Die Kritiker: «Siegfried Lenz»

Inhalt
Siegfried Lenz wird 1926 in Ostpreußen geboren und 1943 in den zweiten Weltkrieg geschickt. Die Erlebnisse an der Front prägen sein späteres schriftstellerisches Werk nachhaltig; in der Nachkriegszeit besucht er die literarische „Gruppe 47“ und knüpft Beziehungen zu Autoren wie Günter Grass und Heinrich Böll. Er wird früh als frischer Nachkriegsschriftsteller gefeiert, der die Gefühle der jungen Generation ausdrücken kann. Mit Romanen wie «Deutschstunde» wird Lenz in den kommenden Jahrzehnten zu einem der erfolgreichsten deutschen Schriftsteller.

Kritik
„Ich wollte Fischer werden, ich wollte Spion werden, ich wollte Admiral werden, und ich bin das alles nicht geworden.“ Mit diesem Zitat beginnt die Dokumentation über Siegfried Lenz, der weder Fischer und Admiral wurde, sondern Schriftsteller. Im Film von Adrian Stangl kommen verdiente Protagonisten des literarischen Betriebs zu Wort, unter anderem Marcel Reich-Ranicki und Günter Grass, aber auch der ehemalige Bundeskanzler Helmut Schmidt. Ihn verbindet als Hanseate eine besondere Beziehung zu Lenz, welcher seine spätere Heimat Hamburg zum Thema diverser Erzählungen und Gedichte machte. Lenz selbst unterstützte Schmidt im politischen Wahlkampf gegen Rainer Barzel.

Die Dokumentation mit dem Untertitel «Schriftsteller und Menschenfreund» fokussiert zunächst nicht auf das literarische Werk von Lenz, sondern auf den Autor hinter den Geschichten: Sie zeichnet – relativ hektisch – den frühen Werdegang des Schriftstellers nach, der zwischen journalistischer Arbeit, unter anderem bei der Tageszeitung „Die Welt“ und dem NWDR, und Autorentätigkeit pendelte. Unverkennbares Alleinstellungsmerkmal dieser Dokumentation ist Lenz selbst, den man für ein Interview gewinnen konnte und der retrospektiv die wichtigen Fixpunkte seiner Entwicklung zum erfolgreichen Schriftsteller kommentiert.

Als Teil der literarischen „Gruppe 47“, welche die schrecklichen Erfahrungen im zweiten Weltkrieg zusammenführte und literarisch zu verarbeiten versuchte, traf Lenz andere junge Schriftsteller wie Günter Grass oder Heinrich Böll. Mit dem Kritiker Reich-Ranicki wurde er schon zuvor bekannt. All diese Beziehungen werden in der Doku angerissen und von den Protagonisten selbst beschrieben – leider fehlt aufgrund der knappen Sendungsdauer eine intensivere Betrachtung der symbiotisch für das schriftstellerische Schaffen aller Parteien fruchtbaren Beziehungen.

Der größte Kritikpunkt des Films liegt also in seiner Kürze: Auf knapp vierzig Minuten wird versucht, den Menschen Lenz und seine Beziehungen zu anderen einflussreichen Autoren näher zu bringen. Leider aber versucht sich die Doku auch auf anderen Feldern, unter anderem in der Betrachtung einzelner Werke wie «Der Mann im Strom». So kommt jedes der angerissenen Themen zu kurz; der Zuschauer fühlt sich permanent in das Thema hineinversetzt, wird aber prompt wieder herausgerissen und mit neuen Entwicklungen konfrontiert. Einige Romane wie «Das Feuerschiff», «Deutschstunde» und ihre Verfilmungen (mit dem ebenfalls zu Wort kommenden Jan Fedder) werden behandelt, andere wichtige(re) literarische Stationen allerdings nicht.

Letztlich wird dem Zuschauer so eine lückenhafte, unausgewogene Dokumentation über den Schriftsteller Siegfried Lenz geliefert, die sich nicht so recht entscheiden kann, welche Themen sie intensiv behandeln soll, sodass letztlich vieles zu kurz kommt. Insgesamt bekommt man also zahlreiche Eindrücke des schriftstellerischen Schaffens, einigen Verfilmungen von Lenz´ Romanen sowie dem Autoren und seinen Beziehungen im literarischen Betrieb. Man wünschte sich, den Machern wäre mehr Zeit zugestanden worden: Denn die zahlreichen Interviews mit Grass, Schmidt, Reich-Ranicki und Lenz selbst gewähren interessante Einsichten.

Besonders zu hervorheben sind auch zahlreiche Passagen, die altes Archivmaterial aus den Nachkriegsjahren (u.a. bei einem Treffen der „Gruppe 47“ oder einer Autogrammstunde zum erfolgreichsten Lenz-Roman «Deutschstunde») zeigen – wahre Filmschätze bekommt der literarisch interessierte Zuschauer hier geliefert. Das Fazit: «Siegfried Lenz – Schriftsteller und Menschenfreund» liefert einen knappen und punktuellen Überblick zum Werk und zum Schriftsteller selbst, das insbesondere als Einführung in die Welt des einflussreichen Lenz verstanden werden kann. Für Kenner sind zwar Archiv-Aufnahmen und die aktuellen Interviews interessant, die gewonnenen Einsichten bleiben aber aufgrund der Formatkürze ärgerlicherweise bruchstückhaft.

arte zeigt die Dokumentation am 13. März um 16.30 Uhr. Der NDR strahlt sie am 17. März um 23.15 Uhr aus.
10.03.2011 14:04 Uhr  •  Jan Schlüter Kurz-URL: qmde.de/48264