Die Kritiker: «Mörderisches Wespennest»

Story
In der norddeutschen Kleinstadt Aschberg kennt jeder jeden. Der langjährige Polizeihauptmeister Gerhard Mühlfellner und seine neue Kollegin, die frisch gebackene Polizistin Anna Wippermann, finden den Landwirt Herbert Schuch erhängt in seiner Scheune.

Für Anna und alle anderen Einwohner Aschbergs steht fest, dass es sich um Selbstmord handelt. Nur Becky, die Geliebte des Bauern, ist anderer Meinung. Sie engagiert Finn Zehender, um ihren Verdacht bestätigt zu bekommen.

Zehender, Ex Polizist und nun als Privatdetektiv unterwegs, wirkt leicht vertrottelt, gleichzeitig aber hoch intelligent mit einer Nase für Zusammenhänge. Er ermittelt und legt mit seinem messerscharfen Verstand einen Sumpf aus korrupter Bürokratie und nachbarschaftlicher Bösartigkeit in Aschberg offen und trocken. Ein Selbstmord scheint ausgeschlossen.

Für einen Mord gibt es mehr Verdächtige, als Polizeihauptmeister Mühlfellner wahrhaben möchte. Finn Zehender behält trotz lebensgefährlicher Attacken auf ihn seinen Humor und überführt zusammen mit der Jurastudentin Agnes Sonntag, die sich als Staatsanwältin ausgibt, den Mörder und die Drahtzieher der korrupten Machenschaften im Dorf.

Darsteller
Hinnerk Schönemann («Das Leben der Anderen») ist Finn Zehender
Anna Schudt («Winterreise») ist Rebecca Ückermann
Thomas Thieme («Der Untergang») ist Gerhard Mühlfellner
Uwe Bohm («Im Schatten») ist Thomas Mühlfellner
Karl Kranzkowski («SOKO Stuttgart») ist Herbert Schuch
Rosa Enskat («Die Fremde») ist Michaela Lehmann
Daniela Schulz («Gonger 2») ist Anna Wippermann

Kritik
Das kleine norddeutsche Dorf Aschberg erinnert in seiner tödlichen Zersetzungskraft ein wenig an die Romane und Dramen von Thomas Bernhard. Regisseur Markus Imboden legt den Finger in die Wunde und zeigt Deutschland von seiner hässlichen Seite: der der Rücksichtslosigkeit, der Intrige und der Gewalt. Der Hauptprotagonist Finn Zehender ist der Einzige, der in einem korrupten wie mörderischen Staatssystem für Gerechtigkeit sorgt. Selbst sieht er sich als eine Art «Taxi Driver», eine treffende Anspielung auf den großartigen Film von Martin Scorsese inklusive. Die Hauptfigur ist dabei gut durchdacht, interessant geschrieben, wenn auch etwas arg degeneriert (Er nimmt schon einmal Sex als Bezahlung für seine Dienstleistungen an).

Drehbuchautor Holger Karsten Schmidt verliert nie den Überblick über sein komplexes Intrigengewirr und schafft es, seinen Finn auch noch aus der größten Klemme zu holen, ohne allzu sehr in Unglaubwürdigkeiten zu tappen. Der Plot ist dynamisch, stark verschachtelt und äußerst spannend. Im Vergleich zu Schmidts großartigem Film «Der Seewolf» fehlt es «Mörderisches Wespennest» jedoch zumindest an den offenen philosophischen Themen, die der Handlung in seinem neuen Film stets nur zu Grunde liegen, aber anders als in seinem ProSieben-Eventmovie mit Thomas Kretschmann nie in Dialogen ausdiskutiert werden, was «Mörderisches Wespennest» deutlich mehr Tiefgang hätte verleihen können. Auch verheddert man sich leider in zu vielen Albernheiten, etwa einer Waffenorgie auf der örtlichen, korrupt geleiteten Polizeistation, was den Zuschauer auf unangenehme Weise aus der Geschichte herausfallen lässt. Eine größere Realitätsnähe und eine weniger starke und häufige Überspitzung mancher Handlungsabläufe und Nebencharaktere hätten die Aussage um einiges deutlicher werden lassen können. So läuft man leider ständig Gefahr, in eine Farce abzurutschen. Und am Schluss geht es für die Figuren schlimmer zu als im „Hamlet“.

Wenn die Punchlines in den Dialogen auch nicht immer zünden, so gibt es doch herrlich skurrile Situationen in diesem Film. Problematisch wird es erst, wenn Schmidt versucht, sein Drehbuch mit Gags zu überfrachten und dabei stellenweise mehr auf Quantität als auf Qualität setzt. Hauptdarsteller Hinnerk Schönemann spielt seine Rolle vorzüglich und schafft es durch die akzentuiert gesetzte Unterstreichung der Absurditäten, die seiner Figur ausmachen, trotz der Tragik von Handlung und Atmosphäre dem Zuschauer das eine oder andere Schmunzeln abzuringen. Auch der Rest des Ensembles, insbesondere Daniela Schulz, macht seine Sache gut.

«Mörderisches Wespennest» hätte ein fesselnder wie faszinierender Film um die brutalen, menschenverachtenden Abgründe des Dorflebens sein können; eine Allegorie auf ein intrigantes und verbrecherisches Staatswesen. Doch man beschäftigt sich mit zu vielen Nebensächlichkeiten und erreicht dieses Ziel somit leider nicht völlig.

Das ZDF strahlt «Mörderisches Wespennest» am Montag, den 21. Februar 2011, um 20.15 Uhr aus.
20.02.2011 10:47 Uhr  •  Julian Miller Kurz-URL: qmde.de/47868