Wird bei den Bauern geschummelt? Gibt es bald Noten fürs TV-Programm?: Christian Richters Rückblick auf den Oktober.
Thema des Monats:
Es gibt kaum eine überflüssigere Veranstaltung als die Verleihung des
«Deutschen Fernsehpreises». Das liegt nicht (nur) an der zuweilen mangelnden Qualität des deutschen Fernsehens, sondern vor allem am unsinnigen Regelwerk der Auszeichnung. Bei dieser ist es nämlich nicht möglich, für ein Format zweimal nominiert zu werden. Oder anders ausgedrückt, wer einmal auf der Nominierungsliste stand, hat auf ewig seine Chance auf eine Auszeichnung vertan. Im Laufe der Jahre sind bereits sämtliche Highlights erwähnt worden und so werden die Wahlmöglichkeiten für die Jury immer dünner. Unter den diesjährigen Nominierten befanden sich daher die Castingshow «X-Factor», «Willkommen bei Mario Barth», «Cindy aus Marzahn und die jungen Wilden» und «Rachs Restaurantschule». Sollen dies wirklich die besten Sendungen des Jahres gewesen sein? Vielmehr waren es wohl die einzigen, die bisher nicht bedacht wurden. Der unsinnige Modus führt also am Ende dazu, dass irgendwann jedes Format einmal mit einer Erwähnung bedacht wird – unabhängig davon, welche Qualität es hat. Das macht nicht nur den Preis an sich lächerlich, sondern schmälert auch die Leistung der Preisträger, welche die Auszeichnung wirklich verdient haben. Dieser Unsinn muss endlich aufhören. Hier darf sich der «Deutsche Fernsehpreis» ruhig ein Beispiel am US-Pendant nehmen. Dort herrscht stets ein Gleichgewicht zwischen Newcomern und bewährten Konzepten und dort können «30 Rock» und «Mad Men» mehrfach gewinnen, weil sie auch die besten Produktionen des Jahres waren.
Und irgendwie scheinen sich dieser Tatsache auch die Stifter bewusste zu sein, denn über Umwege haben sie es geschafft, in diesem Jahr doch ein paar alte Bekannte noch einmal zu nominieren. In der Gruppe «Beste Dokutainment» duellierten sich «Rach, der Restauranttester» und «Raus aus den Schulden». Beide Sendungen standen bereits 2007 zur Wahl, allerdings mit dem kleinen Unterschied, dass damals der „Beste TV-Berater“ gesucht wurde und damit Christian Rach und Peter Zwegat selbst nominiert waren. Diesmal standen also nur ihre Sendungen auf der Liste. Zum Glück konnte auch Stefan Raab mit seiner Show «Unser Star für Oslo» ebenfalls neu nominiert werden, weil diese einen anderen Titel als «SSDSGPS» hatte und auch nicht im Rahmen von «TV Total» ausgestrahlt wurde. So konnte er den Preis für eine Sendung gewinnen, deren Konzept gegenüber den Vorgängern nahezu unverändert blieb. Es scheint also doch zu gehen. Man muss nur die stetig neu erfundenen Kategorien clever wählen, dann passt das schon irgendwie.
Schon jetzt darf man sich auf die Verleihung des Jahres 2011 freuen, in der wahrscheinlich erstmals auch die beste «Scripted Reality» ausgezeichnet wird, denn aus diesem Genre wurde bisher kein Vertreter nominiert. Sie ist also eine wahre Fundgrube an potentiellen Preisträgern.
Zahl des Monats:
Im Alter von
33 Monaten ist am 26. Oktober 2010 Fußball-Orakel Paul gestorben. Ein Wunder, dass nach dem Ableben der Krake die Bundesregierung sämtliche Flaggen nicht auf halbmast hängen ließ. Die größte Trauer dürfte Johannes B. Kerner empfinden, war Paul doch das einzige Highlight auf der dürftigen Gästeliste seines diesjährigen Jahresrückblicks. Nun wird Kerner ohne den weltbekannten Stargast auskommen müssen, doch sicher trotzdem nicht auf einen entsprechenden Filmbeitrag verzichten.
Lieblinge des Monats:
Schon seit längerem bestücken die regionalen Sender der
Radiokette Energy ihr Nachtprogramm mit der sogenannten «Comedy Nacht». Immer sonntags bis donnerstags laufen dort zwischen 0.00 und 4.00 Uhr nicht nur Livemitschnitte von Comedians, sondern auch ausgewählte Hörbücher unter anderem von Christian Ulmen, Helge Schneider oder Cordula Stratmann. Die Station stellt dafür letztendlich mehr Sendezeit für solche Inhalte als die meisten öffentlich-rechtlichen Sender zur Verfügung und bietet zumindest nachts eine angenehme und wohltuende Abwechslung im ewig gleichen Privatradio an.
Dass der Sender entgegen aller bisherigen Annahmen über ein Musikarchiv verfügt, das aus mehr als nur einer Handvoll Künstlern besteht, bewies er am Tag der deutschen Einheit. Dort sendebenen alle Energy-Stationen ausschließlich deutsche Musik und kramten dabei einige Perlen heraus, die man schon lang nicht mehr gehört hat und zum Teil noch nie auf diesem Sender. Solche Aktionen stehen dem Unternehmen gut zu Gesicht, um sich aus dem Einheitsbrei hervorheben zu können. Dabei könnte auch Neuzugang und Radiochaot Tommy Wosch helfen, der ab November deutschlandweit für die Station moderieren wird und damit eigentlich Hochverrat begeht. In seiner früheren Sendung beim RBB-Sender Fritz hatte er regelmäßig die ewig gleichen Moderationen von Energy bitterböse parodiert. Doch für die Chance nun bundesweit senden zu können, darf man schon mal seine Prinzipien über Bord werfen.
Seit Anfang Oktober reizt RTL II mit dem Format «Tatort Internet – Schützt endlich unsere Kinder» die Öffentlichkeit. Das
reißerische Magazin wird begleitet von einer umfangreichen PR-Kampagne, für die sich nicht nur Stephanie zu Guttenberg und der Verein "Innocence in Danger", sondern auch die Bild-Zeitung vor den Karren spannen lässt. Angeblich geht es dem Sender darum, die Zuschauer aufklären und Kinder schützen zu wollen, doch die Umsetzung der Sendung, die Provozierung von Straftaten und die Zurückhaltung von Beweismaterial bis nach der Ausstrahlung der Sendung sprechen gegen diese edlen Motive. Am Ende blieb wie vorausgesagt außer einem Sturm im Wasserglas nur ein mittelmäßig erfolgreiches, typisches RTL II-Format zurück. Dass es auch anders geht, sich diesem wichtigen Thema zu widmen, bewies das ZDF mit seiner Reportage
«Missbrauch per Mauklick». Anstatt auf Selbstjustiz am Rande der Legalität zu setzen, begleitete ein Reporterteam den Polizeibeamten Dieter Scholz bei seiner Arbeit, der seit mehr als zehn Jahren im Fachkommissariat für Sexualdelikte bei der Polizeidirektion Hannover ist. Er lieferte nahezu die gleichen Erkenntnisse und erschreckenden Tatsachen, jedoch in einer viel seriöseren und angepassteren Art und Weise. Eine derartige Umsetzung hätte zwar nicht das gleiche Medienecho hervorgerufen, jedoch für etwas mehr Nachhaltigkeit sorgen können. Schade, dass das ZDF den Rummel um das Thema nicht nutzte und die gelungene Doku im Nachtprogramm versteckte.
Auf der nächsten Seite lesen Sie, wer den Haufen des Monats bekommt.
Wird bei den Bauern geschummelt? Gibt es bald Noten fürs TV-Programm?: Christian Richters Rückblick auf den Oktober.
Aufreger des Monats:
Am 21. Oktober 2010 haben die Ministerpräsidenten der 16 deutschen Bundesländer der Änderung des Rundfunkstaatsvertrages zugestimmt. Die
Haushaltsabgabe rückt damit immer näher. Wie schon im Juni, als die Rundfunkkommission die Pläne erstmals vorstellte, wurde erneut mehrfach betont, dass das künftige Gebührenmodell ein moderner Weg sei, den immer breiteren Nutzungsmöglichkeiten gerecht zu werden. Man kann über die Abgabe sicher geteilter Meinung sein, aber die Begründung ist lachhaft. Eine pauschale Zwangsabgabe für jeden Haushalt ist nicht modern, sondern einfach. Modern wäre gewesen, die Höhe an der tatsächlichen Nutzung der Inhalte zu koppeln. Modern wäre gewesen, den Zuschauer entscheiden zu lassen, ob er die Angebote von ARD und ZDF nutzen möchte und in welchem Umfang. Modern wäre gewesen das Programm mehr an der Zielgruppe zu orientieren und die zahlungsfaule Jugend auf diese Weise wieder stärker zu motivieren. Modern wäre gewesen, Kosten für das Programm zu sparen, um so die Gebühren senken zu können. Der nun eingeschlagene Weg ist nicht modern, sondern ein Rückschritt für die öffentlich-rechtlichen Sender. Dank der neuen staatlichen Garantie ihrer Gebühren können sie weiter konsequent ohne Zukunftsängste an der Zielgruppe vorbeisenden. Zu einer Qualitätsverbesserung des Programms wird diese Reform sicher nicht beitragen.
Haufen des Monats:
Den Preis für den größten Dünnpfiff des Monats erhält die Doku-Soap
«Hochzeitsfieber!», von welcher der Spartensender ZDFneo seit dem 04. Oktober eine neue Staffel zeigt. Darin konkurrieren fünf Bräute um die schönste Hochzeit. Sie besuchen dazu gegenseitig ihre Feiern und vergeben anschließend Punkte für das Essen, das Kleid und die Stimmung. Was für ein lahmes Konzept? Was für eine einfallslose Kopie des «Perfekten Dinners»? Was für ein Armutszeugnis für den jungen Kanal, der eigentlich viele gute Produktionen in seinem Programm hat. Was für bedauernswerte Bräute? Wie traurig und unsinnig ist eine Hochzeit, die nicht mir, sondern anderen Menschen gefallen muss? Wie deprimierend muss es sein, für den schönsten Tag des Lebens eine schlechte Note von den Kontrahenten zu bekommen, nur weil diese selbst auf den Sieg schielen? Ein ähnliches Format wird auch im Rahmen der ProSieben-Allzweck-Lösung «We Are Family» gezeigt. Dort besuchen sich wildfremde Menschen gegenseitig in ihren Wohnungen und bewerten diese. Sind wir mittlerweile an einem Punkt angekommen, an dem ich alles und jeden von anderen benoten lassen muss? Warum lassen die Fernsehprogramme sich dann nicht auch einmal selbst im Rahmen einer solchen Sendungen gegenseitig beurteilen. Vielleicht würde dies den einen oder anderen mutlosen Produzenten wachrütteln.
Und sonst noch...
...sind die
Bauern bei RTL zurück. Unter ihnen sticht schon jetzt der charmante Schweinebauer Harald aus Franken hervor, der sich in die Kubanerin Janet verliebte. Wer denkt bei den beiden nicht sofort an Josef und Narumol - die Quotenbringer des vergangenen Jahres? Kann soviel Ähnlichkeit wirklich Zufall sein oder hat RTL hier nachgeholfen? Nach den immer wieder auftretenden Schummelvorwürfen rund um das Format und im Angesichts des Bestrebens des Senders immer mehr Inhalte seiner Programme zu inszenieren, scheint ein solcher Eingriff nicht unwahrscheinlich. Selbst wenn die Macher tatsächlich unschuldig sein sollten, bleibt ein übler Beigeschmack zurück, den sich der Kanal selbst zuzuschreiben hat.
«Der Richterspruch»: Christian Richter blickt bei Quotenmeter.de auf die wichtigsten Ereignisse der vergangenen Wochen zurück und kürt die „Lieblinge“ und den „Haufen“ des Monats.