Die Kritiker: «Wilsberg: Frischfleisch»

Inhalt
Privatdetektiv Georg Wilsberg wird nachts von Kommissarin Anna Springer überraschend in ein Hotel beordert. Der Grund: Ein toter Callboy liegt nackt in Annas Hotelzimmer. Doch sie beteuert ihre Unschuld. Wilsberg weiß nicht, was ihn mehr schockiert, der Tote oder die Tatsache, dass sich Anna für die Nacht einen Gigolo bestellt hat. Gibt es da ein dunkles Geheimnis? Wilsberg gibt ihr zähneknirschend Rückendeckung, um den Mordverdacht und vor allem den drohenden Skandal von ihr abzuwenden. Sie behaupten, ein Zimmer geteilt und den Toten zufällig hinter einer offenen Tür entdeckt zu haben. Als Zeugin wird Anna Springer der Fall entzogen - Overbeck übernimmt das Kommando und fahndet gleich nach der Frau mit dem mysteriösen Decknamen «Alice», die das Zimmer gemietet hat.

Anna bleibt nervös. Wilsberg findet heraus, dass der ermordete Callboy mit dem Künstlernamen «Adam» von der Agentur «Dreamboys» eigentlich der Student Peter Hübner war. Die Agenturchefin ist um ihren Ruf besorgt und will helfen. Die anderen Callboys verbergen aber etwas, da ist sich Wilsberg sicher. Mit Mühe kann er Ekki dazu bringen, in der Agentur als Callboy anzufangen, um Insider-Recherchen anzustellen. Steckt etwa ein eifersüchtiger Ehemann hinter dem Mord?

Darsteller
Leonard Lansink («Ein starkes Team») ist Georg Wilsberg
Oliver Korittke («Das siebte Photo») ist Ekki Talkötter
Lavinia Wilson («Frau Böhm sagt nein») ist Tessa Harderer
Ina Paule Klink («Die Unbeugsamen») ist Alex
Andreas Pietschmann («GSG 9 - Ihr Einsatz ist ihr Leben») ist Ingo Vogt
Bülent Sharif («Status Yo») ist Murat Demir
Rita Russek («Familie ist was Wunderbares») ist Kommissarin Springer
Roland Jankowsky («Die Wache») ist Overbeck

Kritik
Das hat man dann davon, wenn eine öffentlich-rechtliche Fernsehserie sich aufmacht, im kontrovers modernen Gewand zu glänzen: Der neue «Wilsberg: Frischfleisch» thematisiert die Ermordung eines Callboys – und ausgerechnet Anna Springer ist diejenige, die den jungen Liebesdiener mit dem Namen Adam bestellt hat. Eine derartige Thematik sollte im 21. Jahrhundert kein Problem darstellen, aber der Krimi macht daraus ein Politikum. Verschleiern will Springer die ganze Affäre und behauptet mit dem Segen von Kommissar Wilsberg, dass sie beide das Zimmer gemietet und den Toten zufällig entdeckt hätten.

So weit, so gut, doch nachdem Overbeck den Fall übernommen hat, fängt Anna an, die Ermittlungen zu behindern, Beweismaterial zu vernichten und den Kommissar auf eine falsche Fährte zu führen. Gelungen ist die Idee, Ekki als Callboy inkognito in die Agentur einzuschleusen – doch das war‘s dann auch schon mit den positiven Seiten der Handlung: Wilsberg ermittelt in der Zwischenzeit ins Blaue, kontrolliert hier einen Ehemann, überprüft dort die Agentur "Dreamboys", die den Callboy vermittelt hatte. Was er herausfindet, sprengt jeden Rahmen eines wertfreien Umgangs mit dem Thema: Die Callboys der Agentur handeln mit illegalen Potenzmitteln, erpressen wehrlose Frauen und haben vermutlich auch ihren Kollegen getötet. Das Potential des offensichtlich doch recht strittigen Themas bleibt dabei vollkommen ungenutzt und wird lieber hinter Beteuerungen, sexuellen Bedürfnissen und Reue von Anna Springer versteckt.

Das ist schade, denn neben der Schauspielleistung der üblichen Besetzung überzeugt auch die Darstellung der Callboy-Schauspieler Andreas Pietschmann und Bülent Sharif. Spätestens jedoch, als Hugo Egon Balder und Caroline Beil als sexuell offenes Ehepaar ernstgenommen werden wollen, fängt «Wilsberg: Frischfleisch» an, sich selbst zu demontieren. Der Showdown in einer Fabrikhalle ist dann so unpassend wie beliebig, dass sich selbst der geduldigste Zuschauer wünscht, dass sich klassische Krimiserien doch bitte nicht auf heuchlerische Weise die scheinbare Sensation der Prostitution auf den Leib schreiben. Am Ende bleibt Anna Springers kleines Geheimnis natürlich gewahrt und die schöne heile Welt ist wieder hergestellt. Lahmer und wenig spannender Versuch, sich einem Thema anzunähern, durch das sich im 21. Jahrhundert wohl kaum noch jemanden provozieren lässt.

ZDFneo zeigt «WIlsberg: Frischfleisch» am 8. April 2011 um 21:50 Uhr, das ZDF sendet den Krimi am 9. April 2011 um 20:15 Uhr.
08.04.2011 09:48 Uhr  •  Jakob Bokelmann Kurz-URL: qmde.de/48887