Der Fernsehfriedhof: Rudis Systemabsturz

Quotenmeter.de erinnert an all die Fernsehformate, die längst im Schleier der Vergessenheit untergegangen sind. Folge 134: Die angestaubte Internet-Show der ARD.

Liebe Fernsehgemeinde, heute gedenken wir einer innovativen Idee, die man nicht schlimmer umsetzen konnte.

«Rudis Suchmaschine» wurde am 06. Juni 2000 im Ersten geboren und sollte einen gewagten Schritt in Richtung der Vermischung von Fernsehen und dem zu jener Zeit noch jungen Internet darstellen, denn die Sendung versprach die interessantesten und kuriosesten Highlights des World Wide Webs wöchentlich zu zeigen. Die damals neue Idee hatte durchaus Potential, war doch Stefan Raab mit der Wiederverwertung skurriler Fernsehmomente auf dem Höhepunkt des Erfolgs seiner Sendung «TV Total» angekommen. Warum sollte sich diese Idee nicht auch auf das Internet als Quelle übertragen lassen?

Doch das endgültige Produkt hatte zwei entscheidende Schwachstellen, die es letztlich scheitern ließen. Zum einen nahm sich ausgerechnet das konservative Erste dem Format an und ließ es als zweites Manko von dem seinerzeit 65jährigen Showmaster Rudi Carrell präsentieren, der mit der neuen Technik überfordert schien und mit ihr allzu naiv umging. Offenbar wollte er der Fernsehnation beweisen, dass er trotz seines Alters noch immer hip und trendy ist. Er wirkte dabei jedoch stets wie einer dieser Rentner, die stolz präsentieren, dass sie den Zoom an ihrer neuen Digitalkamera entdeckt haben.

Als Ergebnis entstand daher eher so etwas wie ein ‚Ratgeber: Internet für Senioren’, der die Möglichkeiten des Mediums nicht im Ansatz erfassen konnte. Stattdessen surfte Rudi zu unspannenden Internetseiten, auf denen man zum Beispiel Webcam-Bilder von bekannten Städten abrufen konnte. Das alles war in einer Zeit vor YouTube mehr als mäßig unterhaltsam. Zusätzlich besuchte ihn pro Sendung ein prominenter Gast, der eine besonders witzige oder interessante Homepage hatte. Unter ihnen waren Herbert Feuerstein, Ingolf Lück, Bernd Stelter, Smudo, Dieter Nuhr, Pierre Geisensetter, Michael Mittermeier, Anka Zink, Sepp Maier und sogar Stefan Raab selbst. Doch auch wenn einige der Gäste einen hohen Unterhaltungswert vermuten ließen, dümpelte die Sendung stets vor sich hin.

Erschwerend kam hinzu, dass sich das Erste nicht ausschließlich auf die Zugkraft des Internets verlassen wollte, sodass die Sendung außerdem mit aufgewärmten Sketchen aus Carrells 80er-Comedy-Reihe «Rudis Tagesshow» aufgefüllt wurde. Da es sich dabei um Sketche handeln sollte, die bisher noch nicht wiederholt wurden, blieben angesichts unzähliger Best-Of-Sketch-Sendungen in den dritten Programmen nur die besonders unlustigen Beiträge übrig, die das ohnehin schon zähe Format fast unerträglich machten. Garniert wurde das abstruse Treiben mit erzählten Anekdoten um Wohnwagen und einem typischen, unlustigen Carrell’schen Abschlussgag.

Die halbstündigen Ausgaben durften sich auf dem damaligen traditionellen Unterhaltungssendeplatz am Dienstagabend um 21.05 Uhr ausprobieren und fanden weder beim Publikum noch bei den Kritikern großen Anklang. So wurde aus Rudis Reise durch das Internet ein eher kurzes Intermezzo. Da konnte selbst die quietsch-gelbe Kulisse mit den überdimensionalen Computertasten nicht helfen.

«Rudis Suchmaschine» wurde am 01. August 2000 beerdigt und erreichte ein Alter von zehn Folgen. Die Show hinterließ den Moderator Rudi Carrell, der sich dann bis zu seinem Tod im Jahr 2006 ausschließlich um seine Comedyshow «7 Tage, 7 Köpfe» kümmerte. Die Grundidee seiner Sendung wurde jedoch in den folgenden Jahren immer wieder durch zahlreiche Formate wie «Elton.TV», «Die MyVideo-Show», «Talk, Talk, Talk fun», «superspots - die besten Clips im Umlauf» oder «Clipmania» aufgegriffen. Demnächst wird RTL II unter dem Titel «Klick-Stars» mit Hella von Sinnen einen weiteren Versuch wagen.

Möge die Show in Frieden ruhen!

Die nächste Ausgabe des Fernsehfriedhofs erscheint am kommenden Donnerstag und widmet sich dann der Parodie auf alle gängigen Boulevard-Magazine.
28.04.2011 09:00 Uhr  •  Christian Richter Kurz-URL: qmde.de/49164