Zum Finale hin sinkende Quoten und langweilige Kandidaten. Ist es überhaupt wünschenswert, dass RTL II eine Fortsetzung der Reality-Show beschließt?
Pro von Glenn Riedmeier:
Das war sie nun also. Die 11. Staffel von «Big Brother» ist zu Ende und ich blicke mit gemischten Gefühlen auf sie zurück. Das bisher noch nie da gewesene Konzept "The Secret" klang am Anfang sehr reizvoll und vielversprechend, und auch die Mischung der Bewohner schien gelungen, wenngleich die Häufung von Kandidaten, die bereits aus anderen TV-Formaten wie «Deutschland sucht den Superstar», «Das perfekte Dinner» oder «taff» bekannt waren, zu Unmut führte. In den ersten Wochen wurde die Staffel vor allem durch die schillernden Bewohner selbst, wie etwa Valencia, Ingrid, Cosimo, Jordan, David, und ihren Konflikten getragen. Der große Bruder hielt sich dabei auffallend zurück - zu sehr, wie sich später zeigen sollte. Denn es kam wie es kommen musste, und wie bereits in vergangenen Staffeln verließ ein Großteil der polarisierenden, unterhaltsamen Kandidaten viel zu schnell das Haus. «Big Brother» erkannte die drohende Gefahr allerdings nicht und verlängerte die Staffel um einen Monat. Doch durch unerwartet viele freiwillige Auszüge befand sich zeitweise bereits einen Monat vor Staffelende nur noch eine Handvoll Bewohner im Haus - und dabei handelte es sich überwiegend um jene, die sich als neutrale, konfliktscheue Langweiler durch die Staffel gemogelt hatten. Friede, Freude, Eierkuchen wollten die wenigsten Zuschauer sehen und folglich sanken die Einschaltquoten bedrohlich herab.
«Big Brother» musste also schleunigst handeln und setzte auf einmal alle Hebel in Gang, die ihm zur Verfügung standen. Freiwillig gegangene Bewohner wurden per Zuschauer-Voting zurück ins Haus gewählt, und plötzlich wurden zahlreiche Fanwünsche umgesetzt: Der Drill Instructor kam, es gab eine Stunde der Wahrheit, beliebte Matches wie das "Touch the Car"-Match und das "Blut, Schweiß und Tränen"-Match wurden wiederholt, und zum Ende der Staffel gab es sogar noch Challenges für einzelne Bewohner. Manches wurde leider nur unbefriedigend umgesetzt, doch die Zuschauer erkannten auf jeden Fall den guten Willen der Macher. «Big Brother» legte sich im letzten Monat noch einmal richtig ins Zeug und wollte tolles Fernsehen präsentieren. Auch die Finalshow war so ansprechend und unterhaltsam gestaltet wie seit Jahren nicht mehr.
Es scheint also, als hätten die Macher das Problem erkannt - wenn auch viel zu spät, als schon ein großer Teil der Stammzuschauer enttäuscht abgesprungen war. Bei einer hoffentlich kommenden zwölften Staffel muss also die Devise lauten: Neben einem guten Casting ist es wichtig, von Anfang an spannende, unterhaltsame Aktionen und regelmäßige, abwechslungsreiche Matches für Bewohner und Zuschauer bieten. Eine Rückkehr zum Konzept der zwei bzw. drei Wohnbereiche ist unbedingt anzuraten. Dadurch besteht konsequenter Neid und fortlaufendes Konfliktpotential. Ebenso sinnvoll erscheint ein Wechsel zu einem Positiv-Voting mit der Frage "Welcher Bewohner soll im Haus bleiben?" anstelle von "Wer soll das Haus verlassen?". So verhindert man, dass polarisierende Charaktere sofort rausgewählt werden. Zudem wünschen sich die meisten Zuschauer wieder deutlich längere Staffeln von mindestens sechs Monaten. Auf diese Weise würde man wieder mehr Kandidaten finden, die sich wirklich für das Projekt interessieren, und «Big Brother» nicht nur als mögliches Karrieresprungbrett missbrauchen wollen.
Im TV-Format «Big Brother» steckt noch viel Potential, das nicht umsonst in zahlreichen weiteren Ländern immer noch auf Sendung ist. Man muss es lediglich wieder besser umsetzen und zurück auf den richtigen Kurs bringen. Treue Stammzuschauer sind hierfür gute Ansprechpartner, was Endemol allmählich zu realisieren scheint.
Contra von Manuel Weis:
Wer «Big Brother» in Deutschland elf Jahre lang verfolgt hat, dem blutet in diesem Spätsommer das Herz. Was die Macher aus der einst so kultigen Reality-Show gemacht haben, ist kaum mehr zu glauben. Das Regelwerk ist zu Beginn einer Staffel nur dazu da, um vorzugeben, irgendetwas laufe in strukturierten Bahnen – es wird während der Ausstrahlungszeit sowieso umgeworfen, hingebogen und gänzlich außer Kraft gesetzt. Es geht hier nicht darum; härtere Strafen für Bewohner zu fordern, um diese dann bei Minustemperaturen draußen in der Kälte schlottern zu sehen. Es geht um klare Richtlinien, die jedes Spiel auf der Welt braucht. Und «Big Brother» ist ein Spiel.
Wenn die Macher dann also von den Zuschauern rausgewählte Kandidaten plötzlich wieder zur „Rein-Wahl“ anpreisen oder diese allgemein „zu Besuch“ zurück in die TV-WG schicken, dann hat das mit dem Großer Bruder in seiner Reinform schlichtweg nichts mehr zu tun. Die elfte Staffel hat sehr deutlich gezeigt, wie die Vorstellung der aktuellen «Big Brother»-Macher von einer Reality-Show im Jahr 2011 aussieht. Ehemalige «DSDS»-Kandidaten treffen auf mehr oder weniger Prominente, hauptsache die Bild hat einen Tag später etwas zu schreiben.
Das mag zwar nicht gefallen haben, aber quotentechnisch funktionierte das sogar noch. Das Problem war nur: All diese Sternchen (Cosimo ist wohl wirklich eine Ausnahme) hatten nach mehr oder weniger Wochen keine Lust mehr auf das Projekt – vielleicht waren sie der Meinung schon genug getan zu haben in Sachen Anschieben ihrer Karriere. Sie zogen aus. Was blieb war ein Haus mit langweiligen Kandidaten – das ging soweit, dass selbst die erfahrenen «Big Brother»-Macher nicht mehr glaubten eine spannende Daily zusammenschustern zu können. Im August gab es daher eine Woche, in der von Montag bis Freitag regelmäßig für Matches live ins Haus geschaltet wurde.
Es geht schwer über die Tastatur – aber die elfte Staffel; und insbesondere die fünfwöchige Verlängerung, hat «Big Brother» erneut an den Abgrund gerückt. Ohne klaren Plan, ohne Strategie und ohne gute Kandidaten (und nein, damit sind keine Ex-Promis oder Erotikstars gemeint) funktioniert die Show nicht. Angesichts immer weiter abfallender Qualität, wäre es nun ein guter Zeitpunkt endgültig „Bye, bye“ zu sagen. Eine zwölfte Staffel würde bei konstanter Entwicklung nämlich sowieso nichts Gutes mit sich bringen.