Geschätzter Andreas Bartl,
Man könnte Sie ja direkt als „Mr. Altbewährt“ oder „90er-Revival-König“ bezeichnen, denn es ist ja schon erstaunlich, dass Sie mit den Neuauflagen früherer Sat.1-Klassiker aus dem goldenen Fernsehjahrzehnt und Reanimationen alter Genres versuchen, Ihren Sender wieder auf Erfolgskurs zu bringen. Dass dabei aber nicht immer alles richtig läuft, versuche ich Ihnen jetzt im Folgenden zu erläutern, Herr Geschäftsführer:
Zuerst kam «ran», die große Sat.1-Sportmarke, zurück. Natürlich – Geschäftsführer von Sat.1 war damals von Guido Bolten, aber als Chef der damaligen German Free TV Group ging diese Entscheidung nicht ohne ihr Nicken durch. «ran» selbst verliert unter Ihnen demnächst sein Prunkstück namens Champions-League ans ZDF. Ihr Vorgänger Bolten holte dann auch Kerner und Pocher. Letzteren mussten Sie wegen katastrophalen Quoten aber absetzen und mit Ersterem versuchen Sie so manches, aber es braucht viel Zeit und Geduld. Die Rückkehr zu den 90ern hätte bei Johannes B. wohl eher die Rückkehr zum Daily-Talk bedeutet. Dann hörte man, dass Harald Schmidt ab Herbst 2011 wieder in Sat.1 Late-Night macht. Zwar ein ansich gutes Vorhaben und ein interessanter Coup von Ihnen, aber wenn Sie es Schmidt zu sehr selbst überlassen, die Show inhaltlich einzurichten, wird sich wohl gegenüber der letzten ARD-Version nicht viel ändern – zum Leidwesen der Fans und am Ende vielleicht auch zum Leidwesen Ihrer Quoten. Bringen Sie den Alt-Meister dazu, sich wieder möglichst komplett auf seine alten Stärken der finalen zwei Jahre in Ihrem Sender zu besinnen! Nicht nur zu Teilen.
Dann hievten Sie im Sinne von «Talk im Turm» wieder einen Politalk ins Sat.1-Programm. Doch «Eins gegen Eins» mit Claus Strunz wurde nicht zum erhofften, kleinen aber feinen Überraschungserfolg. Wie auch, wenn er so weit im Spätprogramm versteckt wird?! Natürlich kann man so etwas nicht zur Primetime zeigen, aber ein wenig mehr Mut hätte dann doch schon sein dürfen, denn wie sollen nach «Danni Lowinski» Zuschauer hängen bleiben, wenn erst noch ein uninteressantes und zwangsversendetes «Planetopia» dazwischen gehämmert wird? Wir alle wissen: Die Drittsendeverpflichtungen machen Ihnen das Leben – und die Quoten – nicht leichter.
Nun gut: In Sachen „Deutscher Serie“ haben Sie dann wohl bisher alles richtig gemacht. Die eben angesprochene Anwältin und «Der letzte Bulle» laufen prächtig. Doch was soll das nun angekündigte Remake von «Wolffs Revier»? Sie glauben doch wohl nicht im Ernst, dass dieses an alte Erfolge anknüpfen kann, oder? Diesen Glauben hatten Sie aber wohl wirklich nicht, als Sie «Die Wochenshow» exhumierten. Hier gibt es bislang zwar ganz gute inhaltliche Ansätze – mehr aber nicht. Über den Sendeplatz darf zudem vortrefflich gestritten werden. Blieben zum Schluss noch die Gameshows: «Die perfekte Minute» und «Mein Mann kann» waren Alles in Allem so erfolgreich, dass bald «Ich liebe Deutschland» folgen wird. Nicht schlecht, aber steuern wir hier nicht eventuell einem Show-Salat in der Freitags-Primetime entgegen, bei dem sich die Zuschauer nicht so richtig an die einzelnen Sendungen gewöhnen können? Wären hier nicht regelmäßige Ausstrahlungen von weniger Formaten an verschiedenen Tagen mehr gewesen? Und die Frage überhaupt: Wieso versuchen Sie den Gameshow-Erfolg am Abend nicht auch, Ihrem 90er-Jahre Credo gemäß, auf das Daily-Programm zu übertragen?!
Schon Harald Schmidt bekräftigte mal vor gar nicht all zu langer Zeit, dass seine Late-Night-Show, «ran» und das «Glücksrad» die drei Sendungen seien, mit denen der deutsche Fernsehzuschauer Sat.1 am meisten in Verbindung bringen würde. Recht hat er! Er selbst kehrt also in Kürze zurück, «ran» ist schon da, aber wo bleibt das «Glücksrad»?! Ausgerechnet DIE Show, die Ihren Sender Anfang der 90er zu seinen ersten großen Erfolgen führte, erfährt bei Ihnen bislang als Einzige keine Neuauflage. Dabei könnten Sie eine der beiden «K11»-Folgen, nämlich jene um 19.30 Uhr, doch locker streichen und sich das «Glücksrad» auf seinem alten Prestigeplatz wieder drehen lassen. Nach aktuellem US-Vorbild aufgezogen und mit Frederik Meisner sowie Sonya Kraus, wäre das dann vermutlich wohl wieder ein Erfolgsgarant. Außerdem wird das Kultobjekt doch derzeit bei eBay versteigert. Holen Sie sich den Zuschlag! Bringen Sie es uns zurück! Und vergessen Sie nicht, die Ratewand gleich mit zu ersteigern…!
Sie sehen also: Ihr Revival-Programm bietet grundsätzlich gute und richtige Ansätze, denn genau zu alten Stärken muss das gesamte deutschen Fernsehen zurückfinden. Ihr Sat.1 könnte dafür der vorbildliche Vorreiter sein – wenn es denn in der aktuellen Ausführung nicht an so vielen Stellen hapern würde…! Übrigens passen die sich nun anbahnenden Doku-Soaps a la RTL gar nicht in Ihr Schema. Finger davon lassen!
Ich wünsche Ihnen den nötigen Feinschliff für die nahe Zukunft. Nutzen Sie doch jetzt die Sommerpause dafür, diesen vorzunehmen!
Ihr Gregor Elsbeck