Nach 4053 Folgen: «Marienhof» sagt leise Servus

In Geiselgastieg, wo die Soap seit den 90ern gedreht wurde, steht die Produktion schon seit Monaten still. Bei den Beteiligten ist die Daily fast schon aus dem Gedächtnis verschwunden.

Das hat es in der deutschen Fernsehgeschichte auch noch nie gegeben: Nach 4053 Folgen verabschiedet sich mit dem «Marienhof» eine Daily-Soap der ersten Stunde. Wenn Dailys auf dem TV-Friedhof beerdigt wurden, dann hatten sie meist nicht lange überlebt. Nun gesellt sich ein ganz großer Name zu Seifenopern wie «Geliebte Schwestern» oder «Mallorca». Der Grund ist der immer gleiche: Die Quoten waren zuletzt zu schwach. Gefallen ist die Entscheidung schon im Dezember 2010 – in den Monaten zuvor wurde heftig gerungen, wirklich überraschend kam das Ende der Soap nicht.

Vom eigentlichen Quotenziel, 10 Prozent plus X bei den 14- bis 49-Järhigen, ist die Produktion ein gutes Stück entfernt – kein einziges Mal wurde es in jüngerer Vergangenheit erreicht. Die Serie unterliegt heftigen Schwankungen – teilweise schauen nur noch fünf Prozent der Umworbenen zu, gegen Ende der Serie waren es jetzt aber auch schon deutlich über acht Prozent. Alles in allem: Aus Sicht der Zuschauerzahlen ist das Ende durchaus gerechtfertigt.

„«Marienhof» ist familiär, ohne verstaubt zu sein, und alltagsnah, ohne zu langweilen – Tag für Tag sind mehr als drei Millionen, vorwiegend junge Zuschauer in dem Kölner Stadtviertel zu Gast. Die Geschichten im «Marienhof» sind vom Leben abgeschrieben, Glaubwürdigkeit ist ihre größte Stärke. Dieses Stück moderner Fernsehheimat werden wir dem Publikum so lange, wie gewünscht, bewahren“, sagte einst Programmdirektor Struve, der seinen Posten 2008 räumte. Sein Nachfolger Volker Herres war es nun, der einen Umbau des Vorabendprogramms beschloss. Von den Top-Quoten der 90er, als der «Marienhof» an der 20 Prozent-Marke kratzte, war das Format immerhin schon deutlich entfernt.

Woran es letztlich lag, dass auch zahlreiche konzeptionelle Änderungen nichts mehr halfen – darüber wurde schon vor Monaten viel spekuliert. Vielleicht ist es manchmal einfach so, dass Marken als nicht mehr attraktiv gelten, egal was die Macher nun wirklich daran ändern. Vielleicht wurde genau dieses Image der Serie zum Verhängnis. Letztlich ist es nun aber müßig darüber zu sprechen. Sprechen wollte übrigens auch kein an der Produktion Beteiligter zur Ausstrahlung der letzten Folge. Der «Marienhof» sei schon zu weit weg, hieß es aus der Pressestelle.

Die 4053. und somit letzte Episode der Soap wurde nämlich bereits Mitte Februar produziert – also vor fast genau vier Monaten. Nicht zuletzt wegen der Fukushima-Katastrophe entfielen viele Episoden in der jüngeren Vergangenheit, sodass sich das letztliche Ende der Serie nochmals um wenige Wochen nach hinten verschob. Aufgefallen waren die Macher, allen voran der 2008 ins Boot geholte neue Produzent Simon Müller-Elmau, durch die erfrischend selbstkritische Art. In einem Interview mit Quotenmeter.de sagte er: „Allerdings haben wir es bislang nicht ausreichend verstanden, das für den «Marienhof»-Zuschauer unabdingbare sogenannte „«Marienhof»-Feeling“, welches in den vergangenen Jahren verloren ging, wieder herzustellen. Eine Serie mit einer so langen – nämlich fast 18-jährigen – Geschichte hat ihre eigenen Gesetze.“

Müller-Elmau war es, der 2009 noch einmal zum Frontalangriff ansetzte und in einem großen Knall die gesamten Außenkulissen der Serie zum Einsturz brachte. Mit der optischen Überarbeitung der Serie ging auch eine inhaltliche Anpassung vor. „Der Relaunch 2009 hatte die Funktion, das Erscheinungsbild des «Marienhof» zu modernisieren und die Geschichten verständlicher und nachvollziehbarer zu gestalten. In punkto Erscheinungsbild hat der Relaunch sehr gut funktioniert. Eine moderne Bildsprache und Look, sowie neue Techniken und Sets haben den «Marienhof» in kürzester Zeit ins heute katapultiert,“ erklärte er damals. Man merkt also: Schon damals drängte die Zeit. Dass man sich wieder mehr auf die Familien im «Marienhof» konzentrieren wolle – und somit wieder dichter am Kern des Formats ankam – kam aber entweder zu spät oder war ebenfalls nicht der richtige Weg.

Zum Ende der Serie wird nun noch einmal Nostalgisches veröffentlicht: Eine DVD mit den Anfängen der Soap ebenso wie eine CD mit den besten Hits aus mehr als 18 Jahren «Marienhof». In der Soap selbst wird sich – so scheint es zumindest – noch alles zum Guten drehen. Momentan bangen alle Darsteller noch um das Leben von Dino, bei dessen OP plötzlich Komplikationen auftraten. Inge (Foto), Figur der ersten Stunde und zuletzt nicht mehr so häufig zu sehen, wird sogar ein Millionengewinn zu Teil, der alle ihre Sorgen wohl für immer begraben wird.

Sorgen hatte nach der Einstellung im Februar natürlich auch das rund 100-köpfige Produktionsteam. Für die Darsteller war es dabei noch recht einfach, irgendwo neu unterzukommen. Hendrik Borgmann beispielsweise wechselte vom «Marienhof» recht nahtlos zur Sat.1-Daily «Hand aufs Herz», wo er on Air seit Mai als Musikproduzent Frank Peters zu sehen ist. Rund 25 der 75 Mitarbeiter der Soap konnten, so erklärte ein Sprecher der Produktionsfirma Bavaria Film, inzwischen in anderen Produktionen untergebracht werden – hier half vor allem die neue ZDF-Daily «Herzflimmern».

In Geiselgasteig drehte sich die Welt auch nach dem Ende weiter: Innerhalb von nur wenigen Tagen wurde das komplette «Marienhof»-Set abgebaut, Requisiten und Kostüme konnten teilweise von den Fans ersteigert werden. Das Studio 4/5 wird derzeit noch modernisiert – und wird in wenigen Wochen wieder genutzt werden. Wie die Produktionsfirma bestätigte, wird die Telenovela «Sturm der Liebe» dort ihr neues Zuhause finden. Der Umzug soll am 25. Juli stattfinden – um diese Zeit stehen bei der täglichen Serie ohnehin gerade die Sommerferien an.

Mit dem Umzug in das neue Studio geht auch die Umstellung des Produktionsworkflows von tapeless SD auf tapeless HD einher. On Air zu sehen sein werden die Neuerungen Anfang Oktober. Dann wird man auch eine erste Frage schon beantworten können: Hat sich das Ende von «Marienhof» auch positiv auf die Quoten ausgewirkt? Ab Donnerstag läuft «Verbotene Liebe» dann 50 Minuten lang, ab kommender Woche zusätzlich mit neuem Erzählstrang auf Mallorca. Ob das das Allheilmittel ist? Zweifel sind angesichts der ebenfalls zurückgegangenen Quoten von «Verbotene Liebe» sicherlich nicht gänzlich unberechtigt.
15.06.2011 09:05 Uhr  •  Manuel Weis Kurz-URL: qmde.de/50203