«Kirschs Blüten»: Wanderwege
Unser Kolumnist zeichnet die Wanderwege der RTL-Spitzenkräften von Köln nach Unterföhring nach.
„Was ist da denn los?“, wird sich in diesen Tagen wohl auch Deutschlands bekanntester Metzger wieder fragen, wenn er von seinem Studio in Köln-Mülheim einen Blick hinüber zu RTL wirft. Denn die Rheinluft am neuen Sendezentrum in Köln-Deutz – so scheint es – bekommt den hochrangigen Managern des Senders wohl nicht sonderlich. Zwei von ihnen sind dem Lockruf nach Unterföhring gefolgt, zu jenem Privatsender, für den der Metzgersohn aus Köln-Sülz bekanntlich Gold wert ist. Er wird sich sein Grinsen nicht verkneifen, denn nachdem bereits der Chef-Programmplaner Klaus Henning seine Abwanderungsgedanken von RTL zu ProSieben öffentlich machte und schon ab März 2011 die Programmpläne für die Free-TV-Sender von ProSiebenSat.1 austüftelt, wurde jetzt klar, dass auch der leitende RTL-Redakteur im Bereich Unterhaltung, Show und Daytime, Sascha Naujoks, ihm ein Vierteljahr später dorthin folgen wird. Zwei Topleute weniger also für RTL-Geschäftsführerin Anke Schäferkordt. Und sie sind nicht die einzigen: Mit Dirk Schweitzer hat ein weiterer wichtiger RTL-Mann einen neuen Wanderpfad für sich entdeckt. Seine Wanderwege führen ihn in Richtung der Tele München-Gruppe - also auch in bayerische Gefilde, weg von der kölschen Rheinluft.
Doch genügend Zeit, um für gleichwertigen Ersatz zu sorgen, hat Schäferkordt bei RTL dennoch, zumal ihre Mediengruppe eine sehr gute Adresse ist. Vielleicht auch aus den eigenen Reihen - wie beim Posten des Chef-Programmplaners, den Jan Peter Lacher durch seine Beförderung übernimmt. Und somit wird man die Abgänge zwar bedauern, ihnen aber nicht großartig nachtrauern. Denn so schnelllebig, wie das Mediengeschäft auch ist, wäre das kein guter Ansatz. Doch nicht zuletzt hat RTL seinen beiden abwandernden Mitarbeitern viel zu verdanken, waren sie doch auch Säulen des derzeitigen Erfolgs, der dem Kölner Sender unter anderem einen Rekordmonat bescherte.
Bei ProSiebenSat.1 wird die Freude derweil sehr groß sein. Dem direkten Konkurrenten auf dem Markt zwei Top-Leute abgeworben. Sie sollen jetzt auch in Unterföhring für jene Einschaltquoten sorgen, die für RTL schon fast ein vorgezogenes Weihnachtsgeschenk waren. Doch wird auch das nicht von heute auf morgen gehen. Die Handschrift der neuen ProSiebenSat.1-Zugänge wird nicht sofort zu erkennen sein. Wie so oft, ist auch hier Geduld gefragt. Ein Vergleich aus der Fußballwelt: Selbst 30-Millionen-Mann Mario Gomez schlug bei seinem neuen Arbeitgeber, dem FC Bayern München, nicht sofort ein wie eine Bombe. Erst einige Wochen und Monate später erzielte er Tore um Tore und konnte den Millionen-Transfer für den Rekordmeister auch in der Liga und Champions League in bare Münze - in Form von Punkten - umwandeln. Wie auch der Fußballer werden sich die Top-Manager im neuen Umfeld der ProSiebenSat.1-Gruppe erst einmal einfinden müssen. Natürlich gibt es auch in der Fußball- wie auch in der Medienwelt Senkrechtstarter, die sofort neue Erfolge bringen. Nichtsdestotrotz kann sich ProSiebenSat.1 über seine neuen hochrangigen Mitarbeiter freuen und optimistisch in die Zukunft blicken – auch im Hinblick auf die Einschaltquoten.
Ob das jedoch dazu führt, dass ähnliche Formate wie «Bauer sucht Frau» nun auch verstärkt ihren Weg zu ProSiebenSat.1 finden werden und so ein gewisser Gegenpol zur RTL-Vormachtstellung im Doku-Soap- und Scripted Reality-Bereich aufgebaut wird, bleibt abzuwarten. Womöglich würde dies sowieso erst mittel- oder langfristig zur Debatte stehen. Fürchten muss sich RTL davor nicht. Denn die Quoten-Giganten bleiben den Kölnern schließlich auch mit den dann im März und Juni 2011 neuen Kräften an den entscheidenden Spitzenpositionen erhalten. Und mit frischen Kräften an der frischen Luft am Rheinufer bietet sich für RTL sogar die Chance, neue lebhafte Formate ins Programm zu nehmen oder den etablierten Eckpfeilern ebenfalls frischen Wind einzuhauchen. Doch dass nicht jedes Doku-Soap-Format gleich den Quoten-Erfolg bringt, hat der Marktführer mit dem schwachen Start von «Katia Saalfrank hilft» in der vergangenen Woche erfahren müssen. Ein gewisser Anspruch wird also auch hier erwartet. Es ist also Kreativität und Fingerspitzengefühl gefordert, das die Nachfolger auf den Spitzenpositionen mit an den Rhein bringen müssen. Sollten sie erfolgreich sein, könnten auch sie das breite Grinsen beibehalten, das momentan nicht zu Unrecht auch Andere aufgesetzt haben. Doch eines steht fest: Dem Metzgermeister als Showfinder im Dienste von ProSieben wird es in Köln-Mülheim auch mit den neuen Ex-RTL-Mitarbeitern in Unterföhring ohnehin nicht vergehen.
«Kirschs Blüten» gehen auch nächste Woche wieder auf – jeden Dienstag! Nur bei Quotenmeter.de!