Die Kritiker: «Ein starkes Team: Am Abgrund»

Ein Mord ohne Leiche fordert Kommissar Otto Garber heraus, der bei den Ermittlungen auf seine Jugendliebe trifft.

Story
Ein Mordfall ohne Leiche: Von Helmut Kaupp, dem Chefeinkäufer der Papierfabrik Zoche, ist kaum etwas übrig. Der Täter hat ihn in ein Becken geworfen, in dem normalerweise Holz, Altpapier und Zellstoff zerkleinert wird. In der Trockenmasse finden sich Kaupps Spuren – ein grauenvoller Mord ist hier geschehen. «Das starke Team», Otto und Verena, ermittelt in der Fabrik. Es stellt sich zunächst heraus, dass bei Firmenchef Zoche vor kurzem eingebrochen wurde. Das Team versucht gerade herauszufinden, ob der Einbruch im Zusammenhang mit dem Mord steht, als Zoche entführt wird. Dann überschlagen sich die Ereignisse: Zoches Frau Verena hebt bei einer Privatbank 3,5 Millionen Euro Lösegeld ab. Otto und Verena beschatten sie bei der Übergabe. Doch als sie die Scheune betreten, in der der Entführer wartete, ist der bereits mit dem Geld verschwunden. Wo Zoche festgehalten wird, wissen sie immer noch nicht.

Von Sputnik, der sich als Schuldenberater selbstständig gemacht hat, erhält das Team einen wertvollen Hinweis: Roland Franke, ein Zulieferer der Papierfabrik, wollte sich von Zoche und Kaupp Schmiergelder zurückholen. Er gesteht, deshalb bei Zoche eingebrochen zu sein. Zoches früherer Buchhalter Pauly behauptet unterdessen, Zoche und seine rechte Hand Rehnus hätten betrügerische Geschäfte geplant. Pauly hält es für möglich, dass Kaupp die beiden verraten wollte und deshalb sterben musste. Wie die Ermittler später herausfinden, war die Firma insolvent. Verena vermutet daraufhin, dass Zoche die Entführung möglicherweise nur vorgetäuscht hat, um sich mit dem Geld abzusetzen. Bald darauf wird aber auch er tot aufgefunden. Jetzt rückt Zoches Frau Susanne ins Visier der Fahnder. Ein Geheimnis lüftet sich zumindest: Otto, der vor vielen Jahren Susanne sehr geliebt hat, kann nicht mehr objektiv an dem Fall arbeiten und nimmt deshalb Urlaub. Die alte Liebe scheint wieder aufgeflammt und Susanne träumt von einer gemeinsamen Zukunft in Chile.

Darsteller
Maja Maranow («Mord in bester Familie») ist Verena Berthold
Florian Martens («Allein gegen die Zeit») ist Otto Garber
Kai Lentrodt («Ladykracher») ist Ben Kolberg
Arnfried Lerche («Kasimir und Karoline») ist Reddemann
Jaecki Schwarz («Polizeiruf 110») ist Sputnik
Gesine Cukrowski («Marie Brand und die letzte Fahrt») ist Susanne Zoche
Alexander Held («Unter Verdacht») ist Hans Zoche
Stephan Grossmann («Polizeiruf 110») ist Thomas Rehnus
Katharina Spiering («Die Pfefferkörner») ist Melanie Springel
Simon Licht («Stromberg») ist Jens Pauly

Kritik
Dieser Fall hat sich gewaschen. Als Samstagskrimi im ZDF ist diesmal kein Film für schwache Nerven eingeplant. Denn der Fall ist fesselnd: Ein Mann landet im Altpapier-Häcksler und Polizist Otto zeigt durch seine Befangenheit echte Gefühle. Der neue Fall des «starken Teams» bietet eine intelligent und vielschichtig gestrickte Story, die einen überraschend gefühlvollen Kommissar Otto Garber hervorbringt. Denn in der überwiegend düsteren Atmosphäre wird auch er zunehmend melancholisch, was dem Krimi-Streifen eine weitere Komponente einbringt. «Ein starkes Team: Am Abgrund» ist dabei vor allem sehr wendungsreich. Der Berliner Krimi, der ein Stück Realismus eingehaucht bekommen hat, ist die nunmehr zweite Spielfilm-Regie des mit dem Grimme-Preis ausgezeichneten Autors Alexander Adolph, der sich bei seiner Inszenierung zwischen dem Schein und Sein der Wirklichkeit bewegt.

Die Umsetzung des Drehbuchs von Eva Wehrum ist Alexander Adolph sehr sorgsam angegangen. In der ZDF-Krimi-Reihe, die sonst eher gewöhnliche und wenig auffallende Krimi-Unterhaltung bietet, hat er nun merklich Wert auf die Details gelegt. Wer „zwischen den Zeilen“ liest, erkennt die Handschrift des Regisseurs sofort. Die Geschichte bekommt mehr Emotionen und Tiefgang als man es von der ZDF-Reihe gewohnt ist. Bestes Beispiel ist eine Szene direkt zu Beginn des Films. „Was war Kaupp für ein Mensch?“, will Ermittler Otto Garber wissen. „Ruhig, ein sehr stiller Mensch“, bekommt er als Antwort in einer Fabrikhalle, in der es so sehr lärmt, dass der Dialog schreiend geführt wird. Regisseur Adolph arbeitet mit Gegensätzen und Wendungen. Letztere sind zum Teil so überraschend, dass man als Zuschauer nicht schlecht staunt, welche Richtungen der Handlungsverlauf doch nehmen kann. Einen sehr großen Anteil an den 90 Minuten hat aber die Gefühlsebene rund um die "Otto-Suse-Geschichte", die den Ermittler Otto lange Zeit durch etwas Geheimnisvolles mit der Zoche-Ehefrau Susanne verbindet. Florian Martens, der den ansonsten mit der „Berliner Schnauze“ behafteten Ermittler Otto Garber verkörpert, ist nicht mehr der Kumpel-Bulle des «starken Team», sondern zeigt auch Schwäche: Er gibt den Fall ab, weil er sich befangen fühlt.

Auch diese Szene ist ein besonderes Charakteristika von «Ein starkes Team: Am Abgrund». Die Story rund um Ottos Jugendliebe zieht sich wie ein roter Faden durch den Krimi-Film. Die Komplexität wird aber erst zum Ende sehr deutlich. In der wunderbar inszenierten Schlusssequenz, in der die von Gesine Cukrowski dargestellte Zoche-Frau Susanne mit Otto das Weite suchen will und nach Chile auszuwandern plant, kommt noch einmal die gesamte Tragweite dieses besonderen Falls für das «starke Team» zur Geltung. Dazwischen liegen Erzählungen über die Wirklichkeit: Man begegnet einem Schuldenberater und dem Insolvenzverwalter. Über der Zoche-Firma kreist der Pleite-Geier. Quasi stehen die Handelnden mit einem Bein schon am Abgrund. Der äußere Schein trügt eben und schon bald hat die Wirklichkeit auch den nach vielen Jahren erneut in seine Jugendliebe verknallten Otto Garber wieder eingeholt. Wer auf eine wendungsreiche Kriminalgeschichte mit einer großen Portion Emotionen steht, wird an «Ein starkes Team: Am Abgrund» seinen Spaß haben.

Das ZDF zeigt den Samstagskrimi «Ein starkes Team: Am Abgrund» am Samstag, 25. Juni 2011, um 20.15 Uhr.
24.06.2011 12:51 Uhr  •  Jürgen Kirsch Kurz-URL: qmde.de/50379