Die Kritiker: «Mankells Wallander: Scharfschütze»

Story
Ein treffsicherer Heckenschütze versetzt Ystad in Angst und Schrecken. Zu seinen Opfern zählt ein mutmaßlicher Juwelenräuber. Schlampige Ermittlungen der Malmöer Polizei führten zur Freilassung des Gangsters, weil seine Ex-Freundin Sofia Ahlbäck ihm ein Alibi verschafft hatte. Kommissar Wallander bittet Sofia zur Vernehmung nach Ystad, wo sie mit ihrem Beschützer, dem zwielichtigen Polizisten Björn Holström, erscheint. Vor dem Präsidium schlägt der unbekannte Scharfschütze erneut zu. Sofia wird getötet, Holström entgeht dem Anschlag nur knapp. Gegen Wallanders Befehl verfolgt der junge Kollege Pontus den Killer, der jedoch unerkannt entkommt. Der Kommissar ist erzürnt über die Eigenmächtigkeit des Polizisten und wirft ihm mit schroffen Worten vor, den Beruf verfehlt zu haben. Dieser Meinung ist auch Pontus' Vater Robert, der den verlorenen Sohn zurück in die Kanzlei nach Stockholm holen möchte.

Der erfolgreiche Anwalt will Kommissar Wallander mit einer angedrohten Klage dazu zwingen, Pontus vom Polizeidienst zu suspendieren. Doch Wallander lässt sich nicht einschüchtern. Dafür ändert er seine Meinung über Pontus, der offensichtlich Rückgrat bewiesen hat, sich gegen diesen Vater durchzusetzen. Gemeinsam mit dem jungen Kollegen verfolgt Wallander nun die Spur der illegalen Waffe, die der Scharfschütze auf der Flucht verlor. Dabei stellt sich heraus, dass seine Morde zum Aufnahmeritual in eine mafiaähnliche Organisation gehören. Als Pontus den Polizisten Holström bei dunklen Geschäften mit deren Hintermännern ertappt, befindet er sich längst im Fadenkreuz der Verbrecher.

Darsteller
Krister Henriksson («Dr. Glas») ist Kurt Wallander
Lena Endre («Vergebung») ist Katarina Ahlsell
Stina Ekblad («Det enda Rationella») ist Karin Linder
Mats Bergman («Labyrint») ist Nyberg
Douglas Johansson ist Martinsson
Nina Zanjani («Farsan») ist Isabell
Sverrir Gudnason («Original») ist Pontus
Fredrik Gunnarson («Kommissar Wallander») ist Svartman
Marianne Mörck («Hot Dog») ist Ebba
Reuben Sallmander («Bibliotekstjuven ») ist Björn Holmström
Stefan Sauk («Morden») ist Robert
Örjan Ramberg(«August») ist Bengt Lennartsson
Tom Ljungman («De halvt dolda») ist Hector Ussi

Kritik
Ein Sniper hält Kommissar Wallander auf Trab. Doch ist der Schwede nicht der Erste, der sich mit einem Scharfschützen auseinandersetzen muss. Die Geschichte ist nicht neu, wurde sie doch in vielen Krimi-Filmen schon verfilmt. Dabei gibt es gute wie schlechte Versuche: Zu den besseren Inszenierungen zählen beispielsweise der «Tatort: …es wird Trauer sein und Schmerz», in dem die Hannoveraner LKA-Ermittlerin Lindholm (Furtwängler) sich mit einem Sniper auseinandersetzen muss, oder die Episode «Der Kriminalist: Das Geständnis», bei dem Hauptkommissar Bruno Schumann (Berkel) von einem Scharfschützen überrumpelt wird. Dass das Szenario noch keinen guten Film garantiert, beweist die Episode der Serie «Countdown» mit dem vielsagenden Titel „Sniper“, die mit den Krimi-Vorbilder nicht mithalten kann. Es kommt also auf die Umsetzung der Geschichte an. Regisseurin Agneta Fagerström-Olsson hat in der deutsch-schwedischen Produktion «Mankells Wallander: Scharfschütze» die richtige Mischung gefunden.

Der TV-Krimi, der in dem schwedischen Idyll von Ystadt spielt, lebt vor allem durch den großen Spannungsaufbau. Denn der Film erzählt nicht nur von der Jagd nach dem Scharfschützen, sondern schafft es durch ein gutes Drehbuch einen sehr verschachtelten Fall für Kommissar Wallander daraus zu machen. So kommt eine mafia-ähnliche Organisation mit ins Spiel und ein junger Polizeiaspirant aus dem Team Wallanders gerät selbst ins Visier des Snipers, weshalb er diesen zunächst vom Fall abzieht. Das alles trägt nachhaltig zur Spannung bei, mit der «Mankells Wallander: Scharfschütze» den Zuschauer in seinen Bann ziehen kann.

Hilfreich ist auch die beschaulich wirkende Kulisse in Südschweden, in der der komplexe Fall spielt. Denn das atemberaubende Spektakel findet gerade in dieser so unpassend wirkenden Umgebung statt, so dass sie für den Film schon wieder der perfekte Spielort ist, um eine solch spannungsgeladene Geschichte zu erzählen. Denn in einer Großstadt wäre der Sniper-Fall dann doch zu gewöhnlich gewesen, da man dies schon vielfach in Krimis gesehen. Dahingehend hat «Mankells Wallander: Scharfschütze» einen besonderen Stellenwert für sich gefunden, der dem bekannten Szenario seine Gewöhnlichkeit nimmt. Weiterhin positiv anzumerken sind die vielen Wendungen im Krimi-Film selbst. Das ist typisch für die schwedischen «Wallander»-Filme – genauso wie die persönlichen Geschichten, die sich um die Ermittler selbst drehen. In diesem Fall erzählt man mit viel Menschlichkeit von dem Polizeiaspirant Pontus, der entgegen Wallanders Anweisung auf eigene Faust den Scharfschützen verfolgt und dann den Zorn des Kommissars auf sich zieht.

Erst als die persönlichen Probleme des jungen Polizisten Wallander klar werden und er erkennt, dass Pontus Rückgrat bewiesen, um sich gegen seinen eigenen Vater zu stellen, stellt sich Wallander auf seine Seite. Als die schwedische Kripo dann eine mafia-ähnlichen Organisation auf die Schliche kommt, nimmt der Film eine größere Dimension an. Das gefällt, denn durch die Hintergründe des Sniper-Mords wird der Fall zu einem Nervenkitzel-Fall, der auch den Zuschauer packt. Den so typisch wirkenden Scharfschützen-Mord zu einer großen Sache werden zu lassen, war eine gute Idee gewesen. Dass der Fall zum Schluss eine noch überraschendere Auflösung erfährt, ist wohl die größte Wendung im Drehbuch.

Da gerade das auch ein Merkmal der «Wallander»-Filme ist, schöpft der neuste Krimi der Reihe aus den Vollen. Die Schauspieler um Hauptdarsteller Krister Henriksson spielen ihre Charaktere auf gewohnt hohem Niveau und tragen maßgeblich zum Gelingen des Films bei. Gerade Sverrir Gudnason, der den jungen Polizeianwärter Pontus spielt, wächst in seiner Rolle über sich hinaus - gerade was die zwischenmenschliche Ebene seines Charakters betrifft. Auch die stilsichere Machart des Films ist für «Wallander»-Krimis nicht untypisch. Denn dass von Beginn an viel Spannung aufkommt, die sich mitten in der schwedischen Dorflandschaft abspielt, ist einmalig. Eine nachvollziehbare Handlung mit vielen Wendungen, eine stets vorhandene Grundspannung und im zweiten Teil des Films auch viel Action sorgen für eine gute Mischung. Die Vorlage lieferte erneut ein Bestseller-Roman des schwedischen Autors Henning Mankell, der seine Geschichte um kriminelle Energie und menschliche Schwächen baut. Das zeigt sich gerade bei dem sehr jungen Scharfschützen, dem der schwedische Nachwuchs-Darsteller Tom Ljungman eine sehr authentisch wirkende jugendliche Unbekümmertheit mitgibt. Auch das Drehbuch hat den Konflikt zwischen kriminellem Untergrund und dem menschlichen Zerwürfnis gut aufgenommen, so dass die filmische Inszenierung gelingen konnte.

Doch im Großen und Ganzen hat man vielleicht doch zu viel gewollt. Im mittleren Teil des Films bremsen die persönlichen Nebengeschichten des Polizeiaspiranten Pontus den Handlungsfluss und auch manche Ermittler-Dialoge des nordischen Krimis erscheinen überflüssig. Das sorgt zwischenzeitlich dafür, dass der Film auf der Stelle tritt, bevor der nächste Ermittlungsschritt eingeläutet wird oder die Handlung voranschreitet. Regisseurin Agneta Fagerström-Olsson hätte sich an diesen Stellen mehr auf die Krimi-Story rund die Mafia-Strukturen, die Kriminellen und den zwielichtigen Polizisten konzentrieren sollen als auf die menschlichen Komponenten im Ermittler-Team. Der internationalen Co-Produktion, an der auch ARD Degeto beteiligt ist, gelingt es aber, dass die Spannung nie abnimmt. Qualitativ bleibt «Mankells Wallander» also auf hohem Niveau. Das Ende ist, wie bereits angedeutet, ein genialer Schachzug und so etwas wie das Sahnehäubchen auf einem doch guten Krimi.

Die ARD zeigt «Mankells Wallander: Scharfschütze» am Donnerstag, 21. April 2011, um 22.15 Uhr.
20.04.2011 08:34 Uhr  •  Jürgen Kirsch Kurz-URL: qmde.de/49129