‚Intelligente Produktionsformen und dennoch gute Qualität‘
«SOKO Leipzig»- und «SOKO 5113»-Produzent Norbert Sauer über das am Freitag stattfindende Jubiläum des Lepiziger Krimis, die Zukunft von «Bella Block» und ersten Eindrücken vom Dreh des RTL-Piloten «World Express».
10 Jahre «SOKO Leipzig» - wie ist die Idee dazu damals eigentlich entstanden?
Damals gab es nur unsere «SOKO 5113», die schon 2001 über 20 Jahre erfolgreich im ZDF lief. Gemeinsam mit dem Serienleiter Klaus Bassiner überlegten wir, ob nicht ein Spin Off der Serie ebenfalls erfolgreich sein könnte und beschlossen, sie in den neuen Bundesländern anzusiedeln. Leipzig war dabei von Anfang an unser Favorit, Universitäts- und Messestadt und natürlich Zentrum der friedlichen Revolution. Hier gab es zahlreiche interessante Geschichten, die für Ost und West gleichermaßen attraktiv sind, viele unverbrauchte Schauplätze, politische Konstellationen und menschliche Schicksale.
Erinnern Sie sich noch an die ersten Zuschauerzahlen?
«SOKO Leipzig» war von Anfang an ein Riesenerfolg. Auf dieser Grundlage wurden dann die weiteren SOKOs entwickelt, die gemeinsam mit der Ur-SOKO, der 5113, den erfolgreichen Vorabend des ZDF gestalten.
Und «SOKO Leipzig» läuft auch heute noch als einziges Familienmitglied in der Primetime…
Und das seit Jahren mit stetig wachsendem Erfolg.
Worin liegen die Unterschiede zwischen der Primetime-Serie «SOKO Leipzig» und den Vorabendformaten?
Auch wenn das Budget nicht größer ist als bei den meisten Vorabend SOKOs sind die Unterschiede gravierend: In der Primetime konkurrieren wir mit teuren Hochglanzformaten der anderen Sender und müssen deshalb ebenfalls ein ProductionValue bieten: Die Stories müssen komplexer sein, die Aktualität größer, der sogenannte Look aufwendiger, die Schnittfrequenz höher, der Cast noch prominenter. Insgesamt darf es etwas härter zur Sache gehen, so dass auch Themen des organisierten Verbrechens, des Waffen- und Menschenhandels oder der Prostitution freizügiger dargestellt werden können. Auch die „DDR-Befindlichkeit“ spielt hier eine eigene Rolle.
War die Primetime ein Risiko für Sie?
Wir haben das nie als Risiko sondern immer als Chance begriffen und sind dem ZDF dankbar für die Möglichkeit.
Zum Jubiläum zeigen Sie zwei Ausgaben in Spielfilmläge. Worum wird es gehen?
Zum Jubiläum gibt es einen Zweiteiler von zweimal 90-Minuten, mit dem Titel „Gefangen“ und das ist gleichzeitig der 200. Fall, den die Leipziger Ermittler der «SOKO Leipzig» aufklären müssen. In dem Zweiteiler wird das SOKO-Team vor eine Zerreisprobe gestellt als Jan Maybach alias Marco Girnth das Opfer einer raffiniert eingefädelten Intrige wird. Eigentlich wollte Jan nur eine attraktive Studentin und Mitarbeiterin eines Escortservice schützen, deren Freundin und Kollegin ermordet wurde. Das Ganze gipfelt in einem Mordverdacht und einer Gefängnisstrafe für Jan. Die SOKOs aber auch seine schwangere Freundin Leni (Caroline Scholze) versuchen nun alles, Jans Unschuld zu beweisen und ihn schnell freizukriegen. Denn als Polizist hat Jan im Knast einen besonders schweren Stand...
Ist der Samstagmorgen für Sie eigentlich noch spannend? Die TV-Quoten sind sehr stabil und jede Woche sehr erfolgreich.
Das ist schon immer wieder spannend und es freut mich und das ganze Team um den Produzenten Jörg Winger und die Producerin Henriette Lippold sehr, dass wir so erfolgreich sind. Um den Erfolg zu halten, analysieren wir die Zahlen jede Woche und überlegen, was wir noch anders und besser machen können. Die Zusammenarbeit mit der englischen Serie «The Bill», die in beiden Ländern übrigens Top-Quoten hatte, ist ein Beispiel dafür, die Arbeit mit der ostdeutschen Band „Silly“ ein anderes und unsere zahlreichen 90er ein drittes. Dieser Erfolg muss jeden Freitag neu erarbeitet und verdient werden.
Das ZDF zeigt «SOKO Leipzig» schon seit geraumer Zeit am Freitag um 21.15 Uhr. Wird es auch 2011 noch eine Weile weitergehen?
Wir laufen nun schon seit Januar 2003 - also seit acht Jahren - äußerst erfolgreich am Freitagabend in der Primetime und es gibt keine Pläne, dieses Erfolgsrezept zu ändern.
Wie viele Episoden kann man denn herstellen, ohne dass die Qualität leidet?
Wir produzieren 20 SOKO Leipzig Folgen pro Jahr, damit sind alle Darsteller und das Team sehr gut ausgelastet. Im Moment steht dies nicht zur Debatte- aber eine höhere Folgenzahl ist für uns kein Problem, dann müsste man andere Wege in der Produktion gehen, mit mehr Hauptdarstellern arbeiten und einer intelligenten Logistik / Aufteilung von Außen- und Innendrehs.
Haben Sie eigentlich einen Liebling innerhalb der «SOKO» Familie?
Die «SOKO Leipzig» und auch die «SOKO 5113» sind beides absolute Herzensprojekte für mich, in deren Weiterentwicklung sehr viel Sorgfalt und Energie gesteckt wird und nur so ist der anhaltende Erfolg auch zu erklären. Abgesehen von unseren beiden Serien mochte ich aber auch unsere «SOKO Rhein-Main» sehr gerne und würde das auch fortsetzen wollen.
Die Serie ist schon seit einiger Zeit beendet.
Ja leider, ich würde sie gerne weiter sehen. Ich finde, dass das ganze Einzugsgebiet rund um Frankfurt ein spannendes Pflaster ist und unterrepräsentiert im TV. Wir könnten daraus auch eine «SOKO Frankfurt» machen. Auch eine «SOKO Berlin» wäre sicherlich ein großer Erfolg und würde noch einmal ganz andere Geschichten ermöglichen.
Sprechen wir einmal über «SOKO 5113» - da gab es im vergangenen Jahr einen großen Aufschrei als Sie den Cast verjüngt haben. Haben Sie diesen nachvollziehen können?
Um eine Serie über Jahrzehnte hinweg auch weiterhin auf der Höhe der Zeit zu halten, ist es immer wieder notwendig, unter anderem auch Veränderungen im Ensemble vorzunehmen, um das Programm mit neuen Erzählimpulsen versehen zu können. Dies ist ein völlig normaler Vorgang, auch bei der «SOKO Leipzig» gab es immer wieder neue Ermittler und natürlich auch bei der «SOKO 5113», die in den mehr als 30 Jahren ihres Bestehens schon viele Wechsel gesehen hat. Denken Sie nur an Gesichter wie Dieter Krebs oder Bernd Herzsprung, die alle einmal dabei waren. Und die Zuschauer haben unsere neuen Darsteller Gerd Silberbauer und Joscha Kiefer sehr gut angenommen, wie steigende Zuschauerzahlen beweisen.
Ich möchte kurz auch über «Bella Block» mit Ihnen sprechen. Die Serie ist überaus beliebt und dann sagte Hannelore Hoger zuletzt, dass Sie die Figur nicht mehr lange spielen möchte. Ihre Pressestelle dementierte. Können Sie uns aufklären?
Das ist eigentlich recht einfach. Hannelore Hoger ist eine Schauspielerin, die sehr viele Interessen und Angebote aus Theater und Film hat und sich ungern auf eine Langzeitprognose festlegt. Wir reden aktuell mit Hannelore Hoger über drei Jahre und ich bin sehr sicher, dass wir nach diesen drei Jahren wieder über zwei oder drei Jahre sprechen werden. Seien Sie sich sicher: Hannelore Hoger liebt ihre Figur noch genauso wie am ersten Tag.
Der Erfolg spricht jedenfalls für eine langfristige Fortsetzung…
Absolut, «Bella Block» ist etwas ganz Besonderes. Die Zuschauer haben auch hier die Veränderungen der letzten Zeit sehr gut angenommen. Der langjährige Lebenspartner Bella Blocks ist ausgestiegen, Bella ist vom Polizeidienst zurückgetreten und ist inzwischen als private Ermittlerin unterwegs, was uns völlig neue Möglichkeiten in den Geschichten eröffnet.
Gehen wir mal weg vom ZDF und hin zu RTL: Für die Kölner machten Sie im Dezember einen Pilotfilm zu «World Express». Ihr Fazit?
Wir haben bereist im letzten Jahr den Abenteuermovie «Akte Golgatha» für RTL realisiert, nun den Piloten für «World Express» mit Marco Girnth in der Hauptrolle. Die Dreharbeiten verliefen sehr zufriedenstellend, wir haben unter anderem an kulturell bedeutenden Maya-Kultstätten in Mérida, das als „Tor zur Welt der Maya“ gilt, in der Ausgrabungsstätte Tulum und in Valladolid mit einem deutsch–mexikanischem Team gedreht. Dort gibt es tolle Filmleute, die bereits Erfahrungen in großen US-Produktionen sammeln konnten und uns großartig unterstützt haben. Auch unsere Schauspieler haben sich sehr wohl gefühlt und der Zuschauer darf sich auf einen packenden Abenteuer-Movie freuen.
Wie würde das Konzept der Serie aussehen?
Der titelgebende «World Express» ist Kurierdienst der besonderen Art. Seine Kuriere sind die Experten für hochsensible Aufträge, brisante Fracht, die mit äußerster Diskretion zu behandeln sind. Für Ihre Auftraggeber bereisen die Kuriere die ganze Welt, geraten in brenzlige, oft sogar tödliche Gefahr und in der Vergangenheit wurden durch sie schon im letzten Moment Kriege verhindert, Staatskrisen beigelegt und Delinquenten vor dem Fallbeil bewahrt. Das Konzept sieht also vor in vielen verschiedenen Ländern zu drehen. Die nächste Folge könnte beispielsweise in Vietnam spielen.
Auslandsdrehs sind recht teuer. Wie ist das zu finanzieren?
Die UFA hat langjährige Erfahrungen und Expertisen in Auslandsdrehs und kann sehr effizient mit einer durchdachten Logistik arbeiten, eine unserer Stärken. Sicherlich sind Drehorte wie die USA eher nicht zu finanzieren- aber so exotische Locations wie Mexiko oder Vietnam – das ist machbar.
Wie stehen die Chancen, dass das Projekt wirklich in Serie geht?
Ich glaube sehr an das Programm und auch von RTL gab es bereits sehr positive Reaktionen. Letztlich entscheidet aber der Zuschauertest.
Aber Sie freuen sich allgemein, dass deutsche Serien bei RTL und auch bei Sat.1 wieder höher im Kurs stehen?
Natürlich. Nachdem die Zuschauer sich einige Zeit lang den US-Serien zugewandt haben, entdecken sie jetzt wieder stärker die deutsche Serie, darin sehe ich einen positiven Trend für alle Produzenten. Bei den Öffentlich-Rechtlichen sind deutsche Serien schon wieder richtig erfolgreich – die ARD feiert damit am Dienstag Erfolge und im ZDF laufen, wie Sie wissen, die SOKOs und auch die Serien auf der 19:25 Uhr-Schiene sehr, sehr gut. Fest steht für uns aber auch: Größere Budgets wird es dafür zukünftig nicht geben. Die Herausforderung für uns Produzenten liegt darin, intelligente Produktionsformen finden, um dennoch gute Qualität abzuliefern.
Dabei viel Glück und Dankeschön für das Interview.