Die Kritiker: «Tatort: Nasse Sachen»

Story
Auf offener Straße wird die Leiche des Gebrauchtwagenhändlers Jannis Kerides nachts in einem Leipziger Industriegebiet gefunden, die aus einem fahrenden Auto geworfen wurde. Für die Hauptkommissare Eva Saalfeld und Andreas Keppler deutet alles auf eine Auseinandersetzung unter kriminellen Autoschiebern hin. Als die Kommissare jedoch Kerides' Werkstatt unter die Lupe nehmen wollen, fühlt sich Eva Saalfeld von dessen deutschem Geschäftspartner Georg Hantschel bedroht und verletzt ihn durch einen Schuss schwer. Eva Saalfeld macht sich Vorwürfe, zumal bei den anschließenden Untersuchungen Hantschels Waffe nicht gefunden wird.

Am Tag darauf wird ein Angestellter von Kerides, der 65-jährige Walter Rimbach, in seiner Wohnung erschlagen aufgefunden. Die Kommissare können klären, dass Rimbach der Mörder von Kerides war. Sie fragen sich aber, ob es hier tatsächlich um das Geschäft mit Gebrauchtwagen ging oder ob hinter diesen Verbrechen andere, familiäre Motive stecken. Sowohl die hoch verschuldete Tochter des ermordeten Rimbach, Karla, hätte Gründe für die Tat, als auch Thomas Kramm, der Rimbach kurz zuvor in seiner Werkstatt bedroht hatte, weil er ihn für das mysteriöse Verschwinden seines Vaters im Jahr 1983 verantwortlich macht.

In den Kopien der Stasi-Unterlagen, die Eva Saalfeld bei Kramm sicherstellt, findet sie zu ihrer Überraschung auch den Namen Horst Saalfeld. Die Kommissarin erfährt zum ersten Mal Einzelheiten über den Tod ihres Vaters, der 1983 in Ausübung seines Dienstes auf tragische Weise ums Leben kam. Ihre weiteren Ermittlungen bringen sie in Konflikt mit ihrer schon abgeschlossen geglaubten Vergangenheit.

Darsteller
Simone Thomalla («Aschenputtel») ist Hauptkommissarin Eva Saalfeld
Martin Wuttke («Inglourious Basterds») ist Hauptkommissar Andreas Keppler
Claudia Michelsen («Flemming») ist Karla Rimbach
Günter Junghans («Polizeiruf 110») ist Herbert Bahrig
Uwe Preuss («Kehrtwende») ist Georg Hantschel
Jörg Hartmann («Weissensee») ist Thomas Kramm
Peter Benedict («Wer wenn nicht wir») ist Staatsanwalt Dieckmann
Stephanie Schönfeld («Alpha 0.7 – Der Feind in dir») ist Dr. Jasmin Zinner
Maxim Mehmet («Unter Nachbarn») ist Kriminaltechniker Menzel
Swetlana Schönfeld («Tatort») ist Inge Saalfeld

Kritik
Seit jeher waren die Ermittler Saalfeld und Keppler im «Tatort» aus Leipzig ein ungleiches Paar. Doch zum ersten Mal halten sie zu Beginn des neuen Krimi-Films zusammen. Nämlich als Eva Saalfeld den Verdächtigen aus Angst anschießt und dabei schwer verletzt. Sie macht sich Vorwürfe und Kollege Keppler, der sonst auch gerne mal auf eigene Faust ermittelt, versucht sie aufzumuntern und steht ihr zur Seite, als die Waffe des Verdächtigen, mit der er Saalfeld bedroht haben soll, nicht gefunden wird. Doch zum Glück hat man auch die humorige Seite an dem Duo Saalfeld/Keppler nicht vergessen: Im kalten Leipzig friert sich Keppler einen ab, bekommt später gar noch eine Rettungsjacke geliehen. Als er zu Saalfeld schreitet, glaubt diese, dass er für sie die Jacke mitgebracht habe und hängt sie sich über. Keppler steht verdutzt wieder im Dunkeln. Leider sind solche Szenen in der «Tatort»-Folge „Nasse Sachen“ sehr rar gesät, sind sie doch sonst immer die erfrischenden Momente des Leipziger Tatorts.

Für die Figur der Eva Saalfeld und Schauspielerin Simone Thomalla wartet in «Tatort: Nasse Sache» jedoch eine weitere neue Herausforderung. Sie wird kalt erwischt, als sie in alten Stasi-Unterlagen wühlt und in den Akten auf den Namen ihres Vaters stößt, der auf tragische Weise ums Leben kam. Die Vergangenheit holt die Ermittlerin wieder ein, hatte sie doch geglaubt diese längst hinter sich gelassen zu haben. Und das zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt, denn gerade hat sie einen Verdächtigen angeschossen, der bewaffnet gewesen war. Seine Waffe wurde aber nicht gefunden. Noch dazu steckt Saalfeld mit den Ermittlungen in zwei Mordfällen, die etwas miteinander zu tun haben, bis über beide Ohren in Arbeit. Ein wahrlich schlechter Zeitpunkt, kommt hier doch sehr viel zusammen. Zuviel! Denn das Drehbuch in «Tatort: Nasse Sachen» will hier schlichtweg zuviel. Autor Andreas Knaup kommt daher nicht um wüste Verstrickungen und Verschachtelungen in seiner Story herum, was gewisse Irrungen und Wirrungen beim Zuschauer auslösen könnte. Beginnt der Fall im «Tatort: Nasse Sachen» recht einfach und typisch für die Krimi-Reihe, so will man im Verlauf des Films immer mehr und es entwickelt sich eine Dramatik, die eine wesentliche Rolle spielt und sich von anderen Krimi-Filmen unterscheidet – im Positiven. Denn je verzwickter die Situation ist, desto spannender wird der Krimi-Streifen. Nach gut einem Drittel nimmt der Film von Regisseur Johannes Grieser richtig Fahrt auf und bringt geballte Emotionen mit ins Spiel, die sich direkt spürbar auf das Ermittler-Team übertragen. Das sorgt für Nervenkitzel.

In Teilen wirkt es aber dann doch sehr bemüht, gerade den Kontext zu den Mordfällen und der privaten Geschichte um Ermittlerin Saalfeld zu wahren und die beiden Geschichten miteinander zu verbinden. Das hält sich aber noch insofern in der Waage, dass die Drehbuch-Lösung nachvollziehbar ist. Erfreulich ist selbstverständlich, dass man sich auf keinen 08/15-Krimifall beschränkt hat, sondern den Mut zu mehr hatte. «Tatort: Nasse Sachen» ist ein sehr komplexer Krimi-Film, der durch seine Tragweite und die stets vorhandene Spannung zu überzeugen weiß. Was bleibt ist die veränderte Biografie der Figur von Eva Saalfeld, die Simone Thomalla souverän spielt, und eine gute Inszenierung, die ein Spiel mit dem Unbekannten treibt und erst zum Schluss die Katze aus dem Sack lässt. Johannes Grieser hat hier eine gute Spannungsformel gefunden und bietet nach einem Drittel des Films gute Krimi-Unterhaltung.

Die ARD zeigt den «Tatort: Nasse Sachen» am Pfingstmontag, 13. Juni 2011, um 20.15 Uhr.
12.06.2011 08:00 Uhr  •  Jürgen Kirsch Kurz-URL: qmde.de/50152