Anywhere, anytime – und ganz ohne Quote

In Zeiten von PVR, Abrufdiensten wie Maxdome, Sky Anytime und Co: Welche Rolle spielen TV-Quoten eigentlich noch?

Über 1,3 Millionen Menschen sahen am Sonntagabend ab 18.30 Uhr die zweite Hälfte des Spiels Bayern gegen Gladbach beim Pay-TV-Anbieter Sky. Auch in der Summe aller neun Partien zu den fünf Anstoßzeiten war der 1.Spieltag mit 3,44 Mio. Zuschauern (Z 3+) der reichweitenstärkste, den es bisher gab. Bei den 14- bis 49-jährigen Männern kam Sky am Samstagnachmittag eigenen Angaben zufolge auf 16,9 Prozent – die Werbewirtschaft wird es freuen. Sky-Vermarkter PMS meldete, die Auslastung der Werbeflächen hätte sich binnen eines Jahres um mehr als 50 Prozent erhöht – die Einnahmen sprudeln also.

Quoten oberhalb von einer Million, das schafft Sky wirklich nur mit der Bundesliga und der Champions League – also mit Live-Sport. Filme, sind weit von dieser Marke entfernt. Macht aber nichts – denn ohnehin stellt sich in diesen Wochen und Monaten mehr und mehr die Frage, welchen Wert die genauen Quoten, die morgen für morgen um halb neun veröffentlicht werden, eigentlich noch haben. Sky wird in wenigen Tagen den Service Sky Anytime einführen – Nacht für Nacht werden dann bestimmte Inhalte (Serien, Spielfilme und Dokus) auf die Festplatte des Recievers gespielt – der Zuschauer kann diese Formate also schauen, wann er möchte.

Heißt konkret: Wieso soll man sich den Film der Woche noch sonntags um 20.15 Uhr anschauen, wenn man eigentlich schon um 20.05 Uhr vor dem Gerät sitzt? Oder um diese Zeit noch mit Freunden grillt und lieber ein, zwei oder drei Stunden später anfängt? Die Quotenmessung wird durch diese Innovation also noch ein kleines Stück unwichtiger – übrigens ist schon jetzt via Sky+ zeitversetztes Fernsehen problemlos möglich.

Ähnliches gilt auch im Free-TV – und da gibt es einige prominente Opfer: So hatte die Sat.1-Soap «Hand aufs Herz» rund 200.000 Fans, die die Serie regelmäßig im Internet ansahen – zum Vergleich: Die letzte in Sat.1 gezeigte Folge kam insgesamt nur auf etwas mehr als 900.000 Zuseher – rund 20 Prozent der Zuschauerschaft nutzten den Online-Service demnach. Ähnliches berichteten auch die Produzenten der ZDF-Serie «Lena». „Auch in den Social Networks waren wir die gesamte Zeit über wirklich sehr stark. Unabhängig vom Sendeplatz lief auch die ZDF-Seite zur Serie immer extrem stark. Wir sprechen hier von monatlichen Aufrufzahlen im zweistelligen Millionen-Bereich, das ist wirklich sensationell“, sagte Quirin Berg zu diesem Thema gegenüber Quotenmeter.de.

Genutzt werden kann Fernsehen mittlerweile auch auf dem iPad und iPhone, erneut ist hier Sky ein Vorreiter. Seit einigen Monaten ist der Service Sky Go verfügbar, der in den kommenden Monaten noch weitere Inhalte auf die mobilen Endgeräte bringen wird. Gerade Serien – und insbesondere Formate mit starken rotem Faden, die man sich gerne mal als Marathon ansieht – lassen sich über Anytime oder Sky+ deutlich angenehmer konsumieren, die Quote bekommt davon aber nichts mit.

Die Marktforscher werden eine Lösung für dieses Problem finden müssen – so wie es in den USA schon passiert ist, wo die endgültigen Einschaltquoten die Ergebnisse Live+ 7Tage ausweisen. Heißt: Mitgezählt werden nicht nur die Zuseher, die das Format wirklich am Ausstrahlungstag gesehen haben, sondern auch all diejenigen, die die Aufnahme innerhalb einer Woche abriefen.

Das alles ist übrigens wirklich ein Problem der Fiktion-Formate – bei Live-Sport hat die Quote nachwievor die gleiche Wichtigkeit: Oder wer will denn heute noch einmal die Niederlage des FC Bayern gegen Gladbach sehen? Auch deshalb wird man in den nächsten Monaten und Jahren erleben, dass Live-Sport quotentechnisch stärker und stärker wird.
10.08.2011 09:12 Uhr  •  Manuel Weis Kurz-URL: qmde.de/51330