Die Upfronts 2011: Sicherheitsnetze und Experimente

Nach einigen mageren Jahren rüsten sich die Networks für die Zukunft. Während vor allem ABC und NBC mit Qualität und frischen Formaten wieder zurück in den Wettbewerb wollen, wagt CBS aus der Komfortzone hinaus ein geradezu waghalsiges Unterfangen.

Die Saison 2010/11 war einmal mehr keine leichte für die amerikanischen Broadcaster, denn der Abwärtstrend setzte sich auch in diesem Jahr fort. Immer mehr Marktanteile werden an die Kabelsender abgegeben, mit Internet und Festplattenrekordern gewinnen alternative Formen des Fernsehens immer mehr Zulauf. Erstmals seit vielen Jahren nahm die TV-Nutzung in den USA in diesem Jahr ab. Ganz von sich abwälzen können die Networks die Schuld an der Misere aber nicht. Zu mutlos und zu schematisch waren die Neuentwicklungen der letzten Jahre. Der ein oder andere Sender scheint nun aufgewacht und wagt das Risiko.



Diesen Herbst will NBC am Montag wieder groß angreifen und hat deshalb komplett aufgeräumt. Nachdem in der vergangenen Saison TV-Serien, insbesondere «Chase» und «The Event» komplett scheiterten, sollen es mit dem Ende 2010 solide getesteten «The Sing Off» sowie dem jüngsten Hit «The Voice» künftig Castingshows richten. Pikant: Auf ABC läuft zur gleichen Zeit der Showgigant «Dancing with the Stars» - Verluste auf beiden Seiten dürften nicht zu vermeiden sein. Ein besseres Vorprogramm als zuletzt mit «Chuck» bietet NBC seinen beiden Neustarts «The Playboy Club» und «Smash» aber allemal, die zu den hoffnungsvollsten Premieren des Senders zählen dürften.

Aber auch auf den anderen Sendern bleibt der Montag heiß umkämpft. Nachdem CBS mit Ashton Kutcher einen Nachfolger für den entlassenen Charlie Sheen für die Hauptrolle in «Two and a Half Men» gefunden hat, bleibt die Serie an ihrem angestammten Platz. Ein Scheitern des Reboots wird im schlimmsten Falle dadurch abgefedert, dass in diesem Jahr im Anschluss etabliertes Programm läuft. Einzig "Two Broke Girls" ist am Montag neu. Mit zwei der heißesten Newcomer heißt FOX der Konkurrenz vermutlich ordentlich ein: Mit «Terra Nova» startet ein wahrhaftiges Mammutprojekt, im Frühjahr folgt mit «Alcatraz» ein neues übernatürliches Drama aus der Schmiede von J. J. Abrams. Ein unmittelbarer Flop ist in keinem der beiden Fälle zu erwarten, womit das Feld deutlich enger wird, denn im letzten Jahr ließ FOX mit «Lone Star», das eine komplette Bauchlandung hinlegte, viel Raum für die anderen Networks. Außer Konkurrenz wird mit Sicherheit das Programm von The CW laufen, das seinen Veteran «Gossip Girl» mit dem neuen Drama «Hart of Dixie» verstärkt.



Der Dienstag stellt für die meisten Sender das Sicherheitsnetz der Saison dar. Großartige Veränderungen traut sich von den großen Networks keines, die Notwendigkeit besteht aber auch überhaupt nicht. Mit der Kombination aus «The Biggest Loser» und «Parenthood» nimmt NBC drei verlässliche Stunden aus dem sonst arg ramponierten Vorjahresplan mit in die neue Saison. Auf CBS stellen die beiden «NCIS»-Serien ein regelrechtes Leuchtturm-Programm dar, das rechtzeitig zum Herbst angetrieben von den Sommerwiederholungen auf Lokalsendern vermutlich wieder zu Höchstform auflaufen wird. «The Good Wife» musste im Anschluss allerdings seinen Platz räumen, hier läuft mit «Unforgettable» ein Krimi-Neustart, der mehr vom Vorprogramm profitieren soll, sich aber erst einmal als kompatibel erweisen muss.

Auch ABC rührt nicht mehr Programmplätze an als gerade nötig, was wieder einmal zu einem wirren Genremix führt, der im Vorjahr schon «No Ordinary Family» und «Detroit 1-8-7» ruinierte. Dieses Mal beginnt der Abend mit zwei Männer-Sitcoms, gefolgt von einer Tanzshow, gefolgt von einer Krimiserie. Die Chancen, dass dieser Mix nicht aufgeht, stehen hoch und das trotz der TV-Rückkehr von Tim Allen in «Last Man Standing». Keine Abkehr von bewährten Konzepten ist auch bei FOX zu sehen. Genau wie im Vorjahr soll im Fahrwasser von «Glee» eine neue Comedyserie etabliert werden. «Raising Hope», dem das zuletzt gelang, rückt dafür eine halbe Stunde nach hinten. Der einzige Sender, der sein Dienstagsprogramm komplett neu aufgebaut hat ist The CW. Hier leitet das zuletzt beängstigend quotenschwache «90210» die Rückkehr von «Buffy»-Darstellerin Sarah Michelle Gellar in «Ringer» auf die Fernsehschirme ein.



Hat The CW den 20-Uhr-Slot am MIttwoch aufgegeben? Es macht ganz den Anschein, denn mit «H8R» wird hier Reality-Format gesendet, das den Eindruck eines Wegwerf-Formats macht, von denen der Sender zuletzt immer in den Frühlingsmonaten einige hoffnungslos versenkte. Dass man sich mit dem Format mehr Hoffnungen macht als mit Prestige-Objekt «America's Next Topmodel», das um eine Stunde nach hinten wandern muss, ist jedenfalls nicht der Grund für die Programmierung. Es ist das FOX-Programm, das den Sendern Sorgen macht. Nachdem «American Idol» weiterhin im Frühjahr der Konkurrenz das Wasser abgraben wird, hat der Sender mit «The X Factor» nun auch im Herbst einen potentiellen Mega-Hit. Was es für «I Hate My Teenage Daughter» nicht leichter macht, denn die Erwartungen auf dem begehrten Platz nach den Quoten-Blockbustern liegen hoch. Schon einige Serien sind nach «American Idol» trotz überdurchschnittlicher Quoten gescheitert.

Besonders ungemütlich dürfte es für NBC werden. Während CBS mit «Survivor» ein etabliertes Reality-Format mit einer nur sehr langsam schrumpfenden Zuschauerschaft hat und ABC den Abend mit dem grundsoliden «The Middle» eröffnet, beginnt die Primetime auf NBC mit zwei neuen Comedyserien, an deren Quoten man besser gedämpfte Erwartungen haben sollte. Im letzten Jahr erlebte NBC auf diesem Sendeplatz mit J. J. Abrams' «Undercovers» übrigens eine schmerzhafte Bruchlandung. Auch «Harry's Law» muss sich im Anschluss erst einmal die Zuschauer zurückholen, die im Ödland des Montagabends zuletzt verloren gingen. Auf ABC sind die Fragen spezifischer als nach bloßem Erfolg oder Misserfolg. Dass das Grundgerüst des Comedytages mit «Modern Family» im Zentrum weiter funktionieren wird, bezweifelt niemand. Viel interessanter wird hier sein, ob mit «Suburgatory» endlich der letzte Slot im Comedy-Block gefüllt werden kann und ob «Happy Endings» das Vertrauen rechtfertigt, an Stelle von «Cougar Town» den begehrten Platz nach «Modern Family» einzunehmen. Auf CBS werden die Zeiten für «CSI», das einen neuen Sendetag und eine spätere Uhrzeit bekommen hat, nicht leichter, als erfolgreichstes Franchise-Format muss man sich über die Zukunft aber gewiss noch keine Sorgen machen.

Auf der nächsten Seite: Genre-Duelle am Freitag und ein waghalsiges CBS-Experiment.

Nach einigen mageren Jahren rüsten sich die Networks für die Zukunft. Während vor allem ABC und NBC mit Qualität und frischen Formaten wieder zurück in den Wettbewerb wollen, wagt CBS aus der Komfortzone hinaus ein geradezu waghalsiges Unterfangen.



Nur wenige Monate hielt das Experiment eines dreistündigen Comedyblocks, nun wandert mit «Prime Suspect» wieder eine Krimiserie auf die 22-Uhr-Schiene. Die Chancen auf Erfolg stehen gegen das wenig jugendaffine «The Mentalist» und das schwächelnder «Private Practice», das zudem eine komplett andere Zielgruppe anspricht, gar nicht mal schlecht. Von der späten Sendezeit wieder nach vorne gerettet hat sich «Parks and Recreation», das gegen den CBS-Neuling «How to be a Gentleman» antreten muss. Keine leichte Aufgabe, denn während «Parks and Rec» vom zwar kritikerbelobten, aber zuschauerarmen «Community» keine Schützenhilfe erwarten kann, wird die CBS-Serie massiv vom Quotenhit «The Big Bang Theory» profitieren. Viel hängt auch davon ab, wie die Neuauflage von «Charlie's Angels» auf ABC einschlägt. Von Horrorquoten bis zum erfolgreichsten Starter des Jahres ist hier wohl alles möglich.

Gleich drei neue Serien starten im Herbst in der 21-Uhr-Sendeschiene, neue Hits sollte man hier aber nicht erwarten. «Whitney» startet hinter einem durch Steve Carrells Abgang geschwächtem «The Office», «Persons of Interest» als CBS-untypisches Programm muss sich nach einer neuen Comedy beweisen und von CWs «The Secret Circle» sind senderbedingt sowieso keine tollen Zahlen zu erwarten. Letzteres dürfte dank seiner Kompatibiltät zu «The Vampire Diaries» aber zumindest für den Sender zu einem ordentlichen Erfolg werden. Im Frühjahr folgt ebenfalls um 21 Uhr mit «The Finder» eine weitere neue Serie, die keine Wunder vollbringen wird. Das «Bones»-Spinoff wurde von den Fans schon im Backdoor-Piloten eher kritisch beäugt und wird kaum über die soliden, aber nicht herausragenden Quoten des Originals hinauskommen.



Die Freitagabende im Herbst 2011 werden so heiß wie seit Jahren nicht mehr - zumindest was das TV-Programm angeht. Der Tag, der mittlerweile aals Todesslot verschrien ist, wartet mit Ausnahme von ABC mit einem Programm auf, das sich sehen lassen kann. Insbesondere NBC hat sich deutlich spektakulärer aufgestellt als im Vorjahr. Ob die finale Staffel von «Chuck» nun aber dem Glauben an die Serie, dem Wunsch, den Fans einen runden Abschluss zu geben oder doch eher einem profitableren Verkaufs-Deal durch die 13 neuen Folgen zu verdanken ist, mag jeder für sich selbst interpretieren. Bäume ausreißen wird «Chuck» am Freitag nicht. Bei «Grimm» sind alle Optionen offen, denn in Sachen Gerne-Kost am Freitag mangelt es bei NBC an Erfahrungswerten. The CW fuhr die vergangenen Jahr gut damit und auch FOX war im Frühjahr mit den Quoten von «Fringe» zufrieden genug, dass es auf demselben Sendeplatz zurückkehrt. Das wiederum könnte «Grimm» zum Verhängnis werden, denn der kleine, aber harte Kern der «Fringe»-Zuschauer dürfte nicht besonders wechselwillig sein. Aber auch «Fringe»-Fans sollten sich keine überzogenen Hoffnungen machen: Dass die vierte Staffel die letzte bleibt ist die wahrscheinlichste Option.

Tatsächlich ein gutes neues Zuhause könnte der Freitag für «Nikita» werden. Die action-orientierte Serie wandert damit in ein Umfeld, in dem sich mit «Smallville» und weiterhin «Supernatural» schon andere Formate gut präsentierten, die nicht dem typischen CW-Schema von frauenaffinen Soaps entsprachen. Anders sieht es bei CBS' Neuling «A Gifted Man» aus. Die Ärzteserie mit übernatürlichem Twist soll zwar an die früheren Erfolge von «Ghost Whisperer» auf dem 20-Uhr-Slot anknüpfen, dass CBS damit das mit der Absetzung letzteren geschaffene Problem löst, ist aber zweifelhaft.



Quotenmeter.de bildete den Samstags-Sendeplan in den letzten Jahren stets unkommentiert ab, denn der Tag gilt als der TV-Friedhof des US-Fernsehens. Hier laufen Wiederholungen, werden Restepisoden von längst abgebrochenen Totalflops versendet und billige Fließband-Reality gezeigt. Und selbst letztere schnitt FOX gerade erst mit der Reduzierung von «America's Most Wanted» auf wenige Spezialepisoden runter.

Für den Paukenschlag sorgte nun CBS. Mit der neuen Staffel von «Rules of Engagement» werden künftig frische Sitcom-Episoden einer Serie, die zuletzt veritable Quoten einfuhr, am Samstagabend gesendet. Dass das Zuschauerinteresse groß ausfällt ist trotz des kompletten Mangels an ernsthafter Konkurrenz auf den Networks zweifelhaft, aber den Versuch ist es dem Sender offenbar wert. Vielleicht gelingt es tatsächlich einzelnen Networks, den Samstag als lohnenswerte Alternative wieder zu entdecken statt sich am ebenfalls zuschauerarmen Freitag mit schweren Geschützen gegenseitig klein zu halten.



Nachdem der Sonntag auf den letzten Upfronts beinahe unverändert bliebe, haben sich diesen Mai einige Neuerungen für den kommenden Herbst und Frühling ergeben, insbesondere bei ABC, das sich von «Brothers & Sisters» getrennt hat und den Slot nach «Desperate Housewives» nun endlich nutzen kann, um eine neue Serie zu befeuern. Diese Ehre wird mit «Pan Am» einem wahrhaftigen Prestige-Projekt zuteil. Denn das in den 60ern angesiedelte ambitionierte Luftfahrt-Drama scheint sich stark an Marken des Cable TVs zu orientieren und dürfte es auf ABC nicht gerade leicht haben. Im Frühjahr gesellt sich mit dem Thriller «The Firm» ein weiterer Neuling als Konkurrenz dazu, bei dem jedoch sehr fraglich ist, wie kompatibel er sich zu seinem Reality-Vorprogramm zeigt.

Auch um 20 Uhr duellieren sich Neulinge. Anders als in den letzten Jahren schickt FOX in diesem Jahr sowohl im Herbst als auch im Frühjahr jeweils eine neue animierte Sitcom auf Sendung. Der Bedarf, das Zeichentrick-Programm aufzustocken ist dringend, denn «American Dad» schwächelt seit langem und trotz der Verlängerung des erst in diesem Jahr gestarteten «Bob's Burgers» fehlt ein ernstzunehmender Ersatz. Immerhin langfristig dürfte FOX hier mit der angekündigten Neuauflage von «The Flintstones» ein ganz heißes Eisen im Feuer haben.

Viele Serien vermisst der gemeine Serien-Fan mit Sicherheit. Das an «Inception» angelehnte «Awake» und die Horrorserie «The River» werden wie die Abrams-Produktion «Alcatraz» erst zur Midseason im Frühjahr ausgestrahlt. Womöglich haben die Senderverantwortlichen erkannt, wieviele Genre-spezifischen Formate zuletzt über zu lange Winterpausen eingegangen sind.

Trotz all der Bemühungen, das Blatt zu wenden, werden am Ende der Saison vermutlich wieder mehr Verlierer als Gewinner dastehen, was besonders für ABC, NBC und The CW eine herbe Enttäuschung darstellt, da alle drei dringend den ein oder anderen Hit benötigen. Zuzutrauen ist die Kehrtwende am ehesten NBC, das sichere Programmierung geschickt mit interessanten Neustarts verknüpft, während ABC wieder einmal Probleme mit seinem chaotischen Sendeplan bekommen wird. The CW befindet sich indessen ohnehin in einem unausweichlich scheinenden Abwärtstrudel. Während FOX dank «The X Factor» und aufwändigen Neuproduktionen seine Marktführer-Rolle ausbauen sollte, könnte CBS zum großen Verlierer der Saison werden. Der Sender befindet sich zwar in einer Komfort-Rolle, konnte dieses Mal aber keine Hit-verdächtigen Formate präsentieren. Das kann beim sehr alterungsanfälligen Programm schnell problematisch werden.
21.05.2011 08:00 Uhr  •  Stefan Tewes Kurz-URL: qmde.de/49773