Warum das Staffelfinale etwas von einem Serienfinale hatte und wie Autor Dagtekin den Fokus auf völlig andere Schauplätze lenkte.
Mit dem Finale der dritten Staffel hat Autor Bora Dagtekin die Fans von
«Doctor’s Diary» glücklich gestimmt. Endlich haben sich Gretchen und Marc Meier gefunden – und das ist einer für die Serie fast ungewöhnlich romantischen Szene. Was die Anhänger zufrieden stellt, wirft aber auch Fragen auf. Kann man «Doctor’s Diary» nun überhaupt noch für eine vierte Staffel verlängern? Das Staffelfinale von Runde drei fühlte sich zumindest ziemlich nach einem Serienfinale an.
Alle Figuren, die halbwegs von Wichtigkeit sind, erlebten ihr Happy End – einen Cliffhanger (nach Staffel zwei die ausbrechende Epidemie) gab es nicht. So lagen sich nicht nur Marc und Gretchen in den Armen, angedeutet wurde eine beginnende Liebelei zwischen Schwester Gabi und einem Patienten, Schwester Sabine und Dr. Gummersbach fanden zueinenader und auch Dr. Kaan schien im Flugzeug seine neue Liebe gefunden zu haben.
Aber der Reihe nach. In Staffel drei sahen sich die Macher einigen Problemen gegenübergestellt. Für alle Fernsehmacher sind dritte Staffeln ein schwieriges Unterfangen, muss sich eine Serie im dritten Jahr doch deutlich weiterentwickeln, um nicht zu langweilen. Dennoch darf sie sich aber nicht zu weit von sich selbst entfernen, um das zu bleiben, was Fans eben lieben. Schafft man das in Staffel drei, so gelingt ähnliches in Nachfolgestaffeln meist einfacher. Bora Dagtekin hat sich nach reiflichen Überlegungen entschieden, andere Schwerpunkte in der Staffel zu setzen. Gretchens Eltern bekamen keine wirkliche Geschichte (was Mutter Haase mit dem gefundenen Geld gemacht hat, wurde bislang noch nicht aufgelöst). Antagonistin Schwester Gabi (Foto) spielt vor allem im Mittelteil überhaupt keine Rolle, sie trat erst in den Episoden sieben und acht wieder in Erscheinung.
Auch Dr. Kaan (Foto) wurde in Runde drei eine eher untergeordnete Rolle zu Teil, er hatte deutlich weniger Screentime. Gab es in Staffel eins noch die typische Dreiecksgeschichte, provozierte Dagtekin in Staffel zwei, in dem er Gretchen gleich zwischen drei Männer stellte. In der aktuell zu Ende gegangenen Staffel konzentrierte sich die Geschichte wieder auf Marc Meier und somit eigentlich auf den Kern von Gretchens Problemen.
Dagtekin verriet vor der Ausstrahlung, dass die Staffel sich vor allem darauf konzentrieren wolle, welches Problem Marc Meier habe. Angesprochen wird dies aber erst in den beiden letzten Episoden. Die Geschichte um Marcs Vergangenheit – er wurde von seinem Vater geschlagen – („Wer nie geliebt wurde, kann nicht lieben“) war sicherlich kein Glanzpunkt der Staffel und irgendwie auch keine wirklich gute Erklärung für das Verhalten des Marc Meier in den bislang hergestellten Folgen. Dennoch war die dritte Staffel – trotz eines Tiefs in der Mitte – eine recht gute. Das sah nicht immer so aus. Gerade die Folgen vier und fünf hatten doch deutliche Schwächen. Nachdem man den Betrüger Alexis von Burow aus der Serie entfernt hatte, dauerte es eine Weile, bis das Format wieder Fahrt aufnahm. Geschichten wie die Menschen-Experimente, die dankenswerter Weise sehr schnell abgehandelt wurden, hätte sich das Format sparen können. Hier übertrieb Dagtekin, führte das Format auf die Spitze des Bizarren.
Sehr gut gelungen ist ihm das übrigens bei der Liebesgeschichte zwischen Schwester Sabine und Dr. Günni Gummersbach (hervorragend gespielt von Neuzugang Marc Ben Puch). Die Szenen mit Sabine und deren Mutter in der gemeinsamen Wohnung zählen sicherlich zu den stärksten der kompletten Serie. Sie haben einen ungewohnt ernsten Hintergrund, den die Macher aber so zu verpacken wussten, dass der Grundcharme des Formats weiter zu spüren war. Auch der Selbstmordversuch Sabines wurde nicht so umgesetzt, als dass man sich in einem düsteren Psychothriller vermutete. Gemeinsam mit der Geschichte zwischen Dr. Knechtelsdorfer (erneut brillant: Elyas M’Barek) und Dr. Hassmann boten diese Love-Storys in der Zeit aber einen guten Rahmen, um eben doch dranzubleiben. Positiv hervorzuheben ist in jedem Fall, dass Dagtekin eher genre-untypisch viele Dinge sehr schnell auflöst. Wenn Gretchen also mit Dr. Kaan Sex hat, dann weiß das binnen weniger Minuten auch Marc Meier – dieses enorm hohe Tempo sorgt dafür, dass sich «Doctor’s Diary» wohltuend vom Telenovela-Einheitsbrei abhebt. Dagtekin nimmt die dortigen Geschichten gewissermaßen etwas auf den Arm.
Manchmal sind es auch nur Kleinigkeiten, die «Doctor’s Diary» zu einem wahren Highlight machen. Wenn Gretchen beispielsweise über die Wiese eines Kindergartens läuft und ein vielleicht fünfjähriges Mädchen mit einem selbstgemalten Bild vor ihr steht und in hoher Stimme sagt: „Du da – du bist leider viel zu dick. Du hast dich überhaupt nicht weiterentwickelt. Ich habe heute leider kein Foto für dich“ dürften sich nicht nur TV-Junkies amüsieren.
Nun haben sich also alle gefunden – bis auf wenige Geschichten hat Dagtekin zum Ende von Runde drei alle Storys mit einem Happy End aufgelöst. Im Quotenmeter.de-Interview verriet der Autor schon 2010, dennoch einen Plan für eine mögliche vierte Staffel zu haben. Die Beendigung der vielen Geschichten bietet Dagtekin letztlich also Raum für komplett neue Ideen und vielleicht auch einige neue Figuren. Leicht wird es aber nun nicht – denn der große Zauber zwischen Marc Meier und Dr. Gretchen Haase (das eigentliche Grundmotiv) ist nun nicht mehr in der Form vorhanden. Gretchen ist am Ziel – oder vielleicht doch nicht?