Gelingt es David Yates, die Geschichte um den berühmten Zauberer auch im Kino würdig abzuschließen?
Es ist immer schmerzlich, wenn etwas über viele Jahre Liebgewonnenes schließlich zu Ende geht. Als Joanne K. Rowling im Jahre 1997 den ersten Band ihrer «Harry Potter»-Reihe veröffentlichte, ahnte wohl noch niemand, welch enorme Anhängerschaft der titelgebende Zauberlehrling bei seinem langwierigen Kampf gegen den dunklen Magier Voldemort über die Jahre weltweit um sich scharen würde. Heute, über 500 Millionen verkaufte Bücher später, zählt die Milliardärin Rowling zu den reichsten Frauen Großbritanniens. Die Reihe, die sie berühmt gemacht hat und nach wie vor mehrere Generationen umfassende Fanscharen in Begeisterungsstürme ausbrechen lässt, hat sie vor mittlerweile vier Jahren mit dem siebten Teil «Harry Potter und die Heiligtümer des Todes» glorreich beendet. Nun finden auch die parallel gestarteten Verfilmungen rund zehn Jahre nach der Adaption des ersten Teils ihren krönenden Abschluss.
Für «Harry Potter»-Fans ein gleichermaßen schönes wie trauriges Ereignis, können sie doch noch einmal in die ihnen ans Herz gewachsene magische Welt eintauchen, nur um sich am Ende wieder (voraussichtlich) ein für alle Mal von ihr zu verabschieden. Zumindest hat die Aufteilung des letzten Abenteuers in zwei Filme diesen Tag ein wenig hinausgezögert. Für die produzierenden Warner Studios dürfte dies außerdem ganz im Sinne ihrer finanziellen Ziele gewesen sein, kann die Reihe, welche weltweit bis dato über sechs Mrd. US-Dollar erwirtschaftet hat, so ihren Status als erfolgreichstes Film-Franchise aller Zeiten spielend weiter ausbauen. Davon abgesehen ist spätestens jetzt aber auch der qualitative Mehrwert des Unterfangens nicht mehr von der Hand zu weisen. So liefert der seit dem fünften Teil für die Inszenierung der Leinwandadaptionen zuständige David Yates mit «Harry Potter und die Heiligtümer des Todes - Teil 2» nicht nur seine gelungenste Arbeit, sondern zugleich auch den besten Film der ganzen Reihe ab.
Die Handlung knüpft dabei nahtlos an das Ende des Vorgängers an. Der finstere Lord Voldemort (Ralph Fiennes) hat den Elderstab, den mächtigsten Zauberstab der Welt, in seinen Besitz gebracht und trachtet nun danach, den Rest der magischen Welt zu unterwerfen und im Zuge dessen seinen Erzfeind Harry Potter (Daniel Radcliffe) vom Antlitz der Erde zu tilgen. Der ist derweil noch immer mit seinen Freunden Ron (Rupert Grint) und Hermine (Emma Watson) dabei, die restlichen Horkruxe ausfindig zu machen, besondere Gegenstände, in denen Voldemort Teile seiner Seele magisch eingeschlossen hat. Denn nur wenn alle zerstört sind, kann auch der Dunkle Lord selbst ein für alle Mal vernichtet werden. Schon bald führt sie die Spur zu ihrer einstigen Schule Hogwarts, die sich inzwischen ebenfalls in den Händen von Voldemorts Schergen, allen voran der zwielichtige Professor Snape (Alan Rickman), befindet. Doch eine kleine Gruppe von Harrys Mitschülern leistet weiterhin heimlich Widerstand. Mit vereinten Kräften und der Unterstützung durch den Orden des Phönix erlangen sie schließlich die Kontrolle über die Schule zurück. Doch der Feind wartet bereits vor den Toren. Und so wappnet sich Hogwarts für die letzte große und alles entscheidende Schlacht.
Groß ist hierbei vielleicht sogar noch ein wenig untertrieben. Nach dem eher vorbereitenden Charakter der ersten Hälfte des «Potter»-Finales kommt «Harry Potter und die Heiligtümer des Todes - Teil 2» nun quasi als ein einziger actiongeladener Showdown daher. Nach einer kurzen gemächlichen Exposition leitet der schön bedrohlich inszenierte Infiltrationsversuch in der Zaubererbank Gringotts schon nach wenigen Minuten die erste beeindruckende Actionsequenz ein. Hier werden bereits ein Tempo und eine Spannung vorgelegt, die charakteristisch für den gesamten Film sind und so auch immer wieder über lange Passagen hinweg erreicht werden. Wenn die rasante Fahrt gelegentlich doch mal ein wenig gedrosselt wird, geschieht dies stets mit Bedacht, um auch den essentiellen ruhigeren Zwischentönen weiterhin genügend Raum zu lassen. Denn zwischen all dem eindrucksvollen und erfreulicherweise niemals überladen wirkenden Bombast des Kampfes um Hogwarts kommen auch die eigentliche Geschichte und die in ihr agierenden Figuren niemals zu kurz.
Regisseur David Yates und Drehbuchautor Steve Kloves, der für alle Skripte der Reihe mit Ausnahme von «Harry Potter und der Orden des Phönix» (2007) verantwortlich zeichnet, haben viel Sorgfalt bei der Schaffung eines gesunden Verhältnisses von effektreicher Action und handlungszentrierten Verschnaufpausen an den Tag gelegt und so auch nicht zuletzt aufgrund der Bezüge zu den vorangegangenen Teilen ein absolut stimmiges Gesamtbild geschaffen. Bei der Ausarbeitung jener beiden Bereiche sind sie bisweilen gar zu Höchstform aufgelaufen. Die filmische Zweiteilung des letzten «Harry Potter»-Kapitels kam ihnen nach wie vor sichtlich zu Gute. So haben sie Rowlings Vorlage zwar noch immer dezent gestrafft (und dadurch vielleicht sogar einen Tick spannender gemacht), sich aber auch ausreichend Zeit für die zentralen Momente darin genommen. Einige Zusammenhänge dürften für Nichtkenner des zu Grunde liegenden Stoffes aufgrund fehlender erklärender Passagen eines Erzählers zwar weiterhin etwas schwerer nachvollziehbar sein. Doch werden die wesentlichen Informationen meist auch filmisch sinnvoll vermittelt, ohne auf deplatziert oder aufgesetzt wirkende literarische Erklärmuster zurückgreifen zu müssen. Das Endergebnis spiegelt insgesamt gekonnt die Essenz des Romans wider und atmet jederzeit auch spürbar dessen Geist.
Ohnehin scheint der ursprünglich aus dem Fernsehbereich stammende David Yates mit jedem der vier von ihm inszenierten «Potter»-Filme dazu gelernt zu haben. Nachdem er bereits mit
«Harry Potter und die Heiligtümer des Todes - Teil 1» sein Können unter Beweis und sein eigenes bisheriges Schaffen in den Schatten stellen konnte, weiß er im endgültigen Abschluss der Reihe noch einmal einen draufzusetzen. Zwar mussten die wunderschönen Landschaftsaufnahmen des Vorgängers größtenteils weichen, doch gelingt es ihm im Zusammenspiel mit seinem Kameramann Eduardo Serra («Hinter dem Horizont», «Blood Diamond») mit eindrucksvollen Kompositionen aus blass gefärbten Bildern, wilden Kamerafahrten, zahlreichen gut gewählten Nahaufnahmen und dem ebenso bedachten wie ansehnlichen Einsatz von Zeitlupensequenzen eine einem epischen Finale mehr als würdige Dramatik aufzubauen.
Doch erst durch die ruhigeren, aber nicht minder spannungsgeladenen (Dialog-)Passagen gelingt es ihm endgültig, die ganze Dichte der äußerst düsteren Atmosphäre zu entfalten. Dieses Grundgerüst hilft schließlich auch entscheidend dabei, die auf der Leinwand aufwallenden Emotionen erfolgreich zu transportieren. Tat sich die «Harry Potter»-Filmreihe in der Vergangenheit doch eher schwer, ihr Publikum wirklich zu rühren, hatte «Harry Potter und die Heiligtümer des Todes - Teil 1» gleich zwei äußerst ergreifende tragische Momente zu bieten, welche die diesbezüglichen Versuche vorangegangener Serienteile ziemlich alt aussehen ließen. Diesen positiven Trend setzt «Harry Potter und die Heiligtümer des Todes - Teil 2» nun weiter fort, ohne jedoch ständig plump auf die Tränendrüse zu drücken. Vielmehr ist es vor allem eine grandiose Schlüsselsequenz, die insbesondere auch dank des endlich wieder etwas mehr in Erscheinung tretenden großartigen Alan Rickman («Stirb langsam», «Tatsächlich… Liebe») die weitreichende Tragik der Geschichte sehr greifbar werden lässt.
Abgerundet wird die «Harry Potter»-Action- und Gefühls-Achterbahnfahrt wie immer durch atemberaubende Effekte und die restliche hochkarätige Besetzung, von denen die meisten jedoch ebenfalls wie gewohnt fast schon Statistenrollen übernommen haben. In vielen Fällen ist dies jedoch nicht weiter verwerflich, war dies wohl der Preis dafür, einen Großteil des Casts der kompletten Reihe für ein kurzes abschließendes Wiedersehen noch einmal vor die Kamera zu bekommen. Die Nebendarsteller, die zwischen all dem aber doch noch etwas mehr zu tun haben, allen voran Ralph Fiennes («Der englische Patient») und Helena Bonham Carter («Fight Club»), wissen auch diesmal ohne Ausnahme zu gefallen. Dagegen fällt das Hauptdarstellertrio ein wenig ab, da dessen talentiertere zwei Drittel in Form von Rupert Grint und Emma Watson zu Gunsten des noch eindeutiger als zuvor im Zentrum stehenden Daniel Radcliffe diesmal mehr in den Hintergrund rücken. Letzterer stößt dabei hier und da wieder stärker an seine darstellerischen Grenzen, macht seine Sache aber die meiste Zeit immerhin so solide, dass dies nicht wirklich negativ ins Gewicht fällt.
Möchte man allerdings zwingend etwas an «Harry Potter und die Heiligtümer des Todes - Teil 2» aussetzen, so ist dies wohl die 3D-Umsetzung. Es mag sein, dass sich die dafür Verantwortlichen große Mühe gegeben haben, weshalb es auch der erste Teil des Finales damals nicht mehr in der dritten Dimension in die Kinos geschafft hat. Einen wirklichen Mehrwert bildet die dreidimensionale Präsentation jedoch nicht. In ihren besten Momenten ist sie allenfalls ganz nett anzuschauen, in ihren (zugegeben nur sehr vereinzelt auftretenden) schlechtesten hat sie mit ärgerlichen Unschärfen zu kämpfen. Damit wäre ein weiteres Mal bewiesen, dass nachträglich in 3D konvertiertes Filmmaterial gegenüber solchem direkt in 3D gedrehten in der Regel noch immer das Nachsehen hat. Um das «Harry Potter»-Finale in seiner ganzen Pracht ungestört zu genießen, kann man sich den Aufpreis an der Kinokasse also getrost sparen und stattdessen die 2D-Fassung vorziehen.
Ansonsten erweist sich «Harry Potter und die Heiligtümer des Todes - Teil 2» jedoch unzweifelhaft als grandioser Fantasythriller, der die Reihe um den berühmten Zauberer im Kino mindestens so würdig abschließt, wie es Joanne K. Rowling vor vier Jahren bei der Vorlage getan hat. David Yates hat ein gutes Händchen dabei bewiesen, den wesentlichen Kern und die mit ihm einhergehenden Emotionen des Romans mehr als angemessen auf die große Leinwand zu übertragen. Angesichts des demzufolge auch in der Adaption vorherrschenden düsteren Grundtons, der Brutalität und der damit verbundenen unzähligen Todesopfer ist auch die zweite Hälfte des «Harry Potter»-Finales abermals nicht für Kinder geeignet. Für sein Zielpublikum gestaltet sich der Film aber als durchweg kurzweilig, zumal er mit rund 130 Minuten Laufzeit der kürzeste Teil der gesamten Reihe ist. Um den schmerzlichen Abschied noch etwas hinauszuzögern, wären einige Minuten mehr sicherlich willkommen gewesen. Doch hätte dies wohl wiederum nur dem hohen Spannungsniveau geschadet. So bleibt «Harry Potter und die Heiligtümer des Todes - Teil 2» am Ende ein äußerst rasantes, aber stets auch auf seine dramatische Geschichte bedachtes Actionabenteuer. Ein wahrlich epischer Abschluss für ein bemerkenswertes Phänomen der Popkultur.
«Harry Potter und die Heiligtümer des Todes - Teil 2» ist ab dem 14. Juli in vielen deutschen Kinos zu sehen.