Im Vorfeld der Oscar-Verleihung 2011 stellt Quotenmeter.de die zehn Anwärter der wichtigsten Oscar-Kategorien vor: Chancen auf die begehrte Auszeichnung haben unter anderem «Inception», «Toy Story 3», «The Social Network» und «The King‘s Speech».
Alle Augen richten sich nach Hollywood. Dort erwartet die Filmwelt in der Nacht vom 27. auf den 28. Februar die mittlerweile 83. Verleihung der Academy Awards, und die spannende Frage lautet: Wird sich der klare Favorit, das leichtfüßige Historiendrama «The King‘s Speech», gegen die filmische Verarbeitung der Facebook-Gründung «The Social Network» durchsetzen? Oder erwarten uns einige unvorhergesehene Außenseitersiege? Eventuell gewinnt auch erstmals das Drehbuch zu einem Animationsfilm den begehrten Oscar, vielleicht wird Dreamworks charmantes Abenteuer «Drachenzähmen leicht gemacht» dem Abschluss der «Toy Story»-Trilogie den Animationsoscar vor der Nase wegschnappen? Der Abend ist erst vorbei, wenn die letzte Dankesrede zu Ende gestottert wurde. Und bis dahin können Sie sich hier bei Quotenmeter mit interessanten Hintergrundinformationen über die Nominierungen in den wichtigsten Kategorien auf die große Preisverleihung einstimmen.
Beste Regie: …und wo bleibt der Traumarchitekt?
Unter den wichtigsten Oscar-Kategorien wird diese Saison der Preis für die beste Regieleistung am heißesten diskutiert. Einer der Hauptgründe dafür ist auf der einen Hand das zu erwartende Stechen zwischen David Fincher (nominiert für «The Social Network») und Tom Hooper (nominiert für «The King‘s Speech»). Der womöglich schwerwiegendere Grund ist auf der anderen Hand die vollkommen unerwartete kalte Schulter, die Christopher Nolan für den smarten Blockbuster «Inception» gezeigt bekam.
Dabei schien Christopher Nolan ein sicherer Tipp zu sein. «Inception» begeisterte sowohl die Kritiker (er hält bei Rottentomatoes derzeit einen Wert von 86%), als auch das Kinopublikum (weltweites Einspielergebnis: 823.576.195 Dollar). Zudem schien Nolan für eine Nominierung in der Regie-Kategorie überfällig: Auf seine drei Nominierungen bei den Directors Guild Awards (darunter auch eine für «Inception») folgte nie eine Nominierung für den Oscar als bester Regisseur. Aber es kam bekanntermaßen anders, als gedacht: Während mit David Fincher, Tom Hooper, Darren Aronofsky (für «Black Swan») und David O. Russel (für «The Fighter») vier der diesjährigen Nominierten für den Regiegewerkschaftspreis auch eine Oscar-Nominierung erhielten, tauschte die Academy Christopher Nolan gegen das «True Grit»-Brüdergespann Joel & Ethan Coen.
Da offizielle Stellungnahmen, wie üblich, ausblieben, entfachte unter Oscar-Experten und Cineasten das Fieber der Mutmaßung. Fakt ist, dass der groß angelegte, laute und actionreiche Blockbuster «Inception» rein formell atypisch für die Oscars ist. Zu groß die Anleihen an Heist-Movies und James-Bond-Filme, zu stark der Fokus auf das Konzept, die schauspielerischen Leistungen genrebedingt zu sehr im Hintergrund. Scheiterte Nolans Nominierung etwa daran? Aber «Titanic» und «Der Herr der Ringe - Die Rückkehr des König» waren ebenfalls keine klassischen Schauspieler-Dramen und wurden nicht bloß für den Regieoscar nominiert, sie gewannen auch in dieser Kategorie. Hätte «Inception» vielleicht bloß die Milliardengrenze knacken müssen, um wie «Avatar» zumindest nominiert zu werden?
Der kleine, für «Inception» möglicherweise tragische, Haken an diesen Vergleichen: James Camerons Megaerfolge waren schon allein rein technisch bahnbrechend, Peter Jackson wiederum erhielt den Regieoscar für den megalomanischen Abschluss einer filmhistorisch bedeutsamen Trilogie. «Inception» ist bloß ein, wenngleich beeindruckendes, Einzelwerk. Mit dem Überraschungserfolg von «True Grit» nahmen Nolan dann die Coen-Brüder vielleicht einige Last-Minute-Stimmen sowie einige der Action gegenüber offeneren Academy-Mitglieder weg… Fans von Christopher Nolan sollten sich sicherheitshalber in Geduld mit der Academy of Motion Picture Arts & Sciences üben. Der in London geborene Regisseur dachte nämlich bereits laut darüber nach, im Anschluss an «The Dark Knight Rises» ein Biopic über die späten Jahre von Howard Hughes zu drehen. Eine solche Quasi-Fortsetzung von Martin Scorseses «Aviator» schreit geradezu nach einem Wiedergutmachungs-Oscar.
Britischer Fernsehregisseur vs. Kultfilmer
Mit einem diesjährigen Wiedergutmachungs-Oscar rechnete zu Beginn der Oscar-Saison wohl das ganze Internet. Filmindustrie-Blogs und Fanforen waren sich sicher, dass David Fincher für «The Social Network» prämiert wird. Immerhin ist das zeitgenössische Drama (zusammen mit «Der seltsame Fall des Benjamin Button») sein bislang Oscar-tauglichster Film, während Kultproduktionen wie «Fight Club» oder «Sieben» an dem stereotypischen Geschmack der Academy vorbeiliefen. Fincher gewann auch zahlreiche Kritikerpreise sowie den Golden Globe. Kurz darauf kippte die Stimmung in Hollywood und Tom Hooper startete eine Aufholjagd, unter anderem gewann er für «The King‘s Speech» den Preis der Regiegewerkschaft. In der letzten Dekade gewannen 8 von 10 DGA-Preisträger auch den Regie-Oscar. Und es gibt eine noch bestechendere, wenngleich obskure, Statistik, die Hooper den Rücken stärkt: In der Geschichte der Academy Awards erhielten alle Filme, die den Oscar als bester Film gewannen und mit zwölf Nominierungen ins Rennen gingen, auch den Regie-Preis. Bis auf «Gladiator». Ist ihnen diese Zahlenspielerei zu weit hergeholt? Dann versetzen sie sich mal in David Fincher, dem seit Hoopers Gewinn bei den DGAs die Oscar-Felle davonschwimmen.
Da «The King‘s Speech» der klare Favorit in der Sparte „Bester Film“ ist, ist ein Sieg Tom Hoopers nahezu garantiert. In den vergangenen 50 Jahren ging der Regieoscar in 80% der Fälle an den Strippenzieher hinter dem Film, der auch den Hauptpreis mit nach Hause nahm. Allerdings sind es die 20 restlichen Prozentpunkte, die das diesjährige Wettrennen um den Goldjungen so spannend machen. 2006 gewann Ang Lee für «Brokeback Mountain» bei den DGAs sowie den Regieoscar, doch «L.A. Crash» wurde als bester Film ausgezeichnet. 2003 nahm Rob Marshall den Gewerkschaftspreis mit nach Hause, und es war sein Film «Chicago», der mit dem Haupt-Oscar wurde. Den Academy Award für die Regie erhielt jedoch Roman Polanski. Und 2001 wurden sämtliche Statistiken auf den Kopf gestellt: Ang Lee bekam für «Tiger and Dragon» den Gewerkschaftspreis, Steven Soderbergh erhielt den Regieoscar, aber der beste Film war, so die Acadmey, das Sandalenepos «Gladiator» von Ridley Scott. Gerade «Chicago» könnte das Schablonenbeispiel für dieses Jahr sein: Tom Hooper kommt, ähnlich wie damals Rob Marshall, recht frisch von seiner TV-Karriere, tritt in der Regiekategorie gegen erfahrene Kollegen an. Nun versetzen Sie sich in die Lage eines Academy-Mitglieds, das zudem Stimmrecht bei den Directors Guild Awards hat, und sich nicht ganz zwischen seiner Gesamtzuneigung für «Chicago» bzw. «The King‘s Speech» sowie der Regiearbeit von Polanski bzw. Fincher entscheiden kann. Ist es da so abwegig, dem Neuankömmling in der Kinowelt den einen Preis zuzusprechen, bei den Academy Awards hingegen (auch mit Blick auf die Gesamtkarriere) für jemand anderes zu stimmen?
Bester Animationsfilm: Drachen, Spielzeuge und ein Magier
Das Nominiertenfeld mancher Kategorien vergrößert und verkleinert sich, wie es lustig ist. Mag man zumindest mit Blick auf den besten Animationsfilm oder die Song-Kategorie meinen. In Wahrheit steckt dahinter ein ausdifferenziertes Regelwerk, nach welchem im Falle des Lieder-Oscars die Anzahl der Nominierungen hauptsächlich von der Qualität diktiert (mehr dazu
im zweiten Teil unseres diesjährigen Oscar-Specials). Nicht so in der erst 2002 eingeführten Sparte für den besten abendfüllenden Trickfilm. Hier stellt das Nominiertenfeld lediglich ein Spiegelbild der Quantität dar. Eine willkürlich gesetzte Hürde von 16 den Qualifikationsanforderungen der Academy genügenden Trickproduktionen muss innerhalb eines Jahres geknackt werden, damit statt drei sogleich fünf Animationswerke für den prestigeträchtigen Filmpreis nominiert werden. 2010 qualifizierten sich bloß 15 Filme für eine Oscar-Nominierung in der Trick-Kategorie. Deshalb wird das mit Produktionen wie «Ich - Einfach unverbesserlich» hoch gefeierte Animationsjahr nur mit einem kleinen Feld an nominierten beim Oscar repräsentiert.
Ein großer Kritiker- und Publikumsliebling, der aufgrund dieser Regelung wohl knapp eine Nominierung verpasste, ist Disneys Rückkehr zum Märchenmusical. «Rapunzel» nahm weltweit über eine halbe Milliarde Dollar ein, wobei der japanische Markt noch aussteht. Was Disneyfans besonders verärgern könnte, ist dass das Oscar-Schicksal von «Rapunzel» durch eine enttäuschende Blödelkomödie besiegelt wurde. Denn neben den 15 qualifizierten Animationsfilmen wurde zusätzlich der Hybrid aus Real- und Computeranimationsfilm «Yogi Bär» eingereicht. Angeblich soll «Yogi Bär» aufgrund eines zu niedrigen Trickanteils knapp an der Qualifikation gescheitert sein, während die Acadmy den ähnlich geartete (und von der Presse gleichermaßen verrissene) «Cats & Dogs: Die Rache der Kitty Kahlohr» zum Nominierungsprozess zuließ. Wenige Animationsminuten mehr, und es hätte zwei weitere Oscar-Nominierungen für den besten Trickfilm gegeben. Wie fair diese Regelung ist, darf ausführlich diskutiert werden.
Unter den drei Filmen, die letztlich für die Auszeichnung nominiert wurden, ist Pixars
«Toy Story 3» der glasklare Favorit. Immerhin ist die emotionale Achterbahnfahrt aus den Trickstudios ebenfalls als bester Film nominiert, weswegen eine Niederlage in seiner Heimatkategorie an eine Sensation grenzen würde. Sollte es tatsächlich dazu kommen, halten Sie sich jedoch besser mit den „Schiebung!“-Rufen zurück. Es wäre durchaus mit den Regeln der Academy Awards kompatibel, dass der den Nominierungen nach beste Animationsfilm des Jahres den Preis in der Tricksparte verliert. Denn während sämtliche rund 6.000 Mitglieder der Academy für den besten Film abstimmen, wählt nur ein Bruchteil derer den Gewinner in der Kategorie „Bester Animationsfilm“.
Manche Filmfans und -kritiker wünschen sich bereits lautstark eine solche Überraschung. «Toy Story 3» ist der mit den besten Kinokritiken bedachte, breit gestartete Film des Jahres (99% bei Rottentomatoes), allerdings folgt ihm
«Drachenzähmen leicht gemacht» direkt auf dem Fuß (98% auf der Kritiken auswertenden Webseite). Das Computeranimationsdebut der «Lilo & Stitch»-Regisseure gilt als der bislang beste Film des Pixar-Dauerkonkurrenten Dreamworks Animation und feierte, wie schon «Kung Fu Panda», einen Erdrutschsieg bei den Annie Awards, dem angesehensten Preis innerhalb der Trickfilm-Branche. Zehn Annies gewann «Drachenzähmen leicht gemacht», darunter für den besten Trickfilm, die beste Regie sowie das beste Figurendesign und die beste Musik in einem Animationsfilm. «Toy Story 3» hingegen erhielt bei allein drei Nominierungen keinen einzigen Annie. Als Teilauslöser hierfür sehen Industrie-Insider Disneys und Pixars abgebrochene Kooperation mit der diesen Preis verleihenden Organisation ASIFA-Hollywood (Association Internationale du Film d'Animation). Disney kappte die Verbindungen zur Trick-Organisation, weil man im Fahrwasser des «Kung Fu Panda»-Sieges gegen den Oscar-Favoriten «WALL•E» das Regelwerk für die Annies genauer beäugte und einige Klauseln bzw. Schlupflöcher fand, die laut Disney unfair seien. Nachdem das Regelwerk nicht den Wünschen Disneys entsprechend abgeändert wurde, zog man sich von den Annie Awards zurück.
Als der relativ unbekannte Dritte im Bund steht der französische Zeichentrickfilm «L'illusionniste» zur Wahl. Der neue Film des mehrfach Oscar-nominierten Trickregisseurs und Musikers Sylvain Chomet («Das große Rennen von Belleville») feierte am 16. Februar 2010 im Rahmen der Berlinale seine Weltpremiere, lässt dennoch bis heute einen deutschen Verleih missen. «L'illusionniste» beäugt in makellos-flüssiger, traditioneller Zeichentrickanimation die Geschichte eines alternden Bühnenmagiers, der seinen Platz auf den großen Bühnen zugunsten aufstrebender Rockbands räumen muss. Von dort an tingelt er mit seinen Zaubertricks durch Cafés und Bars, wo er ein junges Mädchen kennen lernt, zu dem er eine warmherzige Vater-Tochter-Beziehung aufbaut. Kritiker lobten insbesondere die stille Poesie und den bewundernswerten Realismus von «L'illusionniste» – ein verdienter Oscar-Nominierter, der auf diesem Weg vielleicht einige neugierige Betrachter für sich gewinnen kann.
Auf der nächsten Seite erfahren Sie mehr über die zehn Anwärter auf den Oscar in der Kategorie „Bester Film“. Außerdem werfen wir einen Blick auf die Drehbuch-Kategorien.
Im Vorfeld der Oscar-Verleihung 2011 stellt Quotenmeter.de die zehn Anwärter der wichtigsten Oscar-Kategorien vor: Chancen auf die begehrte Auszeichnung haben unter anderem «Inception», «Toy Story 3», «The Social Network» und «The King‘s Speech».
Die Drehbuch-Oscars: Wo sich die Favoriten aus dem Weg gehen
Dank der Trennung zwischen Original-Drehbüchern und Leinwandadaptionen bleiben die Zuschauer zumindest in einer Hauptsparte gänzlich vom Wetteifern zwischen «The Social Network» und «The King‘s Speech» verschont. Dafür scheinen die Drehbuchoscars bereits jetzt gesetzt: Das inspirierende und mit britischem Witz gewürzte Drama «The King‘s Speech» hat beste Chancen, für sein Original-Drehbuch ausgezeichnet zu werden, während «The West Wing»-Autor Aaron Sorkin für die Adaption «The Social Network» hervorragende Siegesaussichten hat. In diesem Fall gingen beide Drehbuchoscars an erstmalige Nominierte. «The King‘s Speech»-Autor David Seidler arbeitete zuvor an äußerst schwachen Animationsfilmen, während Sorkin schon mehrere Emmys aufzuweisen hat.
Ebenfalls erstmals nominiert sind Lisa Cholodenko & Stuart Blumberg (für «The Kids Are All Right») sowie die insgesamt vier Autoren von «The Fighter». Das Boxer-Biopic «The Fighter»wurde als Original-Drehbuch eingeordnet und hat eine fast selbst filmreife Entstehungsgeschichte hinter sich. Seit 2003 wurde an dem mehrfach umgeschriebenen Skript gearbeitet, welches unter anderem den Regisseuren Martin Scorsese und Darren Aronofsky angeboten wurde. Letzterer sagte zu, stieg Oktober 2008 aber wieder aus dem Projekt aus, um sich «Black Swan» zu widmen. Aufgrund dessen, dass Aronofsky den Sportlerfilm dennoch weit vorantrieb, erstattete man ihm im Abspann eine Nennung als ausführender Produzent.
In der Kategorie für Original-Drehbücher sind die zwei einzigen Veteranen Christopher Nolan («Inception») und Mike Leigh («Another Year»). Nolan wurde zuvor für das Drehbuch des rückwärts erzählten Thrillers «Memento» nominiert, weshalb sich vermuten lässt, dass die Academy mit Genrekonventionen spielende, intelligente Drehbücher eher akzeptiert, als deren Umsetzung. Erinnerungen an Quentin Tarantino werden wach, der für den so enorm Oscar-atypischen «Pulp Fiction» einen Drehbuch-Oscar erhielt. Wie der Regieführende Autor Mike Leigh derweil seine bis dato fünfte Oscar-Nominierung ergattern konnte, ist einigen seiner Kritiker unerklärlich. Die Grundlage zur Tragikomödie «Another Year» entstand, wie für Leigh typisch, in einem monatelangen Probeprozess mit den Darstellern, während dessen die Figurenprofile erschaffen und das ungefähre Storyprofil ertastet wurde. Die eigentlichen Dreharbeiten basieren auf nahezu reiner Improvisation. Ist Mike Leigh dabei wirklich als Drehbuchautor zu prämieren?
Die Kategorie der besten adaptierten Drehbücher besteht dieses Jahr aus fünf Anwärtern auf den Oscar für den besten Film. Neben dem auf einem Sachbuch basierenden «The Social Network», den Romanverfilmungen «True Grit» und «Winter’s Bone» sowie dem auf Teilen der Autobiografie seiner Hauptfigur basierenden «127 Hours» ist auch die Fortsetzung «Toy Story 3» nominiert. Obwohl die Story zu «Toy Story 3» speziell für die Kinoleinwand geschrieben wurde, gilt das Skript als adaptiert, da Autor «Michael Arndt» (zuvor ausgezeichnet für «Little Miss Sunshine») auf zahlreiche bereits in «Toy Story 1 & 2» vorkommende Figuren zurückgriff. Arndt, der gemeinsam mit «Ratatouille»-Regisseur Brad Bird das Drehbuch zu «Tron: Legacy» aufpolierte, wurde von Pixar für «Toy Story 3» ins Boot geholt, als die Grundidee zum Film bereits feststand. Er sollte die Ergebnisse eines Brainstorming-Wochenendes, das Andrew Stanton («Findet Nemo»), John Lasseter («Toy Story») und Lee Unkrich (Regie bei «Toy Story 3») in einer Berghütte verbrachten, zu einem sinnigen Drehbuch formen. Offenbar mit Erfolg.
Bester Film: Zehn Nominierungen, zwei potentielle Gewinner
Die Beteiligten an acht Produktionen des vergangenen Kinojahres dürfen sich geehrt fühlen: Ihr Werk wurde für den wohl berühmtesten und begehrtesten aller Filmpreise nominiert. Diese acht in die Annalen der Hollywoodgeschichte eingegangenen Filme sind «Black Swan», «The Fighter», «Inception», «The Kids Are All Right», «127 Hours», «Toy Story 3», «True Grit» und «Winter’s Bone».
Nicht zuletzt auch dank des seit vergangenem Jahr auf zehn Nominierungen vergrößerten Oscar-Feldes, finden sich unter diesen Filmen mehrere Produktionen, die aufgrund ihres Genres normalerweise eher schlechte Aussichten auf diese besondere Ehre haben.
«Black Swan» von Regisseur Darren Aronofsky zeichnet in seinem ersten in der Hauptkategorie nominierten Film ein erschreckendes Psychogramm einer fragilen Balletttänzerin, die sich ihrer Doppelrolle als weißer und schwarzer Schwan im «Schwanensee» nicht gewachsen sieht. Mit der unschuldigen, von Natalie Portman verkörperten Hauptrolle als unzuverlässigen Erzähler des Films, taucht der Zuschauer mit der Protagonistin in zunehmenden Wahnsinn ab.
Als Sci-Fi-Actionthriller ist
«Inception» ein ebenso ungewöhnlicher „Bester Film“-Nominierter. Aber Christopher Nolans zweiter, von der Presse umjubelter Blockbuster in Folge lässt sich in Zeiten von zehn Oscar-Nominierungen in der Hauptkategorie nicht so leicht umgehen, wie 2009 noch «The Dark Knight». Ein weiterer Film, der gleich mehrere alteingefahrene Vorurteile der Academy bezwingen konnte, ist «Toy Story 3». Das gleichermaßen humorvolle wie rührende Finale von Pixars-Spielzeugtrilogie ist erst der zweite Computeranimationsfilm, der in dieser Kategorie nominiert wurde. Erst letztes Jahr feierte «Oben» (ebenfalls von Pixar) den Einstand dieses filmischen Mediums im Pantheon der „Bester Film“-Anwärter. Mit dem Zeichentrickfilm «Die Schöne und das Biest» wären dann bereits sämtliche Trickfilme aufgezählt, die in dieser Kategorie nominiert wurden. Und die Chancen für Fortsetzungen stehen nur unwesentlich besser: Allein dem mit Bing Crosby besetzten Drama «Die Glocken von St. Marin» von 1945 sowie den Fortsetzungen zu «Der Pate» und «Der Herr der Ringe» gelang zuvor dieses Kunststück. Allein «Der Pate - Teil II» sowie «Der Herr der Ringe - Die Rückkehr des Königs» haben gewonnen.
Das immer wieder totgesagte Western-Genre ist bei den Oscars etwas glückreicher: Bislang gewannen drei Western den Hauptpreis, zuletzt Clint Eastwoods «Erbarmungslos». Berücksichtigt man den Neo-Western/Thriller «No Country for Old Men», erhöht sich der Zähler. Dass die Coen-Brüder mit dem Remake
«True Grit» einen weiteren Western folgen lassen, ist angesichts der übermächtigen Konkurrenz von «The Social Network» und «The King‘s Speech» eher unwahrscheinlich. Mit zehn Oscar-Nominierungen ist die Neuerzählung der von einem 14-jährigen Mädchen angetriebenen Suche nach Blutrache der bisher meistnominierte Film der von Cineasten verehrten Brüder, die für ihre durchkonstruierten Skripts und minutiöse Regieführung bekannt sind. Die Erstverfilmung dieses Stoffes, mit John Wayne in der nun von Jeff Bridges gespielten Rolle eines versoffenen US-Marshalls, wurde 1970 bloß für zwei Academy Awards nominiert: Für den besten Song und den besten Hauptdarsteller. Es war Waynes dritte Oscar-Nominierung und sein einziger Sieg.
Vor zwei Jahren witzelte Hugh Jackman in seiner Rolle als Moderator der Preisverleihung noch, dass er die Oscars bloß ansagen, aber nicht auf einen Gewinn hoffen darf. Dabei spielte er eine wichtige Rolle in Baz Luhrmanns «Australia», der im Vorfeld lange als heißer Preisanwärter galt. Dieses Jahr hingegen darf sich Co-Moderator James Franco als bester Hauptdarsteller Hoffnungen machen und zudem für seine Ein-Mann-Schau
«127 Hours» die Daumen drücken. Dies ist das erste Mal seit 1987, dass ein Oscar-Nominierter als Moderator auf der Bühne steht. Danny Boyles «Slumdog Millionär»-Nachfolgewerk erzählt von einem Extremsportler, der in eine Canyonspalte stürzt und sich dort einen Arm festklemmt. Das nachfolgende Kammerspiel, von Regisseur Boyle als „Actionfilm über einen Typen, der sich nicht bewegen kann“ bezeichnet, wird in dynamischen Handkamerabildern gezeigt. Dank des dramatischen, wie unterhaltsamen Skript kommt trotz bekannten Handlungsausgangs und beengtem Schauplatz keine Langeweile auf.
Ist «127 Hours» insbesondere die Leistung eines Darstellers und energetischer Regieführung, sind die sonst so ungleichen Oscar-Kandidaten «The Fighter» und «The Kids Are All Right» beides als Ensemblefilme zu schätzen. «The Fighter», die Boxer-Biografie des für sein aufbrausendes Gemüt gefürchteten David O. Russel, wird von seinem preisgekrönten Cast gestemmt, was sich nicht nur in den Oscar-Nominierungen für die Nebendarsteller Christian Bale, Melissa Leo und Amy Adams niederschlägt, sondern auch in der Globe-Nominierung für Hauptdarsteller/Produzent Mark Wahlberg. Sollte «The Fighter» gewinnen, wäre es nach «Rocky» und «Million Dollar Baby» der dritte Boxerfilm, der als bester Film mit Oscar-Gold gekrönt wurde.
Die semi-unabhängig finanzierte, dramatische Komödie «The Kids Are All Right» über die Töchter zweier alternden Lesben, die ihren Vater ausfindig machen, dürfte vor allem vom enormen Darsteller-Block unter den Academy-Mitgliedern unterstützt werden. Neben zwei Darsteller-Nominierungen und der Hauptkategorie fand allein das pointiert und feinfühlig geschriebene Drehbuch Oscar-Anerkennung. Das Independent-Drama «Winter’s Bone», zu guter letzt, gehört trotz seiner vier Nominierungen, zu den absoluten Außenseitern der diesjährigen Verleihung. Die Geschichte einer 17-jährigen, die mit aller Mühe ihre Familie zusammenzuhalten versucht und mit der unwohlen Befürchtung konfrontiert wird, dass ihr Vater starb, ist mit nichtmal sieben Millionen Dollar US-Einspiel der finanziell erfolgloseste „Bester Film“-Anwärter seit über vierzig Jahren und wurde auch nicht für die Auszeichnung der Produzentengewerkschaft berücksichtigt.
«The King‘s Speech» oder «The Social Network»: Der Wettstreit zweier Favoriten
Während sich die Köpfe hinter den acht oben genannten Produktionen über die Nominierung freuen dürfen, können sich die Macher von «The King‘s Speech» und «The Social Network» weiterhin Hoffnungen auf die Statuette machen. Denn selbst wenn das Rennen nach den Siegen von
«The King‘s Speech» bei den Auszeichnungen der Produzenten-, Darsteller- und Regiegewerkschaften beendet schien, eröffneten kleinere Gewerkschaftspreise wie der Eddie neue Perspektiven. Dadurch, dass «The Social Network» bei der Filmcutter-Organisation nach zwischenzeitlicher Durststrecke wieder eine Auszeichnung erhielt, steht bereits fest, dass bei den 83. Academy Awards einige ungeschriebene Gesetze gebrochen werden.
Deutlicher gesprochen: Befragt man die Statistiken, müssten eigentlich sowohl «The King‘s Speech», als auch «The Social Network» gewinnen (mehr dazu auch
im ersten Teil unseres Oscar-Specials).. «The King‘s Speech» ist der nunmehr 25. Film, der zwölf oder mehr Nominierungen erhielt, und von denen gewannen bisher 17 Stück, was «The King‘s Speech» nach den Siegen bei den drei wohl wichtigsten Filmgewerkschaften weiter den Rücken stärkt.
Allerdings bedeutet eine „Bester Film“-Ehrung für «The King‘s Speech», dass mit «The Social Network» erstmals ein Film, der sowohl den Golden Globe gewann als auch vom National Board of Review und dem New York Film Critics Circle als bester Film prämiert wurde, ohne den Oscar in der Hauptkategorie das Kodak Theatre verlässt. Des Weiteren gilt
«The Social Network» als Favorit in der Schnitt-Kategorie sowie in der Sparte für das beste Original-Drehbuch. Sollte David Fincher obendrein Tom Hooper in der Regie-Kategorie ausstechen, wäre «The Social Network» nach Soderberghs «Traffic» (2000) und «Ein Platz an der Sonne» (1951) erst der dritte Film, der trotz Regie-, Drehbuch- und Schnitt-Oscars nicht als bestes Gesamtwerk prämiert wird. Noch unwahrscheinlicher wäre einzig und allein, dass nach all diesen Indikatorpreisen ein dritter Film das Feld stürmt. Angesichts des seit vergangenen Jahres gültigen, neuen Abstimmungsverfahren in dieser Kategorie, vielleicht gar nicht einmal so unmöglich. Zuvor musste ein Film bloß die Mehrheit der Stimmen erhalten. Wenn früher 49% der wahlberechtigten Academy-Mitglieder den Favoriten der Mehrheit hassen, spielte dies keine Rolle. Mittlerweile wird allerdings der Film gesucht, auf den sich die meisten Academy-Mitglieder einigen können. Zur Erklärung ein krasses Beispiel: 50% finden «The King‘s Speech» unter den zehn nominierten Filmen am besten und «The Social Network» am viertbesten. Bei den anderen 50% verhält es sich genau andersherum. Aber auf allen Stimmzetteln wurde «Toy Story 3» als zweitgrößter Favorit genannt. In dem Fall wäre Trickfilmgeschichte geschrieben.
Die 83. Verleihung der Academy Awards findet in der Nacht vom 27. auf den 28. Februar statt. Quotenmeter.de wünscht allen Filmliebhabern eine unterhaltsame Show mit erfreulichen Gewinnern. Selbstverständlich wird die Oscar-Nacht bei uns von einem Liveticker begleitet.