Serien-Update: «The Mentalist»

Die US-Krimiserie hatte das schockierendste Staffelfinale der diesjährigen TV-Saison.

Mit der Episode „Harte Zahlen“ verabschiedete Sat.1 seinen Krimihit «The Mentalist» am vergangenen Sonntag in die Sommerpause. Fans müssen nun warten, was es mit der internen Untersuchung nach dem feurigen Tod eines Polizistenmörders auf sich hat, und ob Patrick Janes persönlicher Erzfeind, Serienmörder und Mysteryperson Red John, einen Maulwurf in der CBI hat, um die Agenten und ihren intelligenten und immer undurchschaubaren Berater in Schach zu halten. Die erste Hälfte der dritten Staffel bereitete all die Geschichten vor, welche in der zweiten Hälfte der Staffel die Charaktere auf Trab halten. Und dank der Einführung des Ermittlers J.J. LaRoche schafften es die Autoren sogar, die Red-John-Thematik mehr als nur im Durchschnitt alle zwei Episoden anzusprechen: nämlich die Thematik in einen Subplot unterzubringen und weiterzuentwickeln.

Das ist der Grund, warum die dritte Staffel letzten Endes mehr punkten kann als ihre Vorgänger. Obwohl der Fokus natürlich auf die Mordfälle der Woche gelegt wird, gelingt es den Autoren die zweite Staffelhälfte wichtiger und serieller erscheinen zu lassen. Zwar wird sich nur eine der zehn folgenden Einstünder großzügig mit Red John und seinen teuflischen Plänen beschäftigen, jedoch ist die Ermittlung innerhalb der CBI und eben jene Resultate von LaRoche immer im Hinterkopf der Autoren und Zuschauer. Und bevor das zweistündige Staffelfinale, welches wortwörtlich alles auf den Kopf stellt, über die Bildschirme flimmert, haben die Zuschauer sich schon genügend Gedanken darüber gemacht, wer der Maulwurf ist – und werden mit ihren Verdächtigungen höchstwahrscheinlich goldrichtig liegen.

Und wie in den ersten beiden Staffeln gelingt es den Autoren meistens nicht, Überraschungen in die Episoden einzubauen. Es ist üblich, dass der Mörder der Gaststar mit dem bekanntesten Namen in den Credits ist; und es ist ganz normal, wenn die standardisierten Ablenkungsmanöver innerhalb der Episoden immer die Hälfte der Sendezeit einnehmen und damit wertvolle Minuten gestohlen werden, die für Charakterentwicklungen benutzt werden können. Doch hin und wieder gibt es eine Episode, in denen diese Schwachpunkte, symptomatisch für alle CBS-Krimiserien, nicht existieren – was zu einer für «The Mentalist»-Standards außerordentlichen Episode führt. Dass solche Episoden eine Seltenheit sind, ist allerdings kein großes Geheimnis, doch zumindest für den ersten Teil der vierten Staffel sollten die Autoren sich Gedanken machen müssen, was man aus dem Game-Changer am Ende der dritten Staffel macht.

Das ist auch die einzige Frage, welche zur Zeit die US-Fans beschäftigt. «The Mentalist» ist fraglos eine der erfolgreichsten Serien im US-Fernsehen und hat noch eine lange Laufzeit vor sich. Sollte allerdings die gerade gestellte Frage mit einem unzufriedenen Ergebnis beantwortet werden, könnten die Autoren, besonders Serienerfinder Bruno Heller, vor einer Herde von Fans stehen, welche der Serie den Rücken zukehren werden. Nun kommt es auf ein wenig Feingefühl an, und inwiefern das wohl schockierendste Staffelfinale der in dieser Woche endenden US-TV-Season die Charaktere verändern wird.



Gemeint ist damit, ob am Staffelende die Enthüllung von Red John kein weiteres Ablenkungsmanöver war, sondern wirklich der große Wandel der Serie, welchen Heller und Simon Baker in den Wochen vor dem Finale angekündigt hatten. Die Angst ist bei den Serienfans berechtigt: Oft genug hat das US-Fernsehen bewiesen, dass ursprüngliche Cliffhanger nichts mehr wert sind, wenn Autoren plötzlich eine noch bessere und aufregendere Idee kommt («Fringe»); oder wenn der groß angelegte Cliffhanger nichts anderes war als eine einminütige Situationsgefahr für alle anwesenden Charaktere («Stargate Universe»); oder ob der Cliffhanger nur ein Cliffhanger war, weil die Episode einen Cliffhanger nach Definition brauchte, um die Zuschauer zur Rückkehr zu verführen («Dr. House»). Im Falle von «The Mentalist»: War Red John tatsächlich Red John, oder ist auch dieser nur ein Lakai des durchsichtigen Networks um den Serienkiller gewesen, nur damit Patrick Jane in der Lage war, seine Rache durchführen zu können, um in Staffel vier dann mit einem noch größeren Schocker aufwarten zu können?

Bis dahin hat es die Staffel jedoch geschafft, eine solide Geschichte um den Maulwurf herum aufzubauen. Mit LaRoche hat man nicht nur einen internen Ermittler gefunden, sondern auch einen potenziellen Gegenspieler für Lisbon und ihr CBI-Team. Am Ende kam er zwar erwarteterweise als möglicher Maulwurf in Frage, doch die Autoren haben die Fans nicht im Stich gelassen und sorgten dafür, dass vor allem die treuen Rigsby/Van Pelt-Anhänger in Staffel vier wieder auf eine Liebesgeschichte hoffen dürfen. Allerdings haben die Autoren nichts mit Hightowers Situation anfangen können. War die Bedrohung mit der CBI-Chefin als potenzielle Mörderin noch interessant gewesen (trotz der Frage, wie solch ein Twist innerhalb einer Episode mit Logik und Gewissen aufgebaut werden konnte), war sie letzten Endes nichts anderes als die Frau im Hintergrund, die von gar nichts weiß und trotzdem von Red John des Todes auserkoren wurde.

Unglücklicherweise entwickeln sich die Charaktere überhaupt nicht weiter. Aus der Romanze zwischen dem FBI-Agent Craig O'Laughlin und Grace Van Pelt hätten die Autoren einiges machen können, doch ist außer einer Liebeserklärung von Rigsby an Van Pelt nichts dabei herausgekommen – neben der Tatsache, dass Van Pelt ihr Liebesleben umdenken muss, nachdem sie zum zweiten Mal einen Killer als Liebespartner hatte. Zusätzlich gibt es keinen Grund zu glauben, dass Lisbon und Jane sich eventuell im späteren Verlauf der Serie näherkommen werden. Es gibt zwar immer wieder subtile Momente, in welchem die Autoren genau diesen Gedanken aus den Zuschauern herbeizaubern, doch gibt es in darauffolgenden Lisbon/Jane-Momenten kein Anzeichen dafür, dass sich ihr Arbeitsverhältnis soeben vertieft hat.

Zum Schluss nun eine kleine Checkliste. Vorhersehbare Fälle der Woche: check. Die obligatorischen drei zentrierten Red-John-Episoden pro Staffel: check. Das übliche Rigsby/Van Pelt-Beziehungsdrama: check. Eine in jeder Episode von Jane genervte Lisbon: check. Maximal eine Szene in der Staffel, in welcher Kimball Cho lächeln darf: check, plus eine Extraszene für die Fans. Bruno Heller und sein Autorenteam greifen also wieder auf Altbewährtes zurück und sorgen dafür, dass «The Mentalist» zwar manchmal langweilig sein, aber doch immer wieder Spaß machen kann. Am Ende ist die Serie nicht dazu da, die CBI auf der Jagd nach einem Serienkiller und seine Organisation von Helfern zu begleiten, sondern Patrick Jane zuzusehen, wie er mit einem Lächeln auf seinem Gesicht und einer Tasse Tee in seiner Hand einen Mordfall löst.
25.05.2011 11:30 Uhr  •  Christian Wischofsky Kurz-URL: qmde.de/49846