Künstlers Mühlkamp, der er überzeugend spielt. Denn manch einer mag Balder eine Krimi-Rolle gar nicht zutrauen, doch ist es bei weitem nicht die erste (zuletzt im «Tatort») und außerdem macht er seine Sache sogar sehr gut. Zumindest spielt er auf dem gleichen Level wie die beiden Kölner SOKO-Ermittler und steht ihnen in nichts nach. Vielmehr bringt er sogar ihre Ermittlungen auf Trab.

Zusammenfassend hat man in «SOKO Köln: Mord zartbitter» etwas zu viel Potenzial verschenkt. An die zwar interessante Geschichte ist man leider zu träge heran gegangen, so dass etwas Leerlauf unvermeidlich war. Darüber wird der Zuschauer nicht hinweg sehen können und auch kann die nette Nebengeschichte rund um das Ermittler-Team das alles nicht wett machen. Dass es aber immerhin zwei Momente im Film gibt, an denen die Handlung dank guter Schauspielleistungen aus der Trägheit ausbrechen kann, ist ein sehr positiver Aspekt, der zum Zuschauen einlädt. Man sollte am Anfang nur nicht allzu viele Erwartungen in die Krimi-Story setzen, denn sonst wird man am Ende selbst zartbitter enttäuscht.

Das ZDF zeigt «SOKO Köln: Mord zartbitter» am Dienstag, 2. November 2010 um 18.00 Uhr sowie regelmäßig dienstags 20 weitere neue Folgen.
01.11.2010 08:00 Uhr  •  Jürgen Kirsch Kurz-URL: qmde.de/45536