83. Oscars: Bekannte Gesichter und einprägsame Klänge

Im zweiten Teil des großen Oscar-Specials präsentiert Quotenmeter.de Ihnen die Nominierten in den Darsteller- und Musikkategorien.

Im Anschluss an unseren gestrigen Blick auf die Nebenkategorien, richtet Quotenmeter.de nun den Fokus auf die Darstellerpreise: Letztlich sehen sich viele Zuschauer die Verleihung der Academy Awards allein wegen der Stars an. Weshalb sonst hat ABC dieses Jahr die Vorberichterstattung vom roten Teppich verdreifacht?
Und im Fahrwasser der großen Gesichter des Oscar-Abends seien Ihnen in diesem Teil unseres Oscar-Specials auch die Nominierten der beiden Musik-Oscars vorgestellt.
Schließlich sind die Musik-Performances ebenfalls ein unerlässlicher Teil der Filmnacht aller Filmnächte.

Die Nebendarsteller: Batman gegen Käpt‘n Barbossa?
Nachdem die Nebendarsteller-Kategorie dank Christoph Waltz’ Sensationsleistung in «Inglourious Basterds» und Heath Ledgers ikonischer Darstellung des Jokers in «The Dark Knight» eher vorhersagbar verlief, bieten die Männer aus der zweiten Reihe während der diesjährigen Oscar-Verleihung mehr Spannung. Verfolgt man die bislang verliehenen Preise der aktuellen Award-Saison, so kristallisieren sich zwei klare Favoriten heraus. Mit einer Nasenlange voraus: Christian Bale, der sich für die Sportler-Biografie «The Fighter» bis auf die Knochen runterhungerte, um einen drogensüchtigen Boxer zu spielen. Der andere große Favorit des Abends ist Geoffrey Rush, der in «The King‘s Speech» den australischen Sprachtherapeuten Lionel Logue spielt, welcher der Stottern von König George VI. behandelte.

Christian Bale, der demnächst wieder als Batman vor der Kamera stehen wird, erhielt die meisten Nebendarsteller-Preise des Jahres. Neben dem Golden Globe (8 der letzten 10 Gewinner gingen mit dem Oscar nach Hause) erhielt er auch den Nebendarstellerpreis der Schauspielgewerkschaft (6 aus 10 deckungsgleiche Gewinner) und zahlreiche Kritikerpreise. Die Statistik spricht also, wenn nicht eindeutig, so immerhin sehr deutlich für den 31-jährigen mit dem gefährlichen Hang zur Gewichtsfluktuation. Dennoch lässt sich Geoffrey Rush, berühmt-berüchtigt für seine Rollen, in denen er maßlos übertreiben kann (wie Fan-Liebling Barbossa in den «Pirates of the Caribbean»-Filmen), nicht völlig von der Rechnung streichen. Mit einem Sieg bei den BAFTAs, den britischen Academy Awards und einigen weiteren Kritikerpreisen hat er neben Bale noch den besten Stand aus dem diesjährigen Feld.

Hinzu kommt, dass die exzentrisch-charismatische Rolle Rushs durchaus in gewisse Schemata fällt, die sich bei den Oscars als Vorteil erweisen. Dadurch hat Geoffrey Rush, als heimlicher, neben Colin Firth gleichberechtigter Hauptdarsteller von «The King‘s Speech», keine all zu schlechten Karten. Wie er in der Dankesrede für den Screen Actors Guild Award in der Kategorie „Bestes Ensemble“ scherzte, hätte man «The King‘s Speech» beinahe in «The King‘s Speech Therapist» umbenannt. Sollte also der bereits für «Shakespeare in Love» und «Quills - Macht der Besessenheit» nominierte und für «Shine» ausgezeichnete Geoffrey Rush mit dem Oscar nach Hause gehen, wäre es keine all zu große Überraschung.

Noch beliebter als charismatische, witzige Rollen sind in der Nebendarstellerkategorie die Figuren, die auf der falschen Seite des Gesetzes stehen. Wenn sie dann noch obendrein zu den auffälligsten und denkwürdigsten Qualitäten ihres Films gehören, ist der Oscar üblicherweise nicht weit entfernt. Insofern scheint der letztes Jahr für seine Darstellung in «Tödliches Kommando - The Hurt Locker» mit einer Nominierung als bester Hauptdarsteller bedachte Jeremy Renner Pech mit seiner übermächtigen Konkurrenz zu haben. Der 1971 geborene Kalifornier gab in «The Town» mit feinsinnigem Spiel den besten Freund von Ben Afflecks Hauptfigur Doug, die er daran zu hindern versucht, sein Leben als Bankräuber aufzugeben. Renner besetzt die moralisch ambivalenteste und somit spannendste Rolle in dem Kriminaldrama, der auf zahlreichen Jahresbestenlisten vertreten war und auch bei den Preisen der Produzentengewerkschaft als bester Film nominiert wurde. Bei den Oscars ist es Renner allein, der eine Nominierung für «The Town» ergattern konnte, was Erinnerungen an Ben Afflecks Regiedebüt «Gone Baby Gone» weckt. Das Entführungsdrama, welches wegen einiger zufälliger Parallelen zum Fall Maddie in die Schlagzeilen geriet, wurde ebenfalls von Kritikern hoch gelobt, aber nur Nebendarstellerin Amy Ryan erhielt eine Oscar-Nominierung für ihre Performance als drogenabhängige, allein erziehende Mutter, deren Tochter spurlos verschwand.

Noch weiter im Abseits stehen die restlichen beiden Nominierten in der Nebendarstellerkategorie: Sollten John Hawkes für die Romanverfilmung «Winter‘s Bone» oder Mark Ruffalo für die stille Komödie «The Kids Are All Right» gewinnen, werden das Internet und zahlreiche Cineasten-Diskussionen richtig heißlaufen, denn mit diesen beiden erstmals nominierten Schauspielern dürfte wohl niemand mehr rechnen. Im Falle von Ruffalo spricht auch das Genre gegen ihn: Es gewinnen zwar öfters witzige Nebenrollen bei den Oscars, aber selten Nebenrollen aus Komödien. Als charismatischer Lebemann und einstiger Samenspender, der von seinen Töchtern aufgespürt wird und sich als Gift für deren intakte Familie entpuppt, fiele er also aus dem üblichen Nebenrollen-Typus heraus. Als mysteriöser und beunruhigender Onkel Teardrop passt Charakterdarsteller John Hawkes eher in die stetig wachsende Riege unheimlicher Darstellungen, die mit dem Oscar für den besten Nebendarsteller gekrönt wurden. Jedoch stimmen viele Kritiker überein, dass seine Rolle selbst eher wenig hergab (anders als bei Ruffalo) und es nur Hawkes allein ist, der für die Aufmerksamkeit sorgt, die diese Figur erhält. Und ob es so vorteilhaft für ihn ist, dass er in Interviews offen erzählt, er als Theatermensch habe sich noch nie eine komplette Oscar-Verleihung angesehen?

Eine junge Protagonistin und vier weitere Nebendarstellerinnen
Um den Oscar für die beste Nebendarstellerin wetteifern dieses Jahr die wahre Hauptdarstellerin von «True Grit», eine fiese Matriarchin, zwei Schauspielerinnen aus der Boxer-Biografie «The Fighter» und Queen Mum.

Besondere Medienaufmerksamkeit erhielt die vierzehnjährige Hailee Steinfeld, die für ihr Langfilmdebüt «True Grit» nominiert wurde. Was allerdings die wenigsten Medien ansprechen, ist die Schummelei, die hinter ihrer Nominierung als beste Nebendarstellerin steckt. Korrekterweise sollte Steinfeld als beste Hauptdarstellerin nominiert werden. Man muss sich «True Grit» nämlich nicht gerade mit einer Stoppuhr im Anschlag ansehen, um festzustellen, dass sie mehr Leinwandzeit in Anspruch nimmt, als der für die männliche Hauptrolle in «True Grit» nominierte Jeff Bridges. Steinfeld ist in nahezu jeder Szene des Westerns zu sehen und die Antriebsfeder des gesamten Plots. Zum Vergleich: Beatrice Straights Oscar-prämierte Nebenrolle in der Mediensatire «Network» ist keine sechs Minuten lang zu sehen. Nur unwesentlich länger trat Judi Dench als Queen Elizabeth I in «Shakespeare in Love» auf. Und neben solchen Kurzauftritten steht nun auch Steinfelds hoch gelobte Western-Hauptrolle.

Weshalb Hailee Steinfeld trotz ihrer zentralen Position in «True Grit» als Nebendarstellerin nominiert wurde, ist schnell erklärt: Mit ihren millionenschweren Anzeigenkampagnen versuchen die Studios bei den Oscar-Nominierungen den Ton anzugeben. Gerade bei Sonderfällen wie dem Musical «Chicago» ist dies besonders wichtig: Aus diesem Film hätten sowohl Catherine Zeta-Jones, als auch Renée Zellweger als Hauptdarstellerin bezeichnet werden können. Durch eine klar vorgegebene Linie in der Nominierungskampagne soll vermieden werden, dass sich beide Darstellerinnen gegenseitig Stimmen wegnehmen. Etwas ähnliches versuchte man während der Award-Saison 2008/2009, als Kate Winslet sowohl in «Der Vorleser», als auch in «Zeiten des Aufruhrs» preisverdächtige Leistungen gab. Obwohl sie in beiden Filmen zweifelsohne eine Hauptrolle innehielt, deklarierte die Weinstein Company ihre Figur der Hanna Schmitz in «Der Vorleser» als Nebenfigur. Die Taktik ging bei den Golden Globes noch auf, und Winslet wurde als beste Haupt- und Nebendarstellerin ausgezeichnet. Die Mitglieder der Academy of Motion Picture Arts & Sciences spielten bei diesem Kategorienpoker jedoch nicht mit: Winslet wurde bloß einmal nominiert, und zwar als Hauptdarstellerin in «Der Vorleser».

Im Falle Steinfelds ist es offensichtlich, weshalb sie als Nebendarstellerin positioniert wurde: Die Nebenkategorie ist Newcomerinnen gegenüber verträglicher. Insgesamt 8 Filmdebütantinnen wurden bislang mit einem Academy Award in der Nebenkategorie prämiert, zu letzt Jennifer Hudson für «Dreamgirls» und Anna Paquin für «Der Pianist». Der letzte der insgesamt nur vier Debütantinnenerfolge in der Hauptkategorie liegt dagegen über zwanzig Jahre zurück, als Marlee Matlin für das Liebesdrama «Gottes vergessene Kinder» den Oscar erhielt.

Somit ist Steinfeld die vielleicht schärfste Oscar-Konkurrentin der bisherigen Favoritin Melissa Leo. Die 50-jährige spielt in «The Fighter» die schrille Mutter von Christian Bales drogenabhängiger Figur und gilt aufgrund ihres Siegs bei den Golden Globes und den Screen Actors Guild Awards als schwer auszustechen. Gesetz sind diese Oscar-Indikatoren allerdings nicht. Vielleicht startete Melissa Leo auch deswegen ihre eigene, selbstfinanzierte Oscar-Kampagne, die parallel zu den offiziellen Anzeigen des Studios liefen. Leo zeigt somit gerade heraus, dass sie sich den Goldjungen wünscht, und das wird nach der Verleihung wieder für Diskussionsstoff sorgen. Hat sie gerade deswegen den Oscar bekommen bzw. nicht erhalten, oder überbewerten Oscar-Experten die Bedeutung solcher Aktionen?

Auch wenn mit Steinfeld und Leo an dieser Stelle bereits die zwei wahrscheinlichsten Gewinnerinnen abgehakt sind, sei dennoch auch die anderen drei Nominierten eingegangen, schließlich könnte es gerade in dieser Kategorie noch zu Überraschungen kommen: Amy Adams, ebenfalls für «The Fighter» nominiert, bricht in diesem Film aus ihrem bisherigen Rollentypus der fragilen, unschuldigen Schönheit aus. Für sie ist es übrigens nicht das erste Mal, dass sie gegen eine Leinwandkollegin antritt. Auch bei den Academy Awards 2009, als sie für die Rolle einer gutgläubigen Nonne in «Glaubensfrage» nominiert wurde, ging eine weitere Nominierung an eine Mitdarstellerin aus diesem Film. Damals war es Viola Davis, die eine vor dem möglichen Missbrauchsfall an der Klosterschule ihres Sohnes die Augen verschließende Mutter spielte, die neben Adams Oscar-Hoffnungen hegen durfte. Letztlich gewann aber Penélope Cruz für ihre Rolle in Woody Allens «Vicky Christina Barcelona».

Ebenfalls nominiert: Helena Bonham Carter, genau wie ihr Ehemann Tim Burton bislang Oscar-los. Sie spielt in «The King‘s Speech» Elizabeth Bowes-Lyon, besser bekannt als Queen Mum. Ihre Rolle in dem aufmunternden Historiendrama ist eher klein und unterstützend, allerdings darf man zwei Dinge nie unterschätzen: Die Zuneigung, die einem favorisierten Film zukommt und somit knappe Rennen in den Darstellerkategorien entscheiden kann, und der vielen unerklärliche Preissegen, den der weibliche Adel mit sich zieht. Ob Helen Mirren oder Cate Blanchett, spielten sie eine Queen Elizabeth, winkten die Filmpreise. Wie es laufen kann, zeigte bereits die zuvor erwähnte Dame Judi Dench, die für ihren Kurzauftritt zum Schluss des Erdrutsch-Gewinners «Shakespeare in Love» mit einem BAFTA und dem Oscar ausgezeichnet wurde. Obwohl sie bei den Preisen der Schauspielgewerkschaft und den Golden Globes bloß nominiert wurde. Genau wie Bonham Carter…

Die fünfte im Bunde der diesjährigen Oscar-Nebendarstellerinnen ist Jacki Weaver. Für das australische Kriminaldrama «Königreich des Verbrechens» (Quentin Tarantinos drittliebster Film des letzten Jahres) erhielt die 63-jährige nach 15 Filmauftritten ihre erste Oscar-Nominierung. Sie spielt in der zum Nihilismus tendierenden Produktion eine an die Gangsterbraut Ma Baker erinnernde Matriarchin und wäre erst die elfte mit dem Academy Award geehrte Schauspielerin jenseits der 60.

Der Klang des Filmjahres
Während sich viele Zuschauer sicherlich am meisten auf die Darstellerpreise freuen, und die Kategorie für den besten Schnitt ein spannender Indikator für den restlichen Verlauf der kommenden Oscar-Verleihung ist, wird für den musikalisch interessierten Filmfreund die Kategorie für die beste Filmmusik am aufregendsten sein. Weder gibt es einen überdeutlichen Favorit, noch weisen eine Vielzahl an Indikatorpreisen klar den Weg, den die Academy gehen wird. Dieses Jahr reihen sich altbekannte Filmkomponisten neben Neuankömmlinge, Oscar-Veteranen neben Oscar-Frischlinge.

Zum mittlerweile vierten Mal wurde Alexandre Desplat nominiert, der die ruhige, pianolastige Begleitmusik von «The King‘s Speech» schrieb. Er komponierte zuvor bereits die Musik zu einem weiteren mehrfach Oscar-nominierten Adelsdrama, nämlich Stephen Frears «Die Queen». Weitere Nominierungen erhielt Desplat für den Stop-Motion-Trickfilm «Der fantastische Mr. Fox» und David Finchers mit fantastischen Elementen durchsetztes Liebesdrama «Der seltsame Fall des Benjamin Button». Desplat wird außerdem Harry-Potter-Fans als Komponist der zwei Finalfilme ein Begriff sein. Und in einem stilistischen Ausbruch legte er außerdem Hand an die Teenie-Vampire in «New Moon» an. Die Melodien in «The King‘s Speech» sind für Desplat ungewöhnlich warm, behalten aber seine markante Ruhe und den für ihn stehenden Minimalismus bei.

Hans Zimmer erhielt derweil für «Inception» seine mittlerweile neunte Oscar-Nominierung. Es ist Zimmers dritte Zusammenarbeit mit Regisseur Christopher Nolan (und die erste ohne Einfluss von James Newton Howard) und vereint seinen berühmten Bombast-Sound mit Wehmut und Reue ausdrückenden, verletzlichen Melodien. Bereits nach dem «Inception»-Kinostart vergangenen Sommer begannen unter Filmexperten die Diskussionen darüber, ob Zimmer eine Chance auf den Academy Award hat, da er in seiner Filmmusik den Edith-Piaf-Chanson «Je ne regrette rien» manipuliert und somit an der Grenze zur Disqualifikation stand. Mittlerweile gibt es sogar eine interaktive «Inception»-App, die Zimmers Musik und spezielle Neukompositionen dem Umfeld des Anwenders anpasst. Im Kino ist Zimmers Arbeit bald in dem Animationsfilm «Rango» von «Fluch der Karibik»-Regisseur Gore Verbinski zu hören, ehe der Deutsche im Mai wieder zum «Pirates of the Caribbean»-Franchise zurückkehrt. Dieses Mal greift ihm dabei das mexikanische Gitarrenduo Rodrigo y Gabriela unter die Arme.

Ganz gleich, welcher Filmscore den Oscar erhält, den Preis für das meistdiskutierte Soundtrackalbum 2010 geht entweder an Zimmer oder an die von den Nine Inch Nails bekannten Trent Reznor und Atticus Ross. Ihre Zusammenarbeit mit David Fincher erzeugte einen schwer vergleichlichen Hype um den albtraumhaften Score von «The Social Network». Ihre Kompositionen sind düster, desorientierend und betten das Drama über Facebook, verratene Freundschaften und erfüllte Lebensträume in ein hypnotisches Klangbett, das für die Wirkung des Films nicht zu unterschätzen ist. Ursprünglich hatte Regisseur David Fincher zum Beispiel vor, die Vorspannsequenz mit Paul Youngs «Love of the Common People» zu unterlegen, was «The Social Network» laut den Filmkomponisten plötzlich wie eine lockere Jugendkomödie von John Hughes erscheinen ließ. Ähnlich gitarrenlastig wie der «The Social Network»-Score, ist A. R. Rahmans Musik zu Danny Boyles energetischem Sportler-Kammerspiel «127 Hours». Die wahre Geschichte eines Kletterers, der in einen Canyon stürzt und sich dabei den Arm festklemmt, wird mit einem in sich stimmigen, dennoch wandelbaren Score begleitet. Von beruhigenden, von Windspielen dominierten meditativen Klängen hin zu treibenden Girattenriffs bedient der für Danny Boyles «Slumdog Millionär» zweifach mit dem Academy Award ausgezeichnete Inder einer breiten Gefühlspalette. Dass die Gitarre zum vorherrschenden Instrument der «127 Hours»-Filmmusik wurde, war eine Entscheidung, die Rahman vom Charakter der Hauptfigur abhängig machte. James Francos Kletterer sei ein ungestümer, draufgängerischer junger Mann, was sich der Komponist nur von der Gitarre repräsentiert vorstellen könnte.

John Powell erhielt dieses Jahr, genau wie Trent Reznor und Atticus Ross, seine erste Oscar-Nominierung. Dies kommt angesichts seiner bisherigen Vita durchaus überraschend: Der von Hans Zimmer und Harry Gregson-Williams angelehrte Brite komponierte bereits die Filmmusik zum John-Woo-Actioner «Face/Off», «Mr. & Mrs. Smith», und die «Ice Age»-Fortsetzungen. Des Weiteren arbeitete er mit Gregson-Williams an «Shrek» und mit Hans Zimmer an «Kung Fu Panda». Dieses Jahr erstaunte Powell allerdings mit seiner Karrierebestleistung, dem Soundtrack zu «Drachenzähmen leicht gemacht». Die Musik vereint betörende stillere Momente mit folkloristisch angehauchtem, anregendem Abenteuer-Bombast und füllt die mit Drachen und Wikingern bevölkerte Welt des Dreamworks-Animationsfilms mit einer schwer widerstehlichen Dynamik. Mentor Hans Zimmer sagte bereits, dass sein Zögling Powell ihn überflügelt habe, und vielleicht zieht er kommenden Sonntag bereits mit Zimmer gleich.

Erfahren Sie auf der nächsten Seite mehr über die beiden Darsteller-Hauptkategorien und die vier anstehenden Song-Performances dieses Oscar-Jahres.


Bekannte Gesichter und einprägsame Klänge: Im zweiten Teil des großen Oscar-Specials präsentiert Quotenmeter.de Ihnen die Nominierten in den Darsteller- und Musikkategorien.

Beste Hauptdarstellerin: Alles dreht sich um den schönen Schwan
Es ist das Jahr der Natalie Portman: «Black Swan» wird zum Kritikerliebling und zum Überraschungserfolg beim Kinopublikum, am Filmset entwickelte sich eine nun in Verlobung und Kinderglück mündende Romanze, mit «Freundschaft plus» und «Thor» folgen zwei weitere publikumsträchtige Produktionen. Für die anspruchsvolle Darbietung als zerbrechlichen Balletttänzerin Nina in «Black Swan», die von der Aussicht auf die Rolle ihres Lebens innerlich zerdrückt wird und schließlich nach und nach den Hang zur Realität verliert, wurde sie mit Preisen überschüttet. Zahllose Kritikerpreise, der Golden Globe, eine Auszeichnung der Screen Actors Guild, ein Gewinn bei den BAFTAs: Portman fehlt nur noch der Oscar. Schon 2005 hatte sie die Chance auf die prestigeträchtige Statuette, als sie für ihre Nebenrolle in «Hautnah» nominiert wurde. Damals gewann jedoch Cate Blanchett für die Darstellung von Katharine Hepburn in «Aviator». Wären die Regelsetzungen der Autorengewerkschaft etwas strenger, hätte Portman dieses Jahr sogar Aussichten auf einen weiteren Academy Award: Da Natalie Portman zur Gründungszeit von Facebook auf die Harvard Universität ging, baten sie Drehbuchautor Aaron Sorkin um Hilfestellung bei den Campusszenen, um Authentizität zu waren. Wer also «The Social Network» gesehen hat, und sich weiterhin wundert, wer der gemeinsam mit Mark Zuckerberg studierende Filmstar ist, von dem in einer Dialogsequenz die Rede ist: Portman ist die lang ersehnte Antwort.

Ebenfalls dieses Jahr mit dem Golden Globe ausgezeichnet, gilt Anette Bening am ehesten noch als Gefahr für Natalie Portmanns mit hartem Balletttraining und einvernehmendem Schauspiel erarbeitetem Oscar. Die 1958 geborene Schauspielerin fing recht spät mit dem Schauspiel an. Anders als Natalie Portman, deren kontroverses Debüt in «Léon - Der Profi» gefilmt wurde, als sie 13 Jahre alt war, startete Bening erst mit 30 ihre Kinokarriere. Schon ihr vierter Film, «Grifters», brachte ihr eine Oscar-Nominierung ein. Es folgten «American Beauty» und die internationale Komödie «Being Julia». In der dialoglastigen Komödie «The Kids Are All Right», die ihr ihre aktuelle und vierte Nominierung einbrachte, spielt sie eine ältere Lesbe und das charismatische Oberhaupt einer dank künstlicher Befruchtung erzeugten, vierköpfigen Familie. Dabei stellt Bening, wie auch Regisseurin Lisa Cholodenko, nicht die nahe liegenden Themen, sondern die Glaubwürdigkeit ihrer Figur in den Vordergrund, was ihr zahlreiches, glühendes Kritikerlob einbrachte.

Die diesjährigen Academy Awards markieren auch die Rückkehr von Nicole Kidman, die seit ihrem Erfolgsrausch zu Beginn des letzten Jahrzehnts (nominiert für «Moilin Rouge», ausgezeichnet für «The Hours») vorerst hauptsächlich durch Botox-Gerüchte und ihr Privatleben von sich reden machte. Im auf dem gleichnamigen Theaterstück «Rabbit Hole» basierenden Filmdrama über eine Ehefrau, die den Verlust ihres Sohnes zu verarbeiten versucht, dabei allerdings keine Hilfe von Freunden, Verwandten oder ihrem Ehemann zu erhalten scheint. Kidman, die wieder zum nuancierten Mimikspiel zurückfand, wurde von der Kritik nahezu einhellig dafür gelobt, dass in ihrer Darbietung auf übertriebene Gemeinplätze solcher trauernden Frauenrolle verzichtet. Dennoch verlief diese Oscar-Saison für sie, ohne dass sie nur einen relevanten Indikatorpreis gewann. Ein zweiter Oscar-Gewinn sollte dieses Jahr also ausgeschlossen sein.

Wenigstens ein paar Kritikerpreise konnten derweil Jennifer Lawrence für «Winter‘s Bone» und Michelle Williams für das raue und ehrliche Romantikdrama «Blue Valentine» ergattern. Für Lawrence, die 2008 ihren Einstand auf der Leinwand feierte, ist es die erste Nominierung, während Williams bereits für «Brokeback Mountain» eine Nominierung erhielt. «Blue Valentine» startete zunächst mit großem Buzz in die Award-Season, anfangs angefeuert von herausragenden Festivalkritiken (insbesondere für sie und Co-Star Ryan Gosling), später vor allem angetrieben von Harvey Weinsteins Kampagne gegen die MPAA. Das US-Pendant zur FSK wollte «Blue Valentine» wegen einer nicht-grafischen Szene, in der Williams’ Figur oral befriedigt wird, mit einem NC-17-Rating abstrafen, was in den USA den kommerziellen Tod bedeutet. Die Entscheidung wurde nach einer medienträchtigen Schlammschlacht zurückgezogen, bald darauf zeichnete sich der Erfolg von «The King‘s Speech» (ebenfalls eine Weinstein-Produktion) ab, und «Blue Valentine» verschwand aus den Schlagzeilen.

Bester Hauptdarsteller: Stotternder König oder brabbelnder Milliardär?
Als das National Board of Review seine Auszeichnungen verlieh, sah das Rennen um die diesjährigen Academy Awards noch gänzlich anders aus. «The Town» erhielt einen Preis für das Schauspiel-Ensemble (kein schlechter Vorbote für eine Nominierung als bester Film), David Fincher erhielt den Regie-Preis, «The Social Network» wurde als bester Film benannt und Jesse Eisenberg (noch relativ frisch vom Komödienerfolg «Zombieland») wurde als bester Hauptdarsteller gekürt. Der Erdrutschsieg für «The Social Network» schien losgetreten. Bekanntermaßen kam es anders…

Seither hat sich vieles getan, und nahezu alle relevanten Preise gingen an Colin Firth, der als stotternder Prinz Albert/König George VI. in «The King‘s Speech» agierte. Er erhielt alle weiteren relevanten Kritikerpreise, den Golden Globe und den Screen Actors Guild Award. Mit seinen 50 Jahren hat er bereits in über 40 Filmen mitgespielt und erhielt erst vergangenes Jahr für seine Rolle als suizidgefährdeter Homosexueller mittleren Alters seine erste Oscar-Nominierung. Schon damals sahen ihn einige als sichere Wette an, doch er verlor gegen den dieses Jahr ebenfalls wieder nominierten Jeff Bridges. Bei der diesjährigen Oscar-Verleihung scheint kein Weg mehr an Firth vorbeizugehen. Viele sind sich einig, dass er in «The King‘s Speech» die Performance seines Lebens gab und obendrein sind Hauptrollen in biographischen Filmen stets ein gewisser Vorteil bei den Oscars: Die Hälfte der letzten zehn Gewinner in der Hauptdarstellerkategorie spielten eine real existierende Persönlichkeit.

Ohne Firth im Spiel wäre es wohl ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen dem 32-jährigen James Franco (nominiert für «127 Hours») und dem 27-jährigen Jesse Eisenberg (nominiert für «The Social Network»), die in ihren jeweiligen Filmen zufälligerweise ebenfalls reale Personen spielten. James Franco hatte in «127 Hours» die Bürde zu tragen, dass praktisch der gesamte Film auf ihn aufbaut. Im Drama über einen in einer Felsspalte feststeckenden Kletterer ist er für über 60 Minuten der alleinige Fokus des Geschehens und muss mit vielfältigem, ungezwungenem Spiel für sämtliche Dramatik und Kurzweil sorgen. Jesse Eisenberg hingegen erarbeitete sich seine Nominierung mit nuanciertem Spiel, rasanten Dialogen und dem Bewältigen des ungeheuerlichen Drahtseilaktes, eine unsympathische Figur zu spielen, ohne den Zuschauer von sich zu stoßen.

Der letztjährige Gewinner des Hauptdarsteller-Oscars Jeff Bridges wurde für die Rolle nominiert, die John Wayne seinen Academy Award einbrachte. Manche Zyniker würden behaupten, dass die Bridges’ Rolle im Western-Remake, seine allgemeine Beliebtheit und insbesondere das Nachglühen für seinen letztjährigen Oscar-Film «Crazy Heart» Anlass für die erneute Nominierung sind. Sein US-Marshall in «True Grit» gehört nicht gerade zu seinen komplexesten oder ikonischsten Schauspielleistungen, profitiert aber davon, dass ihm einige der besten Dialogzeilen zukommen. Vielleicht war es aber auch die überschwängliche Rezeption von «True Grit», die ihn an anderen Darstellerlieblingen des vergangenen Jahres, wie Ryan Gosling («Blue Valentine»), vorbeidirigierte. Jedenfalls galt Bridges Nominierung trotz allem nicht als große Überraschung, anders als die von Javier Bardem, der ebenfalls schon mal in einem Western der Coen-Gebrüder mitspielte. Als der unaufhaltsame Killer Anton Chigurh in «No Country for Old Men» erhielt er den Oscar als bester Nebendarsteller, selbst wenn er eigentlich als Hauptfigur durchginge. Doch Schurken haben in der Nebenkategorie die größeren Chancen…

Bardem wurde für seine Hauptrolle im Krebsdrama «Biutiful» während der Filmfestspiele in Cannes als bester Schauspieler geehrt, so wie im Vorjahr Christoph Waltz für seine Rolle des Hans Landa in «Inglourious Basterds». Da es sich bei «Biutiful» um eine mexikanische Produktion handelte, hatten ihn jedoch nur die wenigsten Oscar-Experten auf der Rechnung, bis kurz vor der Bekanntgabe der Oscar-Nominierungen veröffentlicht wurde, dass er im Rennen um einen BAFTA als bester Hauptdarsteller ist. Sollte Bardem wider Erwarten gegen Firth gewinnen, wäre seit Roberto Benignis Sieg für «Das Leben ist schön» 1999 der erste Gewinner des Hauptdarsteller-Oscars, der für einen nicht-englischsprachigen Film geehrt wird. Bei den Frauen ist der letzte Auslandssieg nicht so lange her: 2008 gewann Marion Cotillard für «La vie en rose» und startete somit ihre «Public Enemies», «Inception» und angeblich bald auch «The Dark Knight Rises» umspannende Hollywoodkarriere.

Vier, statt fünf: Die diesjährigen Oscar-Songs
Als am 25. Januar die Nominierungen für die Academy Awards bekannt gegeben wurden, wird der findige Musik- und Filmfan gestutzt haben. Statt der sonst üblichen fünf, wurden bloß vier Nominierungen in der Kategorie „Bester originaler Filmsong“ ausgerufen. Das macht die Lieder-Sparte zu einer der widerspenstigsten Sparten der jüngeren Oscar-Geschichte. Bereits 2009 und 2006 fiel die Songkategorie aus dem üblichen Rahmen. Damals erhielten nur drei Lieder eine Nominierung: Peter Gabriels «Down to Earth» aus «WALL•E» sowie A. R. Rahmans späterer Gewinnersong «Jai Ho» und «O Saya» aus «Slumdog Millionär». Auffällig war nicht allein, dass Bruce Springsteens mit dem Golden Globe prämierter Titelsong zu «The Wrestler», sondern ebenfalls, dass sich «O Saya» durchsetzen konnte, obwohl Fox das Lied bewusst auf den an Academy-Mitglieder gesendeten CDs ausließ, um zu vermeiden, dass sich die Stimmen splitten. Dieses Jahr kommt die Liedernominierung für A. R. Rahman erneut überraschend: Der zusammen mit der Sängerin Dido verfasste Song «If I Rise» aus «127 Hours» wurde, wie schon die «Slumdog Millionär»-Lieder, nicht für den Golden Globe nominiert. Im Gegenzug haben es die zwei Globe-nominierten Lieder aus dem Glittermusical «Burlesque» nicht unter die Oscar-Lieder geschafft.

Aber zurück zum eng umsteckten musikalischen Feld bei den aktuellen Academy Awards: Die Antwort, wie es zu diesem unregelmäßigen Biegen und Brechen des Nominierungsfeldes kommen kann, liegt in Regel 16, Punkt IV C des Oscar-Reglements: Sämtliche für die Song-Kategorie stimmberechtigten Academy-Mitglieder nehmen an einer Vorführung Teil, während derer Filmausschnitte gezeigt werden, die die qualifizierten Lieder präsentieren (dieses Jahr waren es 41 an der Zahl). Alternativ können auch DVDs mit diesem Material eingefordert werden.
Die Jurymitglieder verteilen Wertungen von 10 (Maximum) bis 6 Punkten (Minimum), wobei auch halbe Punktzahlen genehmigt werden. Eine Oscar-Nominierung geht daraufhin an alle Lieder, die mindestens einen Punktedurchschnitt von 8,25 erreichen. Es werden maximal fünf Lieder nominiert, mindestens drei, andernfalls entfällt der Song-Oscar. Sollten sich lediglich 25 Lieder qualifizieren, wird die Maximalgrenze der nominierten Lieder automatisch auf drei runtergesetzt. Werden weniger als 9 Songs eingereicht, die mit dem Oscar-Regelwerk konform gehen, wird kein Preis vergeben.

Dieses Jahr spielten auch die Komponisten mit dem Reglement: Alan Menken, Komponist der legendären Musik aus Disney-Klassikern wie «Arielle, die Meerjungfrau» und «Die Schöne und das Biest» scheint es weiterhin nicht verkraftet zu haben, dass keiner seiner drei nominierten Songs aus «Verwünscht» 2008 einen Academy Award erhielt. Deshalb bat er nun Disney darum, von seinen Kompositionen aus dem computeranimierten Märchenmusical «Rapunzel» nur das Lied «I See the Light» (deutsch: «Endlich sehe ich das Licht») einzureichen, so dass sich die Stimmen der «Rapunzel»-Verehrer auf keinen Fall verteilen können. Die berührende Liebesballade, die im Film während einer der denkwürdigsten Disney-Tricksequenzen zu hören ist, wird in der Oscar-Nacht von Mandy Moore und Zachary Levi (den Originalstimmen der beiden «Rapunzel»-Hauptfiguren) dargeboten. Alan Menken begleitet das Duo am Klavier.

Auch aus der Disney•Pixar-Produktion «Toy Story 3» gibt es einen Song, der es unter die vier nominierten Lieder geschafft hat. Randy Newman, neunzehnfach Oscar-nominiert, erhielt seinen bislang einzigen Goldjungen für den Abspannsong von Pixars «Die Monster AG». Damals setzte er sich gegen andere große Namen wie Sting, Enya und Paul McCartney durch und kommentierte den ihm entgegentretenden Applaus nach seinem Gewinn, dass er das ganze Mitleid nicht bräuchte. Newmans ergiebige Kooperation mit Pixar begann 1995 mit «You‘ve Got a Friend in Me» aus «Toy Story», und man könnte vermuten, dass der kürzlich mit dem Grammy für das Soundtrackalbum von «Toy Story 3» prämierte Newman einen Trilogie-Abschlusspreis in feinster «Herr der Ringe»-Manier bekommen wird. Jedoch hat «We Belong Together» aus dem finale der Spielzeugsaga längst nicht die Ohrwurmqualitäten von «You‘ve Got a Friend in Me» oder Menkens Rapunzel-Kompositionen.

Vielleicht kommt es eh ganz anders, als man denkt: Gewisse Außenseiterchancen werden nämlich «Coming Home» aus «Country Strong» eingerechnet. Das Lied von Tom Douglas, Hillary Lindsey und Troy Verges stammt aus einem Drama über Countrymusik und trifft somit den Geschmack all der Academy-Mitglieder, die schon vergangenes Jahr ein Countrystück mit der Trophäe ehrten. Zudem feierte «Country Strong» eine von zahlreichen Stars und Countrygrößen besuchte Vorpremiere in den geweihten Hallen der Academy. Sicherlich blieben da einige Sympathiepunkte hängen…

Morgen blickt Quotenmeter.de im letzten Teil des großen Oscar-Specials auf die Hauptkategorien.
24.02.2011 11:15 Uhr  •  Sidney Schering Kurz-URL: qmde.de/47945