«Schlüter sieht's»: Öffis gegen Private
Wie viel Quote verloren die Öffentlich-Rechtlichen in den letzten Jahren gegenüber den Privaten? Eine Analyse...
Ist der gern diskutierte Relevanzverlust der öffentlich-rechtlichen Sender eigentlich nur ein Irrglaube oder kann die oft beschriene Banalisierung des Fernsehens hin zum reinen Unterhaltungsmedium auch durch Fakten untermauert werden? Angesichts des Quoten-Triumphzugs von RTL, das in der abgelaufenen TV-Season mit 19,2 Prozent Marktanteil beim jungen Publikum noch einmal gegenüber dem Vorjahr deutlich zulegen konnte, erscheint eine faktische Analyse der Durchschnittsquoten sinnvoll. Abseits all der Pressemeldungen und Medienberichte, die gern allzu oberflächlich die vergangenen Monate in Zahlen ausdrücken, soll hier ein Blick auf das ganzheitliche Bild des dualen Fernsehsystems in Deutschland geworfen werden: Wie schlagen sich die Öffentlich-Rechtlichen im Vergleich zu den Privaten?
Folgend werden die Fernsehjahres-Marktanteile der Sender(gruppen) beim Gesamtpublikum ab drei Jahren betrachtet, das heißt nur die Zahlen der relevanten Monate von September bis einschließlich Mai des folgenden Jahres. Dies geschieht vor dem Hintergrund, dass an Sommermonaten traditionell weniger Menschen fernsehen und meist kein aktuelles Programm, sondern nur Wiederholungen gezeigt werden. Zudem schönen die Öffentlich-Rechtlichen in den Jahresstatistiken gern ihre Marktanteile durch die im Sommer stattfindenden Sport-Großereignisse wie die Fußball-WM, die einen einheitlichen Vergleich verfälschen würden. Daher werden die Monate Juni, Juli und August aus der Betrachtung herausgelassen. Unter dem Titel „Öffentlich-Rechtliche“ werden die Programme Das Erste, ZDF, alle Dritten, arte, Phoenix und der Ki.Ka zusammengefasst – so macht es auch das jährlich erscheinende ARD-Jahrbuch.
Demnach konnten die öffentlich-rechtlichen TV-Sender zusammengenommen bis zum Fernsehjahr 2008/09 immer mindestens 43 Prozent Marktanteil beim Gesamtpublikum erzielen. 2005/06 waren es beispielsweise 43,8 Prozent, ein Jahr später 43,7 Prozent. Der minimale, aber vorhandene kontinuierliche Abwärtstrend zeigte sich schon hier: In den Jahren 2007/08 und 2008/09 wurden noch 43,3 Prozent gemessen. Im Jahr 2009/10 verloren die Öffentlich-Rechtlichen einen ganzen Prozentpunkt: „Nur“ noch 42,3 Prozent konnten die insgesamt 13 Sender auf sich verbuchen.
In diesem Jahr, in dem RTL seine Marktführerschaft beim Gesamtpublikum ab drei Jahren deutlich ausbauen konnte, mussten die GEZ-finanzierten Programme erneut deutlich Federn lassen: 2010/11 brachte nur noch 41,8 Prozent Marktanteil. Damit verlieren diese Sender im zweiten Jahr in Folge signifikante Marktanteile. Im Gegenzug steigen natürlich die Werte der Privaten: Kamen sie vor fünf Jahren summiert noch auf einen Marktanteil von 56,2 Prozent, so waren es im abgelaufenen TV-Jahr genau zwei Punkte mehr.
Daraus wird ersichtlich, dass der berüchtigte Zuschauerschwund im öffentlich-rechtlichen Fernsehen nicht nur bei den Jüngeren zwischen 14 und 49 Jahren vorhanden ist, sondern auch beim Gesamtpublikum. Einen Teil der Zuschauerwanderungen kann gewiss RTL für sich verbuchen: Einen solch guten Marktanteil wie in diesem Jahr hatte man zuletzt 2002/03. Doch damals hatten auch die öffentlich-rechtlichen Programme noch deutlich mehr Zuschauer, obwohl RTL damals dominant war.
Der Relevanz- und Quotenverlust ist besonders stark beim Ersten und dem ZDF festzustellen, wo die Marktanteile seit vielen Jahren stetig schrumpfen. 2001/02 hatten die Sender zusammengenommen 28,1 Prozent Marktanteil – nach einem fast kontinuierlichen Fall stehen die beiden Programme nun bei 24,8 Prozent. Die Schwäche der Öffentlich-Rechtlichen liegt explizit nicht an den Kulturprogrammen arte, 3sat, dem Kinderprogramm Ki.Ka oder dem Nachrichtensender Phoenix: Alle vier konnten in den vergangenen Jahren zulegen oder (im Falle von 3sat) zumindest die bisherigen Zahlen halten. Kumuliert erreichten sie vor fünf Jahren noch 3,2 und 2009/10 immerhin schon 3,9 Prozent.
Der langfristige Quotenschwund ist also größtenteils auf Das Erste und auf das ZDF zurückzuführen. Möglicherweise nur kurzfristig gestaltet sich die Schwäche der dritten Programme, die sonst verlässlich mindestens 13 Prozent Marktanteil erzielen konnten und teilweise zusammengenommen das erfolgreichste Programm im Fernsehen waren. In der abgelaufenen TV-Saison fiel man deutlich unter diese magische Marke und erreichte nur noch 12,7 Prozent. Im April und Mai wurden gar nur noch 12,0 Prozent gemessen. Dies macht eines deutlich: Wenn die Dritten durch die Bank an Zuschauern verlieren (wie dies beispielsweise schon im vergangenen Jahr der Fall war), dann wird auch daran der Relevanzverlust des öffentlich-rechtlichen Systems in Deutschland deutlich.
Jan Schlüters Branchenkommentar beleuchtet das TV-Business von einer etwas anderen Seite und gibt neue Denkanstöße, um die Fernsehwelt ein wenig klarer zu sehen. Eine neue Ausgabe gibt es jeden Donnerstag nur auf Quotenmeter.de.