Normalität bei der Werbeauslastung? Das RTL-Dschungelcamp bewegt sich zwischen Rekordquoten und geringer Werbeauslastung. Doch der Sender hat trotzdem gut Lachen.
Wenn RTL seine Zuschauer mit Live-Bildern aus dem australischen Dschungel versorgt, schalten täglich über 8 Millionen Deutsche ein. Beim Dschungelcamp wird ein Rekord nach dem anderen gebrochen: Die Zuschauerzahlen der Reality-Sendung schnellen in astronomische Höhen und die erzielten Marktanteile bei Jung und Alt lassen die Konkurrenz vor Neid erblassen. So lag der Spitzenmarktanteil am Dienstagabend zum Beispiel bei sensationellen 50,3 Prozent in der werberelevanten Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen und markiert den bisherigen Staffel-Rekord, der beinahe Tag für Tag neu aufgestellt wird. Doch nicht nur die spannenden Streitereien der Dschungel-Kandidaten und ihre Ekel-Prüfungen erfreuen das RTL-Publikum.
«Ich bin ein Star – holt mich hier raus!» ist auch deswegen ein Zuschauer-Genuss, weil die Werbepausen verhältnismäßig kurz sind. Doch wie zahlen sich die Rekordwerte für RTL bei dieser „Werbeflaute“ überhaupt aus? Ist das Dschungelcamp für RTL doch mehr eine Image- und PR-Geschichte?
Quotenmeter.de wollte es genau wissen.
Schon zu Beginn der momentan fünften Staffel war die auffallend geringe Werbeauslastung von «Ich bin ein Star – holt mich hier raus» zu beobachten. Am ersten Wochenende der RTL-Sendung gab es beispielsweise am Sonntagabend nur eine Werbeunterbrechung, in der gerade einmal drei Spots gesendet wurden. Sehr ungewöhnlich für einen Privatsender, der sich über die Werbung finanziert. Auch in den folgenden Tagen mussten sich Zuschauer, die die Werbepause gerne für den Gang zur Toilette oder einen Snack in der Küche nutzen, spurten, denn auch hier waren die Werbespots rar gesät. Oftmals wurden die Werbepausen gar mit programmlicher Eigenwerbung versehen und für Programmhinweise von Schwestersendern der Mediengruppe wie Super RTL und n-tv genutzt. Laut Rundfunkstaatsvertrag dürfen die Privatsender insgesamt 12 Minuten Werbung pro Stunde bringen. Beim Dschungelcamp wurde in der ersten Woche nicht einmal die Hälfte der verfügbaren Werbezeit in Anspruch genommen.
Zwar hat sich Werbeauslastung in der zweiten Woche etwas gesteigert, doch auch am vergangenen Sonntag kam man über insgesamt dreieinhalb Minuten Werbung innerhalb der 60-minütigen Sendung nicht hinaus, während am Samstag dieselbe Werbeauslastung bei 120 Minuten Spielzeit zu beobachten war. Am Montag konnte man immerhin fast sechs Minuten Werbung unterbringen. Eine leicht steigende Tendenz also, die aber immer noch gerade mal knapp die Hälfte des Möglichen ausmacht. Natürlich: Das ist kein schier neues Phänomen, denn auch in den vergangen Staffeln konnte «Ich bin ein Star – holt mich hier raus!» nicht sehr viel Werbezeit vorweisen.
Doch auf den ersten Blick scheint sich erneut rund um das Dschungelcamp eine „Werbeflaute“ aufgebaut zu haben. Dabei kann die fünfte Runde des RTL-Formats noch die beste Werbeauslastung aller bisherigen Staffeln verbuchen. Früher wurde zumeist noch weniger Werbung im Rahmen von «Ich bin ein Star – holt mich hier raus!» geschaltet. Wie lässt sich das Dschungelcamp so finanzieren? Ein 30-Sekunden-Spot kostet bei Vermarkter IP Deutschland mit den momentan hohen Marktanteilen je nach Tag zwischen 48.000 und 79.200 Euro. Ausschlaggebend für die geringen Buchungen der Werbekunden dürfte jedoch nicht sein, dass die Werbepreise zu hoch sind. Im Vergleich kosten die 30-Sekunden-Spots bei den reichweitenstarken Formaten wie «Deutschland sucht den Superstar» und «Das Supertalent» deutlich mehr. Die Werbezeiten werden hier jedoch voll ausgeschöpft. An den Werbepreisen mag es also nicht liegen, dass Werbeplätze frei bleiben.
Wie üblich in der Wirtschaft bestimmen Angebot und Nachfrage den Markt. „Die Nachfrage ist von Wochentag zu Wochentag unterschiedlich, das ist aber nicht ungewöhnlich“, erklärt RTL-Sprecher Konstantin von Stechow in diesem Zusammenhang. Ohnehin macht sich der Kölner Sender um die Werbeauslastung der Sendung keine Sorgen und spricht sogar von einer gewissen Normalität: „Wir sind mit der Auslastung bislang zufrieden, sie entspricht genau unseren Erwartungen“, so von Stechow auf
Quotenmeter.de-Anfrage. Dass RTL nach den Erfahrungen aus den vergangenen Staffeln mit einer entsprechend geringen Werbeauslastung der Sendung gerechnet hat, ist sicher nachvollziehbar. Die „Werbeflaute“ stellt laut Senderangaben also kein Problem dar, doch die Rentabilität ist gerade deswegen zumindest fragwürdig.
Lesen Sie auf der nächsten Seite, warum sich das Dschungelcamp für RTL doch noch auszahlt.
Normalität bei der Werbeauslastung? Das RTL-Dschungelcamp bewegt sich zwischen Rekordquoten und geringer Werbeauslastung. Doch der Sender hat trotzdem gut Lachen.
Angesichts von Gagen, hohen Produktionskosten und kostspieligen Satellitenzeiten der Übertragung von Australien nach Deutschland von «Ich bin ein Star – holt mich hier raus!» ist die Sendung mit Abstand die teuerste Produktion des Kölner Senders. Schwer vorstellbar also, dass sich das Format mit der geringen Werbeauslastung komplett finanzieren lässt, wenn beispielsweise mit einer 120-Minuten-Ausgabe im schlechtesten Fall gerade mal rund 180.000 Euro brutto an Werbeeinnahmen erzielt werden. Ist das die Normalität? Über die Produktionskosten der aufwendigen Sendung macht RTL und auch die Produktionsfirma Granada verständlicherweise keine Angaben. Doch die Umsätze werden die halb gefüllten Werbeblöcke auch nicht maßgeblich steigern. Eine schwierige Refinanzierung – selbst bei voller Werbeauslastung.
Im Bereich des Sportfernsehens kennt man diese Umstände. Für exklusive Sportrechte, beispielsweise für die Fußball-Bundesliga, werden gigantische Summen auf den Tisch gelegt, während man schon im Vorfeld weiß, dass eine Kostendeckung durch die entsprechende Vermarktung nahezu ausgeschlossen ist. Hier zählen vor allem der Imagefaktor und die gute PR für den Sender. Dies dürfte somit auch übertragen auf das Dschungelcamp für RTL zutreffen, denn «Ich bin ein Star – holt mich hier raus!» zählt unbestritten zu den Highlights im TV-Jahr des Senders. Die Sendung bildet entsprechend einen maßgeblichen Schwerpunkt im Marketing und in der Kommunikation der Kölner. Die Comedy-Sendung sei eine wichtige Programmfarbe in der programmlichen Vielfalt von RTL, bestätigt Konstantin von Stechow.
In der Tat scheint RTL gerade in dieser Hinsicht von «Ich bin ein Star – holt mich hier raus!» profitieren zu können. Der große Nutzen liegt also in der PR-trächtigen Ausschlachtung sowie den hohen Reichweiten, die sich im weiteren Fernsehjahr noch auszahlen können. Aus dieser Perspektive wird das Dschungelcamp für den Kölner Sender also doch rentabel, weshalb einer sechsten Staffel im Jahr 2012 eigentlich nichts entgegen stehen dürfte. Gerade weil die PR-Strategie aufgeht. Im Klartext heißt das: Weil innerhalb der 16 Tage, in denen «Ich bin ein Star – holt mich hier raus!» auf dem Bildschirm ist, in fast allen Gazetten, boulevardesken Zeitschriften, Online-Medien und Internet-Blogs sowie ebenfalls ausgiebig in den sozialen Netzwerken über das Dschungelcamp berichtet, diskutiert und analysiert wird, wird es zum Medienevent, das auch den Sender RTL deutlich in den Fokus rückt. Gerade dieser PR-Effekt ist für die Privatsender nahezu ein Segen. Denn die vielen Formate im Privatfernsehen haben stets ihre liebe Mühe damit, mit Sendehinweisen, Cross-Marketing und Programmtrailern die eigene Sendung zu bewerben, um auf den berüchtigten Quoten-Nenner zu kommen. Meist wird hier ein großer Aufwand betrieben, den «Ich bin ein Star – holt mich hier raus!» fast gar nicht nötig hat.
Viel Eigenwerbung muss das Format mit Sonja Zietlow und Dirk Bach gar nicht betreiben. Denn in der kurzen Zeit sind sie in aller Munde. Die Diskussionen rund um die Show bewegen das Publikum beinahe im Alleingang zum Einschalten – die hohen Zuschauerreichweiten sind das beste Indiz dafür. Das nutzen natürlich auch die anderen RTL-Formate für sich aus: Dass die Sendung «Extra Spezial» am Montagabend mit einem entsprechendem Cliffhanger aus «Ich bin ein Star – holt mich hier raus!» auf stolze 49,7 Prozent Marktanteil kam, ist nur ein Beispiel. Denn auch die Primetime-Formate profitieren indirekt vom Dschungel-Hype und so kommen selbst Sendungen wie «Spiegel TV» und «Extra» auf beachtliche Einschaltquoten. Schließlich versuchen auch Formate der Konkurrenzsender ProSieben (zum Beispiel «TV total») und Sat.1 (beispielsweise «Kerner» und «Akte 2011») von den Dschungel-Quoten eine Scheibe abzubekommen. Mehr oder weniger mit Erfolg. Und auch das ZDF hat sich in der Sendung «Markus Lanz» dem Treiben in Australien gewidmet. Bei RTL hingegen kommen selbst die erfolgreichen Formate wie «Rach – der Restauranttester» im Vorfeld auf neue Bestwerte, die fernab aller Normalität liegen. Wenn RTL also von einer Normalität der Werbeauslastung rund um das Dschungelcamp spricht, meint der Sender wohl auch die Werbeumsätze, die mit den Sendungen im Vor- und Nachprogramm erzielt werden, schnellen doch auch hier die Zuschauerzahlen und Marktanteile ungebremst in die Höhe.
Lesen Sie auf der nächsten Seite, welche Rolle die "Moralfragen" bei der Werbeauslastung spielen.
Normalität bei der Werbeauslastung? Das RTL-Dschungelcamp bewegt sich zwischen Rekordquoten und geringer Werbeauslastung. Doch der Sender hat trotzdem gut Lachen.
Unschwer abzuleiten ist dadurch auch der starke Gesamtmarktanteil: Derzeit liegt RTL bei den 14- bis 49-Jährigen im Schnitt bei 20,7 Prozent Marktanteil in der Zielgruppe im Monat Januar, der dank Dschungelcamp und profitablem Programmumfeld der beste seit April 1997 werden wird. Gerade am Anfang des Jahres ist das nicht zu unterschätzen, denn so sind für RTL große Werbeumsätze im restlichen TV-Jahr möglich, da die Werbekunden, die ihre Produkte möglichst bei den Medien mit der höchsten Reichweite platzieren wollen, an dem Kölner Sender schier nicht vorbei kommen werden. So wird man wohl auch in Zukunft rekordverdächtige Quoten einfahren, denn die große Eigenwerbung für die Programminhalte - für den Monat Februar - während der kurzen Werbepausen tun ihr Übriges. Dem Zuschauer wird auch das übrige RTL-Programm schmackhaft gemacht – er wird dank der vielen Programmtrailer einschalten. So könnten die US-Spielfilme, die Eigenproduktion «Hindenburg» und selbstverständlich auch die Serien und Shows wie «5 gegen Jauch» auch nachträglich noch vom Dschungelcamp ihren Profit schlagen. Wenn dann dort ebenfalls starke Quoten erzielt werden, kommt RTL zu hohen Werbeumsätzen, die die Verantwortlichen erfreuen. Sie haben dann alles richtig gemacht: Über die Image- und PR-Schiene wird «Ich bin ein Star – holt mich hier raus!» zum RTL-Gewinn.
Doch apropos Image: Fürchten die Werbekunden denn so um das Ansehen ihres Produkts, dass sie die Werbeplätze während dem Dschungelcamp meiden? Tatsächlich treffen die Mediaagenturen für die Werbekunden ihre Entscheidungen über die Buchung von Werbeplätzen nach der Reichweite und dem Image des Werbeträgers. Schlagzeilen machte zum Beispiel das bei einer Dschungelprüfung verwendete „Käfer“-Zelt des Feinkostbetriebs aus München, was dem Inhaber sauer aufgestoßen ist (
wir berichteten). Auch hier standen Image- und Moralfragen dicht beieinander. Doch in der Werbebranche ist Image grundsätzlich keine Frage der Moral und Sitte. Vielmehr orientiert man sich daran, dass das Produkt zum Werbeumfeld passt. Denn auch, wenn «Ich bin ein Star – holt mich hier raus!» mit Comedy-Elementen und Satire bestückt ist, möchten die Werbekunden nicht, dass man über ihr Produkt lacht.
Die passende Werbung ist beim Dschungelcamp also nicht leicht auszumachen. Während bei den ersten Staffeln noch die Ekel-Prüfungen im Verruf standen und wohl auch Werbekunden kosteten, scheint es derzeit eher schwer passende Werbung zum Image und Inhalt der Sendung zu bekommen, weil beispielweise eben für solche Produkte derzeit keine gemacht wird. Auch für RTL ist die Moralfrage im Bezug auf die Werbeauslastung beim Dschungelcamp hinfällig: „Sie spielt nach unseren Erfahrungen keine Rolle. In den ersten Staffeln mag es in Einzelfällen Bedenken gegeben haben, inzwischen sind bei «Ich bin ein Star - holt mich hier raus!» jedoch alle Branchen mit Werbung vertreten, und das nicht erst seit der aktuellen Staffel. Es gibt keine Branche, die bewusst nicht wirbt“, erläuterte RTL-Sprecher Konstantin von Stechow hierzu gegenüber
Quotenmeter.de.
Letztlich resultiert die „Werbeflaute“ rund um «Ich bin ein Star – holt mich hier raus!» größtenteils daraus, dass der Werbemarkt nach den Gesichtspunkten von passender Produktempfehlungen für das Format des Dschungelcamps nicht mehr hergibt. Gänzlich abgelegt hat die Sendung ihren Ekel-TV-Ruf, der ihr von Beginn an vorauseilte und eben jene Bedenken bei den Werbenden verursachte, jedoch noch nicht. Mehrere Faktoren führen also zu einer geringen Werbeauslastung des Dschungelcamps, die vor allem die Zuschauer freut. Doch auch RTL wird sich freuen können, denn durch die Effektivität von PR und Reichweiten der Show geht die Rechnung am Ende doch noch auf. Zumindest mittelfristig sind «Ich bin ein Star – holt mich hier raus!» und die Rekordmarktanteile so etwas wie Normalität in Sachen Werbeumsätze, wenn auch auf verschiedenen Wegen.