«Terriers» und das Problem mit Hunden auf dem Werbeplakat

Sie gilt als vielleicht beste US-Serie des Jahres 2010 und wurde dennoch nach wenigen Ausgaben eingestellt. Warum die FX-Produktion «Terriers» scheiterte...

Plötzliche Absetzungen einer heiß geliebten US-Serie sind immer schwer zu verkraften. Die zu erwartende Absetzung eines Kritikerlieblings ist immer überschattet mit der letzten Hoffnung, dass es die Serie doch noch ins nächste TV-Jahr schafft. Im Falle des Dramas «Terriers» treffen sich beide Faktoren in der Mitte und versuchen die Fans und Kritiker zu beruhigen. Das Drama über zwei private Ermittler, die in ihrer Heimat Ocean Beach auf ein Komplott stoßen, welcher aufgedeckt werden soll, schaffte es in der TV-Season 2010/2011 nur auf 13 Episoden, aber entwickelte während der kurzen Laufzeit auf dem Kabelkanal FX eine Fangemeinde, die von Anfang an nicht die Hoffnung aufgegeben hat, dass FX «Terriers» eine zweite Staffel schenkt. Auch die Kritiker hielten sich nicht zurück «Terriers» als „the best show you don't watch“ zu bezeichnen und versuchten zugleich die Internetgemeinde auf die Serie aufmerksam zu machen. Dazu gehörten nicht nur wiederholte Plädoyers der Serienmacher und Blogger über Twitter und Facebook, auch die Reviews zeigten, dass «Terriers» die Serie ist, die geguckt werden muss, um zu sehen, wie das Schreiben einer Dramaserie wirklich funktioniert.

Das half der Serie am Ende allerdings nicht und «Terriers» geht ein in die Geschichte als eine der besten Serien im US-TV mit einer viel zu kurzen Laufzeit. Doch im Gegensatz zu anderen Serienabsetzungen in der vergangenen Laufzeit waren die «Terriers»-Anhänger nicht einmal über die Absetzung enttäuscht. Die extrem miesen Einschaltquoten haben die Fans schon seit dem Piloten auf eine baldige TV-Beerdigung vorbereitet und nach der Absetzung folgt bekanntlich die Suche nach den Gründen. FX-Unterhaltungschef John Landgraf hielt sogar eine schnelle Telefonkonferenz, um den Reportern eben diese zu erklären. Landgraf bestätigte die Sorgen und Vermutungen der Fans und versuchte sie dennoch zu beruhigen, indem er niemandem die Schuld für die schlechten Ratings gab. Allerdings stellt sich hier die Frage, ob auch Landgraf nicht nur die Kritiker beruhigen wollte, sondern auch die FX-Zuschauer.

Während der «Terriers»-Ausstrahlungen wurden Kampagnen gestartet, die FX überzeugen sollten, der Serie damals schon eine zweite Chance zu geben. Und auch nach dem Serienfinale gab es Kampagnen, die FX zu einer Bestellung einer zweiten Staffel überreden sollten. Die Erdnuss-Kampagne der «Jericho»-Fans in 2007 ist immer noch in aller Munde, und während «Caprica»-Fans dabei waren, mehrere Säcke frischer Äpfel zu den Syfy-Büros zu schicken, überlegten «Terriers»-Fans, wie FX mit Protesten bombardiert werden konnte. Vielleicht war auch dieser Faktor einer der Gründe, warum Landgraf den Reportern die Absetzung des Kritikerlieblings erklärte, wie es kein TV-Chef zuvor getan hat.

Die Suche nach den Gründen für eine Absetzung ist einfach. Das Finden der Gründe kann dagegen etwas komplizierter sein, besonders wenn es darum geht die richtigen Gründe zu finden, und nicht, wie es TVByTheNumbers seit diesem Herbst nennt, „fan excuses“. Landgraf betonte vor allem die Arbeit der Marketingabteilung und versuchte die Schuld vom unüblichen Marketing der Serie abzulenken. Er betonte, dass die «Terrier»-Billboards, die einen Hund im Zentrum der Poster darstellten, während die beiden Hauptdarsteller der Serie fast unaufmerksam im Hintergrund zu sehen waren, nur in Los Angeles und New York benutzt wurden. Drei Wochen nach dem Start der Serie gab FX eine Studie in Auftrag mit 600 «Terriers»-unerfahrenen Leuten, die die Effektivität der TV-Promos und das Marketing der Serie allgemein beurteilen sollten. Die Tests haben gezeigt, dass die Promos „die Serie äußerst gut repräsentiert“ haben und dass diese „sehr gut erklärten, um was es in der Serie geht“. Die Internetgemeinde sah es allerdings ein wenig anders als Landgraf, und erklärte das Marketingproblem gewissermaßen in dieser Form: „Die Grafiken zeigen knurrende Hunde. Zusammen mit dem Titel der Serie, «Terriers», nimmt man an es handelt von Hunden. Richtig? Falsch.“ Vermutlich würde sich hier eine weitere Fokusgruppe mit 600 Leuten finden, die genau das Gleiche aussagen wollen. Zudem könnte man zum jetzigen Zeitpunkt eine Diskussion über den Sinn und die Richtigkeit von Fokusgruppen starten, die im Endeffekt genauso zufällig sind wie das Nielsen Media Ratingssystem, jedoch die Ergebnisse mathematisch und statistisch gesehen auf den gleichen Nenner kommen: Die Ergebnisse der Studien spiegeln immer noch das Meinungsbild des Volkes wider – nicht anders verläuft auch die Ermittlung der deutschen Einschaltquoten oder die allbekannte „Sonntagsfrage“.

Ein weiterer Grund, warum «Terriers» nie eine weitreichende Zuschauergemeinde gefunden hat, war die Ausrichtung von FX selbst: Der Sender hat sich einen Namen mit düsteren und ehrlichen Serien geschaffen, welche nicht vor schockierenden Storys halt machen. «Nip/Tuck» ging Wege, die meistens von HBO-Serien okkupiert waren; «The Shield» zeigte den Zuschauern, dass das Polizeiwesen mehr als nur weiße Westen zu bieten hat. Unter den neueren Serien hat «Sons of Anarchy» bewiesen, dass auch „normale“ Menschen ihr Geschäft mit Mord und Totschlag gutheißen, nur um das eigene Heim zu schützen. Mit «Justified» und «Terriers» betraten neue FX-Serien Wege außerhalb von Ecken, Kanten, Drogen, Mord, Vergewaltigung und dunklen Bildern. Das Format wurde als Buddy-Comedy beschrieben, der Serientrailer versprach einen Mix aus Crimedrama und Comedy. Zugegeben, die ersten paar Folgen der Staffel hatten mehrere humorvolle Momente, die eher dem schwarzen Humor zuzuordnen waren, als gewöhnliche Comedy, und auch die zweite Staffelhälfte sah nach einem „ganz normalen“ Drama aus, die auch auf einem der vier großen Networks hätte ausgestrahlt werden können. Aber «Terriers» fühlte sich in seiner gesamten Laufzeit nie an, als wäre es eine Serie getreu dem ungeschriebenen FX-Motto „je düster und dreckiger, umso besser“. Fans fragten sich, wie es der Produktion ergangen wäre, wenn sich USA Network oder TNT der Serie angenommen hätten. Trat hier der umgekehrte „RTL-Erfolg“ ein? Während deutsche Zuschauer auf ihrer mythischen RTL-Fernbedienung in der Regel das Programm auf dem Kölner Sender verfolgen, ist es nicht für die FX-Zuschauer möglich, „FX light“ für eine Stunde am Dienstag zu akzeptieren? Während RTL einen Quotenrekord nach dem anderen einfährt, hatte FX von Anfang an keine Chance mit der untypischen, undüsteren und nicht schockierenden Serie? Nicht nur die deutschen Zuschauer verwundern die Quotenberichte immer wieder, auch die US-Zuschauer sind in der Lage, überrascht zu sein, wenn die Ratings am nächsten Morgen veröffentlicht werden.

Der nächste Grund wäre die Serie an sich – hat sie das ganze Kritikerlob verdient? Ist sie zurecht auf mehreren „Top 10 of 2010“-Listen auf einem der obersten Positionen, wenn nicht auf Platz 1 der besten Serie des Jahres? Oder war der anhaltende Ansturm der begeisterten Fans nicht sogar schuldig für einige genervte Zuschauer, die sich den andauernden Wiederholungen von „the best show you don't watch“ entzogen und gar nicht erst daran dachten, «Terriers» eine Chance zu geben? Im Vergleich zu anderen neuen Serien, die im September 2010 gestartet sind, hebt sich das FX-Format hervor als eine etwas andere „normale“ Serie – im Prinzip ist die Serie eine üblich modernisierte Variante des Privatdetektiv-Genres, welche sich nicht nur auf die einzelnen Kriminalgeschichten konzentriert, die eine Bandbreite von Prostituierte-stiehlt-Geld bis Mord besitzt, sondern auch auf die Charaktere hinter der Story einen Fokus legt. Die Serie könnte gewöhnlicher kaum sein, ist jedoch anderweitig aufgefallen: Die Geschichten waren interessant, obwohl sie wie Lückenfüller in den Episoden wirkten. Die Geschichten waren selten langweilig und wandlungsreich, was sich in dem Genre wie eine Abwechslung anfühlte und demnach als bestes Crimedrama der Season bezeichnet werden könnte, und vielleicht sogar das beste Crimedrama seit dem Ende von «The Wire». Die Kritiker und TV-Zuschauer sahen es wohl genauso. Auf Metacritic stehen drei durchschnittliche bis unterdurchschnittliche Reviews 21 positive Reviews gegenüber, und auf IMDb haben mehr als 680 User die Serie einen Score-Average von 9.1 gegeben. Allerdings sollte man nicht vergessen zu betonen, dass «Terriers» bei männlichen Zuschauern besser ankam – was bei dem ausstrahlenden Sender FX und der Thematik jedoch kein Wunder ist.

Der finale, vielleicht unbedeutendste Grund wäre FOX' Entscheidung im Oktober 2010 seine Sender vom Dish Network zu nehmen. Dish verlangte eine geldliche Abgabe von mehr als 50 Prozent der aktuellen Summe für die Ausstrahlung von FOX-Programmen (darunter FX), welche letztendlich als Erhöhung der Kabelgebühren von den Zuschauern hätte getragen werden sollen. Als es während der Vertragsverhandlungen zu einem Disput zwischen Dish und Rupert Murdochs News Corp. kam, wurden am 1. Oktober mehrere FOX-Kanäle vom Network genommen und mehrere Zuschauer an der amerikanischen Ostküste mussten anderweitig ihre Lieblingsserien im TV finden. Vier Wochen dauerten die Verhandlungen, und FX kehrte am 29. Oktober zum Dish Network zurück. Ein Blick in die US-Quoten zeigt, dass «Terriers» einen Durchschnitt von 477 500 Zuschauern im Oktober hatte. Die Reichweiten verbesserten sich mit der Rückkehr zu Dish im November (der Reichweitendurchschnitt der letzten fünf Episoden steigerte sich um rund 27 Prozent zu den Werten im November), und die Serie endete ihren Lauf mit der drittbesten Reichweite ihrer kurzen Geschichte. Der leichte Reichweiten-Anstieg half dem Ratingssystem allerdings nicht und kam selten über 0,3 Prozentpunkte, was «Terriers» zur quotenschwächsten Serie machte. Selbst mit einer Verdoppelung der Ratings würde «Terriers» immer noch die quotenschwächste Serie auf FX sein, weshalb die Absetzung mehr als gerechtfertigt ist.

Die Marketing-Kampagne, der Hund auf den Postern, der Fakt, dass «Terriers» eine untypische Serie für FX war, oder sogar der Titel der Serie (für John Landgraf stand sogar der Titel «Beach Dicks» zur Diskussion) – alles Gründe, um die Absetzung zu verstehen. Alles Gründe, die die Zuschauer, Fans und Presse einen Blick in die Welt von Landgraf geben. Alles Gründe, welche von zukünftigen Serienmachern aufgenommen werden sollten, um nicht die gleichen Fehler zu machen. «Terriers» zeigte, dass die Marketingabteilung eine Serie töten kann (auch wenn Landgraf wiederholt betonte, dass die PR-Maschinerie unschuldig ist), und dass selbst Kritikerlob keine Serie vor ihrer Absetzung rettet. Das Ende von «Terriers» war erwartungsvoll schmerzhaft, aber letzten Endes zu verkraften, jedoch konnte der Schwanengesang kaum angemessener sein. Die Serie geht ein in die Geschichte als „cancelled way too early“, und selbst «Lost»-Co-Erfinder Damon Lindelof tweetet, dass wir in zehn Jahren „immer noch über «Terriers» reden“ werden. Die Serie ist nicht der erste Kritikerliebling, welcher zu früh abgesetzt wurde und wird auch nicht der letzte bleiben. Manch einer mag nun sagen, dass die Absetzung den aktuellen Stand des US-Fernsehens kommentierte: Während unbedeutende CBS-Serien jahrelang überleben und das ohne die Hilfe von Kritikern und während bedeutende Shows wie «Jersey Shore» wiederholt Zuschauerrekorde einfahren, selbst wenn die Kritiker die Sendung auseinander nehmen, gibt es auch immer wieder eine Nischenserie, die von allen geliebt, aber von niemandem geschaut wird. Der Slogan von «Terriers» war „Too small to fail“ - ironisch, besonders nach der Absetzung.
30.12.2010 09:28 Uhr  •  Christian Wischofsky Kurz-URL: qmde.de/46706