‚Wir sind angetreten, um das Abenteuergenre neu zu beleben‘

Am 8. September schickt RTL den Pilotfilm zur Abenteuer-Serie «World Express» ins Rennen. Wir sprachen mit UFA-Produzent Jörg Winger und Hauptdarsteller Marco Girnth.

Herr Winger, wie ist die Idee zu «World Express» entstanden?
Jörg Winger: Die ist schon vor längerer Zeit, um genau zu sein vor fünf Jahren, entstanden. Damals hatte die UFA Fernsehproduktion versucht eine Online-Dramaserie zu entwickeln, die im Internet laufen sollte. Als wir da aber nicht weitergekommen sind, sind wir – das waren Roland Heep, Frank Koopmann, unsere beiden Autoren, und ich – dann weitergezogen zum klassischen Fernsehen - zu RTL. Doch da hatte man aber noch keinen Bedarf. Dann haben wir mit der Idee beim ZDF angeklopft und die Serie eine Zeitlang entwickelt. Doch dann gab es hier einen Strategie-Schwenk, weshalb wir zurück zu RTL sind. Und da hat unsere Serie dann endlich eine Heimat gefunden.

Was genau war der Grund für diesen Strategie-Schwenk beim ZDF?

Jörg Winger: Beim ZDF war das damals so, dass unser Format nach einer Zeit nicht mehr in die Ausrichtung des Donnerstagabends, wofür die Serie geplant war, passte.

Und wie hat RTL dann die Serien-Idee aufgenommen?
Jörg Winger: Die Redakteurin Barbara Thielen war sehr begeistert von der Idee zu «World Express». Der Wille war da und wir haben das Drehbuch speziell auf die Zuschauer von RTL zugeschnitten und überarbeitet. Man hat uns zudem auch sehr unterstützt in dem ganzen Jahr, während der Entwicklungs- und Produktionsphase. Auch mit unserer Redakteurin Sylke Poensgne war es eine angenehme Zusammenarbeit.

Herr Girnth, wie haben Sie von dem Projekt «World Express» erfahren?
Marco Girnth: Mit der «SOKO Leipzig», bei der Jörg Winger ebenso Produzent ist, haben wir im Jahr 2006 ein Special in Santo Domingo gedreht. Von der Atmosphäre dort und dem Interesse für die lateinamerikanische Kultur inspiriert, hatten wir damals schon das Bedürfnis, eine Geschichte zu entwickeln. Dann haben wir diese Idee den Autoren, die wir auch schon länger kennen, vorgestellt. Es war dann schnell klar, dass sich der Plot um einen Geheimdienst und einen Paketdienst wie beispielsweise UPS drehen würde. Ich war davon sehr angetan und war auch beim Entwicklungsprozess von «World Express» immer dabei, so dass ich über die Jahre immer über den Stand der Dinge informiert war. Von daher war ich schon länger in das Projekt «World Express» involviert.

Haben Sie denn dann auch eigene Ideen miteingebracht?
Marco Girnth: Ja, wir haben uns regelmäßig getroffen. Dabei konnte ich auch eigene Vorschläge mit einbringen. Es war interessant, für mich auf diese Weise auch mal die gesamte Entwicklungsphase eines Filmprojekts miterleben zu dürfen. Im Regelfall erfährt man ja erst wenige Wochen vor Drehbeginn von einem Projekt.

Welche Ideen waren das konkret, die sie zu «World Express» beigesteuert haben?
Marco Girnth: Es gab beispielsweise die Idee, meine Figur des David Voss vor einen militärischen Hintergrund zu stellen. Eine denkbare Vorgeschichte der Rolle war dabei zum Beispiel, dass David Voss in Afghanistan gewesen wäre und dort schon besondere Aufgaben übernommen hätte, sich dann aber von dem Militärischen und der Bundeswehr abwendet hätte. Er könnte dann sein Glück in dem besonderen Zustelldienst suchen und seine erworbenen Fähigkeiten dort in die Waagschale werfen. Diese Ansätze sind in dem Pilotfilm noch nicht verarbeitet worden, würden aber wahrscheinlich zum Tragen kommen, sollte «World Express» in die serielle Produktion gehen.

Lesen Sie auf der nächsten Seite unter anderem, wie die Dreharbeiten in Mexiko verliefen.

Am 8. September schickt RTL den Pilotfilm zur Abenteuer-Serie «World Express» ins Rennen. Wir sprachen mit UFA-Produzent Jörg Winger und Hauptdarsteller Marco Girnth.

Zunächst wurde der Pilotfilm von «World Express» gedreht. Was kann man zur Entwicklung sagen?
Jörg Winger: Die eine Quelle für «World Express» war die Idee eine Abenteuer-Serie zu entwickeln, die andere Quelle war das «SOKO Leipzig»-Special in Santo Domingo, dass die UFA Fernsehproduktion mit Marco Girnth gedreht hat. Wir haben schon am Set gemerkt, dass er einen tollen Abenteuerheld abgibt und einfach zu einer Abenteuerserie passt. Es war für ihn wie für uns auch eine Herzensangelegenheit. Schon damals haben wir Marco daher in unsere Überlegungen mit eingebunden und er war auch am Entwicklungsprozess am Rande beteiligt. Wir arbeiten ja ohnehin mit der «SOKO Leipzig» stets zusammen, auch die Autoren Roland Heep und Frank Koopmann arbeiten seit Jahren für die UFA Fernsehproduktion und schreiben für die ZDF-Serie. Es war schon ein sehr eingespieltes Team am Werk.

Herr Girnth, wie würden Sie ihre Rolle in «World Express» beschreiben?
Marco Girnth: David Voss ist jemand, der das Abenteuer sucht, aber auch nicht der klassische Abenteuerheld ist. Er kann auch Empathie empfinden und erledigt seine Aufgaben gewissenhaft, hat dabei aber auch stets den gewissen Blick über den Tellerrand hinaus. In der Anfangsszene des Pilotfilms ist das wunderbar beschrieben, indem David Voss nicht nur seinen Auftrag erfüllt, sondern auch nicht wegschaut, als sich ein Mann, der durch seine Zustellung alles verloren hat, auf dem Dach des Hauses in die Tiefe stürzen und sich das Leben nehmen will. Er mischt sich da ein und rettet den Mann. Dieser Zwischenton ist gleichzeitig ein gutes Charakteristikum für die Figur.

Wie waren die Dreharbeiten in Mexiko? War es schwierig die passenden Locations zu finden und nach welchen Kriterien ist man da gegangen?
Jörg Winger: Ich merkte schon auf einer Reise durch Mexiko, als wir mit «World Express» noch am Anfang standen, dass das Land ein wunderbarer Drehort für unseren Pilotfilm ist. Da hatte ich also schon einige Plätze gefunden und bin diese dann später auch mit den Autoren abgefahren, so dass wir da schon konkrete Motive für unsere Handlung in den Drehbüchern hatten. Das hat sich dann noch einmal verfeinert. Das Motto war, dass wir schon nach echten Motiven Ausschau gehalten haben. Das war schon in einem frühen Stadium der Filmentwicklung klar.

Marco Girnth: Ich kannte die Halbinsel Yucatan schon von einer privaten Reise. Aber durch die Dreharbeiten habe ich Mexiko noch einmal ganz anders erlebt. Unser Team bestand zu 60 Prozent aus Mexikanern. Dadurch wurde der Zugang zu „Land und Leute“ noch mal erleichtert. Man arbeitet zusammen an einem gemeinsamen Projekt und hat irgendwie eine andere Berechtigung in dem Land zu sein, als wenn man als Tourist durchs Land reist. Mir war nicht bekannt, dass die Mayas ihr gesamtes Wissen auf den im Film angesprochenen Codices verewigt hatten. Und dass von allen Codices lediglich vier erhalten geblieben sind, die sich eben in London, Madrid, Mexico City und Dresden befinden.

Wie ist man denn den Maya vor Ort begegnet?
Jörg Winger: Wir haben teilweise sehr aufregende Verhandlungen geführt mit Maya-Dörfern, wo auch kein Mensch Spanisch sprach. Da musste dann für unseren Herstellungsleiter Frank Mähr aus dem Maya übersetzt werden. Aber die Leute waren sehr hilfsbereit. Wir haben zum Beispiel in einer Höhle gedreht, wo ein ganzes Maya-Dorf mit Frauen und Kindern angepackt hat. Darüber hinaus haben wir in einer kompletten Maya-Gegend gedreht und in den Höhlen stießen wir auf Maya-Schätze. Das war für sich allein schon ein Abenteuer. Wir haben also nicht nur einen Abenteuerfilm gedreht, sondern haben mit dem ganzen Team auch selbst ein Abenteuer erlebt, da wir mit diesen Menschen vor Ort so eng zusammen gearbeitet haben.

Der Regisseur Robert Del Maestro ist Brite, zur Crew gehörten englische, spanische und deutsche Mitarbeiter. Drei Sprachen am Set – gab es da denn gar keine Verständigungsschwierigkeiten?
Jörg Winger: Es gibt keine Produktion, wo alles reibungslos klappt. Aber wir hatten doch alle tatsächlich diesen Abenteuergeist und unser Regisseur Del Maestro ist ein großer Improvisationskünstler, das wusste ich schon aus der gemeinsamen Arbeit in Leipzig und London. Somit war es schon so, dass alle – und das ist das Wichtige – einen tollen Film daraus machen wollten und da kann man dann auch kleine Kommunikationshürden meistern.

Hat es denn gewisse Vor- oder Nachteile, wenn man ein internationales Team am Set hat?
Jörg Winger: Natürlich ist es etwas anderes, wenn man mit einer kleineren Crew wie bei der «SOKO Leipzig» arbeitet. Da kennt jeder jeden Handgriff. Bei einem größeren Team, das auch noch mehrsprachig ist, muss man sich auf neue Leute einstellen und zum Teil sind auch die Gepflogenheiten etwas anders. In Mexiko hatten wir zum Beispiel beim Grafikdesign einen anderen Standard. Auf der anderen Seite merkt man bei der Produktion mit einem internationalen Team auch die Globalisierung, weil immer mehr auf ähnliche Art und Weise Filme und Serien hergestellt werden und es so weniger Barrieren zu überwinden gibt.

Lesen Sie auf der nächste Seite unter anderem, welche Chancen «World Express» eingeräumt werden, um in Serie zu gehen sowie Neues zur «SOKO Leipzig».

Am 8. September schickt RTL den Pilotfilm zur Abenteuer-Serie «World Express» ins Rennen. Wir sprachen mit UFA-Produzent Jörg Winger und Hauptdarsteller Marco Girnth.

Das Produktionsteam hatte teilweise auch Schwierigkeiten das Equipment ins Land zu bekommen. Was war da los?
Jörg Winger: Das hat uns mehrmals den Schweiß auf die Stirn getrieben. Man muss sich nur mal überlegen, was gewesen wäre, hätten wir unser Equipment gar nicht ins Land bekommen. Es gab gelegentlich Probleme unsere Technik nach Mexiko über die Grenze zu bekommen. Da musste uns der Honorarkonsul vor Ort aushelfen. Der hat dann die Verhandlungen geführt. Am Ende haben wir unsere Technik aber immer ans Set bekommen und konnten drehen. Es ist dann auch alles gut gegangen. Die Kameras haben gehalten, so dass wir nicht noch Ersatz besorgen mussten.

Der Pilotfilm von «World Express» hat alle Züge eines guten Abenteuerfilms. Sollte «World Express» in Serie gehen, betritt man mit dem Genre Abenteuer gewissermaßen auch Neuland im deutschen Fernsehprogramm? Hat man hier vielleicht eine Programm-Nische gefunden?
Jörg Winger: Es gibt eine lange Tradition des Genres, angefangen vom «Indischen Grabmal» von Fritz Lang in den 20er Jahren, das man in den 50er Jahren nochmal gedreht hat, bis zur Fernsehserie «Auf Achse» mit Manfred Krug in der ARD von 1977 bis 1996, womit ich aufgewachsen bin. Das Genre ist in Deutschland schon vertreten gewesen. Doch dann gab es lange gar nichts mehr aus dem Abenteuer-Lager. Deswegen wollen wir mit «World Express» die deutsche Serienlandschaft auch beleben. Wir haben gesagt, wir wollen nicht noch eine Krimi-Serie machen, sondern aus den typischen Mustern einmal ausbrechen und zeigen, was man heute alles machen kann. In gewisser Weise haben wir da schon eine Nische gefunden und wir würden uns freuen, wenn wir mit «World Express» auch bei den Sendern neue Türen öffnen, da die Vielfalt an Genres in Deutschland noch sehr beschränkt ist.

Marco Girnth: Wir sind bewusst angetreten, um das Abenteuergenre neu zu beleben. Wir glauben, dass wir damit den Nerv der Zeit getroffen und insofern eine Nische aufgetan haben, die bisher unterbesetzt war.

Bei einem Erfolg bei RTL geht «World Express« in Serie – welche Entwicklungen kann die Rolle des David Voss dann noch nehmen?

Marco Girnth: Mit Sicherheit wird David Voss von seiner Vergangenheit eingeholt werden. Bevor er in das zivile Leben des World Express eingetreten ist, kam er als Elitesoldat auch mit sensiblen, militärischen Dingen in Berührung. Die dabei erlebten Erfahrungen haben ihn einerseits dazu gebracht, der Bundeswehr den Rücken zu kehren, andererseits werden ihn diese Erfahrungen auch künftig beeinflussen.

Welche Chancen sehen Sie, dass «World Express» bei RTL in Serie gehen kann?
Jörg Winger: Die Chancen werden schon entscheidend davon abhängen, wie wir am 8. September mit dem Pilotfilm bei RTL abschneiden. Ich denke, dass die Leute, wenn sie den Film erstmal gefunden haben, dranbleiben würden. Denn wir haben mit der erdigen, glaubhaften Action einen ganz eigenen Stil und mit der Liebesgeschichte in «World Express» auch eine romantische Farbe, was dem Zuschauer gefallen wird. Entscheidend wird sein, ob die Leute reinkommen in den Film, das hängt von ganz vielen Faktoren ab.

Wobei man bei einem seriellen Format eigentlich die Gesamtentwicklung betrachten muss und Erfolg und Misserfolg nicht an einer Folge festmachen kann, oder?
Jörg Winger: Das ist richtig. Aber man kann schon ablesen, wie die Figuren oder die Geschichte vom Publikum abgenommen werden. Es gibt eine gute Orientierung. Dass RTL zunächst nur den Pilotfilm zeigt und dann darüber entscheidet, ob es weitergeht, ist mir persönlich lieber als wenn das Projekt nur von der Marktforschung bewertet wird. Insofern hat das Publikum direkt eine Chance sich für oder gegen die Serie zu entscheiden. Hinsichtlich der Quote wird es wie immer bei RTL sein: Je näher an der 20-Prozent-Marke umso besser. Wenn das Format auf der Kippe steht, dann spielt es eben beispielsweise auch eine Rolle, wie RTL selbst die Chancen bewertet. Das ist dann nochmal eine andere Diskussion.

Gesetzt dem Fall, dass «World Express» in Serie geht, welche Entwicklungen könnten die Charaktere noch nehmen?
Jörg Winger: Wir sind schon in der Entwicklungsphase der nächsten Folgen, da wir auf den Erfolgsfall natürlich vorbeireitet sind. Dahingehend kann ich sagen, dass der Charakter von Marco Girnth, David Voss, zum einen selbstverständlich als Hauptfigur eine große Rolle spielen wird. Zum anderen kommt auch seine Partnerin Corinna, gespielt von Sarah M. Besgen, mehr in die Serie hinein. Klaus Behrend ist für mich ein echtes Pfund und wäre auch weiter dabei. Wenn wir dann tatsächlich in Serie gehen, würden wir wahrscheinlich noch ein oder zwei Charaktere hinzuholen. Da läuft auch schon das Casting.

Welche Chancen können sich für die Hauptrolle des David Voss und vor allem die Serie selbst draus ergeben?
Marco Girnth: Der Charakter des David Voss wird ein zwiespältiger, doppelbödiger sein. Gleichzeitig wird auch beim «World Express» selber ein Geheimnis sichtbar von dem David Voss bisher keine Ahnung hatte. Für die Serie ergeben sich dadurch ständig neue Konfliktsituationen, denen sich die Protagonisten stellen müssen. Daher besteht für die Serie nicht die Gefahr in eine „Heile Welt“-Situation zu geraten.

Wie war denn das Zusammenspiel im Schauspieler-Ensemble am Set?
Marco Girnth: Mit meinen Kollegen habe ich insgesamt das ganz große Los gezogen. Ich hatte von Anfang an das Gefühl, dass sämtliche Ensemble-Mitglieder für das Projekt brannten und alle haben sich mit vollem Einsatz in das Abenteuer gestürzt. Sollten wir in Serie gehen, freue ich mich jetzt schon darauf alle Kollegen wiederzusehen.

Zu guter Letzt noch zur «SOKO Leipzig»: Nach dem Zweiteiler „Gefangen“ zum 10-jährigen Jubiläum steht nun mit „The Bill“ ein weiteres Special an. Wie liefen die Dreharbeiten und kann man darüber inhaltlich schon etwas verraten?
Marco Girnth: Dieses Special hat wiederum unser Regisseur Robbie del Maestro inszeniert, der ja auch beim «World Express» Regie geführt hat, und mit Robbie zu arbeiten ist immer ein großes Vergnügen. Inhaltlich dreht sich die Geschichte um Hajo Trautzschke und Jack Meadows (Simon Rouse), die zusammen einer männermordenden „schwarzen Witwe“ auf der Spur sind.

Wie sehen Sie allgemein die Entwicklung der «SOKO Leipzig» in den letzten zehn Jahren?
Marco Girnth: Die «SOKO Leipzig» hat eigentlich immer versucht, sich weiterzuentwickeln bzw. neue Wege zu gehen. Wir haben schon früh angefangen, die übliche Erzählstruktur zu verlassen und Specials im Ausland zu drehen. Die Kooperation mit „The Bill“ war ein großes Abenteuer, das einige Risiken beinhaltete und wurde am Ende ein großer Erfolg. Und letztes Jahr haben wir mit „Gefangen“ versucht die Erzählweise erneut aufzubrechen, indem wir eine Geschichte horizontal, also gestreckt über 180 Minuten, erzählt haben und nicht bereits nach 45 Minuten abgeschlossen haben. All diese Innovationen haben unsere Zuschauer sehr gut angenommen, so dass wir in den letzten zehn Jahren irgendwas richtig gemacht haben müssen.

Herr Girnth, Herr Winger, vielen Dank für das ausführliche Gespräch.
04.09.2011 08:00 Uhr  •  Jürgen Kirsch Kurz-URL: qmde.de/51815