First Look: «Wilfred»

FX startete kürzlich die verrückteste Comedy des Jahres 2011 – Hauptfigur ist ein Menschenhund.

Unser US-Korrespondent Christian Wischofsky präsentiert den deutschen Fernseh-Fans den "First Look" - bei fiktionalen Programmen übrigens komplett Spoiler-frei.

Drehbuchautoren haben immer Schwierigkeiten, nach originalem Material zu suchen, um dieses publikumsgerecht in einem Skript unterzubringen. Auf den Kinoleinwänden läuft ein Remake/Reboot/Sequel nach dem anderen, im Fernsehen werden alte Geschichten wiederholend neu aufgewärmt – in so gut wie jeder Serie. Da kam eine verrückte Idee der Australier Jason Gann und Adam Zwarr vor neun Jahren gerade recht: Warum keinen Hund als Charakter in einem Kurzfilm erfinden, welcher als Mensch mit Obszönitäten um sich wirft und ständig an Sex denkt – quasi ein zensierter Charlie Harper in der Welt der Tiere? Die Idee zur Serie «Wilfred» war geboren, und sie lebte im australischen Fernsehen für zwei Staffeln und 16 Episoden. Gut, jetzt kann man natürlich sagen, dass Amerika wieder einmal ein Remake einer nicht-amerikanischen und kritikergelobten Serie produziert, aber im Fall von FXs Neustart «Wilfred» ist zu sagen, dass die Idee immer noch herzerfrischend original und ganz besonders verrückt ist. Und auf einem anspruchsvollen Kabelsender wie FX ist die neue Comedy mit «Herr der Ringe»-Frodo Elijah Wood mehr als gut aufgehoben.

Nichtsdestotrotz sollte man als Zuschauer an «Wilfred» langsam und ohne Erwartungen herangehen. Der Serienplot über den suizidgefährdeten Ryan (Elijah Wood), der den Hund seiner scharfen Nachbarin Jenna (Fiona Gubelman) als Mensch sieht, welcher von Serienerfinder Jason Gann höchstpersönlich verkörpert wird, wirkt in der Tat verrückt und versucht nicht einmal die Umstände geeignet zu erklären. Man kann zwar aus Ryans Charaktereigenschaften herauslesen, dass seine ansteigende Kreativität von Wahnvorstellungen, ausgelöst durch den Konsum von Pillen und den Wunsch des frühen Todes, der Grund für seine neue Halluzination ist, doch wird in der Pilotepisode nie die Antwort gegeben, dass dies tatsächlich der Fall ist. Mit ein paar Umwegen könnten die Autoren auch ein übernatürliches Element als Erklärung bereitstellen, oder die ganzen Situationen zwischen Ryan und Wilfred entspringen nur Ryans verrückten Gedanken und Wilfred existiert überhaupt nicht. Zuschauer sollten auch so schnell keine Antworten erwarten, da die Serie nicht ihrer wegen Fragen kreiert worden war.

In erster Linie ist der Humor das funktionierende Element. Es macht einfach Spaß zuzusehen, wie Ryan anscheinend in Wilfreds Umkreis verrückt wird, in dem Menschenhund jedoch einen guten Freund sieht. Im Umkehrschluss ist es auch lustig anzusehen, wie ein unflätiger Hund seinen Geschäften nachgeht und Spaß darin findet, seinen Kopf zwischen die Brüste einer Kellnerin zu stecken. «Wilfred» ist fraglos sexistisch und macht keinen Hehl daraus, mit seinem Menschenhund einen Mix aus Charlie Harper und Hank Moody kreiert zu haben, konzentriert sich jedoch nicht nur darauf, sondern hat neben einer kommenden Liebesgeschichte zwischen Ryan und Jenna (welche auf jeden Fall kommen sollte – sonst hätte die Verbindung der beiden Charaktere außer Wilfred überhaupt keinen Sinn) auch ein paar Botschaften auf Lager: Freundschaften sind wichtig für die Seele, Abenteuerlust übersteigt die Langeweile im Leben, und auch liebreizende Hunde können extrem böse sein.

Mit dem letzten Punkt hat die Premiere von «Wilfred» sogar einen interessanten Storyansatz gefunden, den es nun konkret auszuarbeiten gilt: Inwiefern ist Wilfred daran interessiert, das Leben von Ryan zu retten, in dem er ihn dauernd in gefährliche Situationen bringt? Oder ist Wilfred zu Ryan nur ein Arschloch, weil er tatsächlich der einzige Mensch auf dem Planeten ist, der ihn versteht und mit dem er reden kann? Allerdings besteht hier auch die Gefahr, dass die Autoren während der ersten Staffel nur einseitige Geschichten zu bieten haben und sich gar nicht erst auf die anderen Elemente der Serie konzentrieren. Eine Comedyserie wie «ALF» war auf Dauer auch ermüdend, wenn in jeder Episode der Melmac-Bewohner nicht nur die komplette Episodenhandlung an sich zog, sondern den anderen Familienmitgliedern auch wertvolle Sendezeit stahl. Solange die Autoren Wilfred nicht nur mit Ryan paaren, sondern auch Platz für andere Charaktere schaffen, die sich Ryans Gemütszustand zumuten müssen, kann «Wilfred» durchaus abwechslungsreich und humorvoll zugleich sein.

Am Ende kommt es für den Zuschauer darauf an, ob er den Humor von «Wilfred» akzeptiert und den Wahnsinn zwischen einem sexverrückten, kiffenden Hund und eines selbstmordgefährdeten Nichtsnutz ansprechend genug für eine halbe Stunde pro Woche befindet. «Wilfred» gelingt es nämlich durchaus, seine originale (wenn auch adaptierte) Geschichte umzusetzen, und für einige Überraschungen zu sorgen. Und wenn man ganz ehrlich ist, ist die Idee eines Menschenhundes für wenigstens eine Handvoll Episoden gut genug, um zu unterhalten. Dann muss jedoch der Einfallsreichtum der Autoren entscheiden, ob «Wilfred» mehr als nur die verrückteste Comedy des Jahres 2011 ist.
30.06.2011 14:20 Uhr  •  Christian Wischofsky Kurz-URL: qmde.de/50504