Serien-Update: «Hawaii Five-0»

Unser Blick in die USA: Wie entwickelten sich die Geschichten der Krimiserie in Staffel eins?

Serienfans verfluchen Reality-TV, da dieses geskriptetes Programm tötet. Serienfans verfluchen CBS, da das Network ständig Crime Procedurals auf den Markt wirft, welche wiederholt bessere Quoten einfahren, als das Qualitätsprogramm auf den Konkurrenzsendern. Doch immer wieder schafft es ein Sender wie CBS, etwas Unterhaltsames aus diesem Genre herauszubringen. «Hawaii Five-0» mag zwar nicht die beste neue Serie des laufenden TV-Jahres sein, doch ist sie überraschenderweise eine der unterhaltsamsten. Die Autoren machten klar, dass ihr Remake des Klassikers aus den 70er Jahren, welches für stolze zwölf Jahre und 284 Episoden auf CBS, hierzulande zuerst bei der ARD, später auf ProSieben und dem Kabelkanal, lebte, kein intelligentes und forderndes Programm sein soll, sondern stattdessen den Zuschauern die Möglichkeit gibt, wöchentlich in eine semi-exotische Welt zu entfliehen.

«Hawaii Five-0» ist dabei nichts anderes als eine Serie, die ihren fünften Charakter perfekt in Szene setzen kann: Hawaii dient nicht nur als Einspieler für die sechs Akte in einer Episode, sowie für entscheidende Szenenwechsel, sondern bewirbt die Inselgruppe auch regelmäßig als exotischsten Urlaubsort auf der Welt und zusätzlich sogar als besten Arbeitsplatz, den man sich als TV-Darsteller nur wünschen kann. Die Hawaii-Aufnahmen sind jedoch nicht die einzigen Gründe, warum ein Zuschauer ein Auge auf die zuerst verschmähte, dann überraschend unterhaltsame Serie werfen sollte: Der Cast harmoniert wunderbar miteinander und die Episoden sind in ihrer Erzählweise so schnell geschnitten, dass kaum Langeweile aufkommt.

Die Bromance zwischen den beiden Hauptcharakteren Steve McGarrett und Danny "Danno" Williams dürfte dabei der wichtigste Faktor in der Serie sein. Beide Männer ergänzen sich nicht nur hervorragend, sondern bringen auch regelmäßig das Gleichgewicht in die Geschichten. Während CBS-Favorit Alex O'Loughlin, der zuvor mit «Moonlight und «Three Rivers» kein großes Glück bei den Zuschauern hatte, seinen Charakter in mehreren Szenen recht eintönig und flach darstellt und dabei «Hawaii Five-0» nach einem lustlos ins Bild gesetztem «NCIS: Hawaii» aussehen lässt, schafft die Darstellung von Scott Caan es immer wieder die andere Seite der Unterhaltungsmedaille zu zeigen. Die beiden Charaktere balancieren sich gegenseitig mit spielerischen Faustschlägen, beneidendem Respekt und beißendem Geplänkel aus und machen die Charakterkonstellation zu einem Highlight der Serie.

Auch die anderen beiden Hauptdarsteller, Grace Park und Daniel Dae Kim, fügen sich gut in den Hauptcast ein. Zwar bekommen beide nicht die erwünschte Zeit geschenkt, um ihre Charaktere zu entwickeln, doch haben beide die Möglichkeiten, sich in ihrer Komfortzone zu beweisen. Kim, der Chin Ho Kelly verkörpert, behält dabei den leichten Charme, welchen er hin und wieder in den letzten Staffeln von «Lost» zeigen durfte, während Park als Chin Hos Cousine Kono nicht viel als junger und unerfahrener Cop zu tun hat, jedoch regelmäßig die Szenen bekommt, in der sie ihre Fäuste und Füße in den Bösewicht der Woche vergraben darf - zusätzlich zu ihren Bikiniszenen für ihre Fans, sowie den Undercover-Einsätzen zu Beginn der Serie, die sich schon fast zum Running Gag entwickelten.

Das dürfte auch eines der entscheidenden Gründe sein, warum es «Hawaii Five-0» problemlos über die 13-Episoden-Order schaffte und Hoffnungen auf eine zweite Staffel erleben darf. Die Serie bringt für CBS solide Einschaltquoten und positive Kritiken, weshalb eine zweiten Staffel theoretisch nichts mehr im Wege stehen sollte. Allerdings ist CBS bekannt dafür, den Sendeplan gerne mal kräftig durchzuschütteln, weshalb es sich für «Hawaii Five-0» auf einem anderen Sendeplatz etwas gefährlicher leben dürfte. Zurzeit schaffte es die Serie, ihre einzige Konkurrenz, «Castle» auf ABC, wöchentlich auf die Plätze zu verweisen.



Die Pilotfolge legt den Grundstein für den Rest der Serie: Das Vorspiel bietet den Mord an McGarretts Vater, erzeugt einen Erzfeinden für die Helden der Geschichte, bringt McGarrett mit seinem neuen Partner zusammen, und die neu gegründete Task Force ohne Namen macht von nun an die kriminelle Unterwelt von Hawaii unsicher. Positiv ist anzusehen, dass der Pilot eine Geschichte erzählt, anstelle einer McGarrett-One-Man-Show, die, ähnlich wie in «Castle», der ersten Episode einen gewissen Unterhaltungsfaktor gibt, jedoch durchscheint keine fortlaufende Story im Hintergrund anbieten zu wollen. Doch am Ende der Episode haben die Autoren mit Victor Hesse einen Erzfeind für McGarrett erschaffen, damit dieser in den zukünftigen Episoden das Leben der neuen Sheriffs auf der Insel Oahu erschweren kann. «Hawaii Five-0» hat mit Hesse seinen Red John auf Hawaii und es war nur eine Frage der Zeit, bis sich die nächste Episode voll und ganz mit dem Duell McGarrett vs. Hesse beschäftigen wird.

Nach einer halben Staffel kam es jedoch ganz anders und die Autoren gingen in eine andere Richtung: Hesse wurde aus dem Verkehr gezogen, Wo Fat (der Erzfeind in der Originalserie) wurde eingeführt, ebenso wie die Story von zehn Millionen Dollar, welche von der Task Force gestohlen wurde, um Chin Hos Leben zu retten. Hier zeigten sich einige der guten Ideen für den weiteren Verlauf von «Hawaii Five-0»: Wie wird die Gruppe mit dem Verschwinden des Geldes, für welches sie selbst verantwortlich sind, umgehen? Und was hat es mit dem unerwarteten Wiederauftauchen der zehn Millionen Dollar zu tun, nachdem McGarrett und sein Team sich schon seelisch darauf vorbereitet haben, von der Gouverneurin gefeuert und von der Insel verbannt zu werden? «Hawaii Five-0» gelingt dabei etwas, was «The Mentalist» nur selten schafft: Die Geschichte bringt eine gewisse Nervosität in den Kreis der vier Charaktere und hat die Möglichkeit, völlig überraschend zu sein. Schon Hesses Geschichte wurde nach einer halben Staffel unerwartet beendet - wie sieht es erst mit der $10-Millionen-Geschichte aus, die mit Sicherheit im Staffelfinale wieder aufgegriffen wird?

Obwohl diese beiden Absätze aussehen, als würden sie einen großen Teil in der Serie einnehmen, trifft das ganz und gar nicht zu. Der Hauptteil von «Hawaii Five-0» besteht immer noch darin, episodenzentrische Geschichten zu erzählen. Im Teaser wird die Bedrohung erläutert - von einem aus dem Gefängnis geflüchteten Betrüger, bis hin zu einer Tsunamiwarnung ist dabei alles drin -; es folgt eine Szene mit den Hauptcharakteren, die nichts mit dem Fall zu tun hat - Danny und seine Liebe für seine Tochter, McGarrett und seine Navy-Freundin, Kono und ihre Unterrichtseinheiten im Surfsport -; schlussendlich befindet sich der Zuschauer inmitten des Falls und es dauert in der Regel eine halbe Episode, bevor eine Information oder ein Zufall die Task Force in die richtige Richtung führt. Dass dabei die erste Hälfte zur Unwichtigkeit verfällt, ist jedoch kein Problem. Die schnell platzierten Schnitte und kurzen Actioneinlagen lassen die kleinen Fehler im Drehbuch verblassen; und bevor der Zuschauer über die Logik der Story nachdenken kann, wird er entweder mit der Schönheit Hawaiis oder einer exzellenten Stunt-Szene abgelenkt.

«Hawaii Five-0» ist bisher simples Entertainment der Hawaii-Sorte - die Luau-Version eines stereotypen Crime Procedurals, visuell stimulierend und mit einem tollen Cast. Es revolutioniert nicht das Genre, weiß dafür bestens den Zuschauer mit einem erleichterten Gefühl zurückzulassen. Und mit ein bisschen Arbeit an den Hintergrundgeschichten der Charaktere könnten die Autoren mit «Hawaii Five-0» sogar noch ein wenig tiefer gehen als üblich. Aber am Ende hat die Serie ihre scherzhafte Bezeichnung, ein «CSI: Hawaii» zu sein, überlebt und beweist, dass Procedurals auch unterhaltsam sein können.
09.03.2011 11:30 Uhr  •  Christian Wischofsky Kurz-URL: qmde.de/48227