Die aktuelle Staffel von «Germany’s Next Topmodel» gleicht sich immer stärker an die erfolgreichen RTL-Castingshows an.
Es war wohl nur eine Frage der Zeit, bis der Erfolg von «Das Supertalent» weitere Opfer fordern würde. Nun hat es auch das ProSieben-Format «Germany’s Next Topmodel» erwischt, denn in der gerade angelaufenen Staffel greifen die Macher noch stärker auf überdramatisierte Entscheidungen, künstlich in die Länge gezogene Pausen und endlose Wiederholungen zurück. Immerzu werden innerhalb einer Sendung die gleichen Szenen gezeigt, bis auch der letzte Dödel verstanden hat, worum es geht.
So wurde am Donnerstagabend unzählige Male der Ausschnitt wiederholt, in der Amelie voreilig anbot, sich eine Glatze schneiden zu lassen. Heidis entsprechender Kommentar „Schnipp, Schnapp“ war innerhalb der zweistündigen Ausgabe ebenfalls häufiger zu sehen als manche Kandidatin. Natürlich niemals, ohne die für RTL-typischen entsättigten Bilder im leichten Sepia-Ton zu verwenden und die verhängnisvollen Sätze mit künstlichem Hall hervorzuheben. Auch Tahnee durfte ihre Geschichte vom Cheerleader-Unfall, bei der sie sich ihre Nase brach, innerhalb weniger Minuten gleich doppelt erzählen, damit es bloß keine Missverständnisse darüber geben konnte.
Neben den auffällig ähnlichen optischen Stilmitteln, hat sich die Modelsuche auch inhaltlich deutlich der Talentshow angenähert. In der ersten Ausgabe mussten die Kandidatinnen nämlich nicht mehr nur möglichst elegant über den Laufsteg stolzieren, sondern auch Tanzszenen, Sketcheinlagen und Jodeleien darbieten. Dieses Männchen machen diente jedoch nicht dazu, ihre Modelfähigkeiten zu demonstrieren, sondern ausschließlich um die Jury zu belustigen. Sicher, solche kleinen Übungen gab es auch in vorherigen Ausgaben, die Beharrlichkeit der Jury und die Auswahl der Aktionen geriet 2011 jedoch deutlich extremer und glich vereinzelt einer öffentlichen Zurschaustellung einiger Kandidaten.
Wie schon ihre Vorgänger lässt auch die sechste Staffel keinen Zweifel daran, wer die eigentliche Attraktion der Show ist. Es sind weder die Gaststars, noch die Jury und erst recht nicht die Kandidatinnen. Sie alle sind lediglich austauschbare Statisten, die von Heidi Klum in ihrer Show gnädig geduldet werden. Daran lassen weder Heidis Aussagen, noch der Schnitt oder die huldigenden Lobhudeleien der Bewerberinnen einen Zweifel. Es ist fast schon niedlich, wie die Möchtegern-Models genau die Frau anhimmeln, die sie am Ende aus der Show schmeißen wird. Sie erinnern dabei an kleine Lämmer, die kurz vor Ostern ihren Schlächter anbeten. Doch auch Heidi Klum ließ bei ihren „Schützlingen“ in der Vergangenheit keinen Zweifel aufkommen, dass sie die Nummer Eins ist. Egal wie konstruiert und extrem die bevorstehenden Aufgaben und Shootings bisher waren, Heidi hatte solche Situationen dank ihrer jahrelangen Erfahrung stets schon einmal erlebt – und immer unter noch härteren Bedingungen.
In der aktuellen Staffel wird ihre herausragende Rolle auch optisch deutlicher als zuvor. Bei den Entscheidungen am Laufsteg sitzt sie in ihrer ganzen Schönheit erhöht auf einer Art Thron samt edlem Schemel, während sich ihre Mitjuroren leicht zurückgesetzt unter ihrem Sitz-Niveau hinter einem Tischchen verstecken müssen. Deutlicher kann man die Hierarchie nicht darstellen. Wen wundert es angesichts dieser Klum’schen Dominanz, dass auch die neuen Juroren äußerst blass wirken und lediglich ihre Rolle darin haben, Heidis Aussagen unkritisch zu bestätigen. Damit ist das Format «Germany’s Next Topmodel» noch abhängiger von seinem Star, als die RTL-Castingshows von Dieter Bohlen. Eine erfolgreiche Fortsetzung ohne sie ist nahezu undenkbar.
Mit der noch stärkeren Fokussierung auf Heidi Klum und einer erheblich stärkeren Konzentration auf Showeinlagen, Streitigkeiten und Doku-Soap-Elemente verliert die Sendung immer stärker ihren eigentlichen Inhalt aus den Augen, nämlich ein talentiertes Model zu finden. Man könnte nun sagen, dass es sich bei der Show wie auch bei «Deutschland sucht den Superstar» oder «Das Supertalent» um ein Unterhaltungsprogramm handelt, bei dem die Show und nicht die anschließende Karriere des Siegers im Zentrum steht. Dies ist zweifellos korrekt, doch führt diese Einstellung offenbar zu einer immer stärkeren Angleichung dieser Formate und damit zu einem nicht mehr unterscheidbaren Einheitsfernsehen.