Das Serien-Update: «Fringe III.2»

Nach einer furiosen ersten Staffelhälfte hatten die jüngsten Folgen der Mysteryserie mit sichtbaren Budgeteinschnitten und kreativen Schwächen zu kämpfen.

Olivia ist erfolgreich aus dem parallelen Universum geflüchtet, doch in ihrer Heimatwelt hat sich einiges geändert. Die zweite Olivia hat über die vergangenen Wochen und Monate ihren Platz eingenommen und ist eine Beziehung mit Peter eingegangen. Dieser wiederum beginnt sich seltsam radikal zu verhalten nachdem eine mysteriöse uralte Maschine von womöglich unfassbarer Zerstörungskraft, deren Teile aus den Tiefen der Erde gehoben wurden, in seiner Anwesenheit aktiviert wurde. Peter geht nach dem Betrug durch Olivias Doppelgänger auf eigene Faust auf Jagd auf die Formwandler. So entließ uns ProSieben Anfang April in die Sommerpause der Mysteryserie.

Für die US-Zuschauer war im Herbst schon zwei Folgen früher Schluss, mit der Episode "Firefly" ging es erst im Januar weiter, als «Fringe» sich auf einem neuen Sendeplatz am Freitagabend eingewöhnen musste, auf dem Jahre zuvor bereits eine hoch gelobte Sciencefiction-Serie verkümmerte. Ihr Titel: «Firefly». Die Befürchtungen, dass «Fringe» seine Abschiedstournee gibt, waren also berechtigt - erst recht nachdem die Einschaltquoten unter die propagierte Mindestgrenze fielen. Umso überraschender die Nachricht, die bereits einige Wochen vor den Upfronts-Veranstaltungen kam: Fringe wird im Herbst mit 22 neuen Folgen zurückkehren.

Ganz ungetrübt bleibt die Freude nach dem Ende der dritten Staffel aber trotzdem nicht, denn «Fringe» verlor im Januar nicht nur seinen angestammten Sendeplatz und einen großen Teil seines Publikums, sondern nach dem furiosen Spurt der ersten Hälfte auch ordentlich an Fahrt, an kreativem Esprit und leider unübersehbar auch an Budget. Was nicht heißen soll, dass die Serie auf einen Schlag abgestürzt ist. «Fringe» lieferte auch in der zweiten Hälfte der Staffel hervorragende Charaktermomente, eine komplexe und einfallsreiche Mythologie und einige spannende Twists. Aber an die Hochzeit vom Herbst 2010 kam die Serie nicht mehr heran.

Ohne böse Geister beschwören zu wollen, erinnerte vieles an die späten Staffeln von «Lost». «Fringe» riss - wie aber auch früher schon - immer wieder rote Fäden an, nur um anschließend Monate lang kein Wort mehr darüber zu verlieren. Es drosselte das Erzähltempo ohne den entstandenen Raum mit starken Einzelepisoden zu füllen. Bemerkenswert ist auch hohe Maß an Esoterik, das Einzug in die Serie erhielt. Liebe siegt über Physik, Schicksal über den Tod und Walter beginnt sogar, die menschlichen Chakren in seine wissenschaftlichen Überlegungen einzubeziehen. In einer Serie, die sich stets pseudowissenschaftlich orientierte, ist das durchaus gewöhnungsbedürftig.

Ab und an macht es den Eindruck, als wäre den Autoren die Staffel einfach ein halbes Jahr zu lang gewesen. Einige teils recht obskure Nebenschauplätze werden aufgetan und nach wenigen Folgen ohne relevante Entwicklungen wieder beendet. Mehrmals werden Episoden eingeschoben, die den Anschein erwecken, ein wichtiges Stück Mythologie zu sein und dann doch nur marginalste Erkenntnisse einbringen. 22 neue Folgen hat die Serie ab Herbst, für die sich die kreativen Köpfe einiges einfallen lassen müssen. Auch um mit dem Budget hauszuhalten, dessen Mangel ausgerechnet im zweiteiligen Staffelfinale unübersehbar war.



Seit der ersten Staffel kündigte sich der Untergang an - der Zusammenbruch unseres Univserums. Das Staffelfinale der dritten «Fringe»-Staffel gibt einen Ausblick und enttäuscht. Was gezeigt wird, kann einfach nicht packen, nicht mitreißen, keine apokalyptische Stimmung aufwerfen. Und das nicht etwa, weil schlampig gearbeitet wurde. Für einen furiosen Blick auf die Apokalypse fehlt nach Sendeplatzverlegung und Quoteneinstürzen schlicht und ergreifend das Geld. Ein paar Blitze aus dem Standardrepertoire der Effektspezialisten und recyceltes Material von Wassermassen, die in ein Wurmloch herabstürzen sind alles, was man vom totalen Zusammenbruch der physikalischen Gesetze zu sehen bekommt. Überdeutlich ist, dass es am Budget mangelt, das zu Beginn der Staffel noch locker reichte, um ein ganzes zugleich faszinierendes als auch glaubwürdiges paralleles Universum zu kreieren.

Vorwerfen kann man das selbstverständlich niemandem. Doch auch an anderen Stellen zeigen sich ungewohnte Schwächen. Die Plots der zweiten Staffelhälfte sind manchmal ziemlich zerfahren, wirken zuweilen unfertig. Eine unsterbliche Attentäterin stirbt erst als durch ihr Tun vielen Menschen das Leben rettet, da sich nun ihr Schicksal erfüllt hat. Ein Ehepaar überwindet die Grenze zwischen den Universen durch die Kraft ihrer Liebe. William Bells Seele übernimmt den Körper von Olivia. Trotz Dasein als Mysteryserie strapaziert «Fringe» seine Glaubwürdigkeit sehr. Einher geht dies mit kräftigen Logiklöchern, die dem Fortgang der Geschichte wegen offenbar billigend in Kauf genommen werden. Eine Retro-Folge zeigt wie Olivia und Peter als Kinder aufeinandertreffen und wie Olivia eng mit Walter zusammenarbeitet. Szenen, an die sich in der Gegenwart offenbar niemand mehr erinnert. Auch die Herkunft der Maschine, die Walter selbst aus der Zukunft in die Vergangenheit geschickt haben soll, ergibt wenig Sinn und wird von der Serie selbst mit dem Begriff "Paradoxon" abgefrühstückt.

Was der zweiten Hälfte der Staffel fehlt und viele dieser Probleme sicherlich von selbst bereinigt hätte, ist ein klares Ziel, an dem sich die Figuren orientieren können. Doch niemand scheint auch nur eine Idee zu haben, wie man gegen die Bedrohung von der anderen Seite vorgehen kann. Keine Hauptfigur ist daran interessiert, mehr über die "First People" zu erfahren oder die mächtige Maschine genauer zu untersuchen, die die meiste Zeit offenbar einfach nur in einer Halle bei Massive Dynamic herumsteht. «Fringe» stellt diese brennenden Fragen zurück und bringt lieber einen Retro-Gimmick, eine mager ausgespielte Rückkehr William Bells oder eine weitere Observer-Episode, nach der man das Gefühl hat, weniger verstanden zu haben als zuvor. All das könnten großartige «Fringe»-Folgen sein - es mangelt ihnen dazu aber einfach an gefühlter Relevanz.

An Highlights wie sie zu Beginn der Staffel mit dem ungewöhnlichen Roadtrip "Olivia", dem clever geschriebenen "Milo" oder der schaurig-schönen Parabel "Marionette" reichlich vorhanden waren, mangelt es. Am Potential, diese zu wiederholen jedoch nicht. Das Finale der Staffel lässt die Zuschauer mit vielen spannenden Fragen und einer völlig neuen Ausgangssituation zurück. Nicht länger steht die Vernichtung einer Welt auf dem Plan, sondern ihre gemeinsame Rettung. Und was es mit dem Verschwinden Peters auf sich hat, dürfte einigen Fans bis zum Herbst schlaflose Nächte bereiten. Hoffentlich jedoch nicht auch den Autoren der Serie.
18.05.2011 18:46 Uhr  •  Stefan Tewes Kurz-URL: qmde.de/49723