Serien-Update: «Suits»

Der neue Quotenhit von USA Network – gilt auch für diesen „characters welcome“?

Es ist egal, ob man die Serien aus dem Hause USA Network mag oder nicht: Auffällig ist, dass USA Network nicht unbedingt die besten TV-Serien auf dem Markt bringt. Dessen Slogan „characters welcome“ ist nichts weiteres als ein Lockmanöver, um den Zuschauern vorzugeigen, die Serien hätten allesamt hochinteressante Charaktere, obwohl diese sich selten bis gar nicht weiterentwickeln; und die Serien sind allgemein alle gleich aufgebaut, was das Fernseherlebnis mit der Zeit langweilig macht. Und doch ist eine Serie nach der anderen ein Erfolg beim zuschauerstärksten Kabelsender. Mit «Suits», USAs neuem Breakout-Hit vom vergangenen Sommer, setzt der Sender den Siegeszug seiner Serien fort und hat wieder einmal all die typischen Elemente eingebaut, welche den Kabelkanal definieren. «Suits» ist keine Serie mit bedeutungsschwangeren Momenten, hochinteressanten Storys und starken Charakteren, doch am Ende konnte «Suits» auf einem anderen Level überraschen: der Authentizität der Geschichten.

Die Serie startete mit einem unterentwickelten Setup und einem Logikloch größer als das Haushaltsdefizit der Vereinigten Staaten: Collegeabbrecher Mike Ross (Patrick J. Adams) befindet sich mitten in einem Drogendeal, als er die Entscheidung trifft, sein Leben nicht weiter für solche Dummheiten aufs Spiel zu setzen. Durch Zufall gerät er ins Casting des Firmenanwalts Harvey Specter (Gabriel Mann), der gerade dabei ist einen Partner zu finden, welcher sein Leben im Beruf einfacher, und die Anwaltskanzlei besser aussehen lässt. Harvey ist einer der besten Anwälte der Stadt, weshalb es schwierig ist, jemanden zu finden, der genau wie Harvey ist. Wie es der Zufall jedoch will, ist Mike genau diese gesuchte Person. Das Problem ist nur: Mike, der ein fotografisches Gedächtnis hat und für Geld das Juraexamen für andere Studenten schreibt und besteht, hat keinen Collegeabschluss, kein Diplom und keine Zukunftsaussichten. Trotzdem offeriert Harvey ihm den Posten des Mitarbeiters in der Firma. Was von nun an bedeutet, dass beide neben ihrem Beruf auch darauf achten müssen, dass Mikes Vergangenheit und Harveys große Lüge nicht auffällt.

Das Problem hier ist: Offenbar fühlt sich keiner in Harveys Firma genötigt, Mikes Hintergrund zu überprüfen. Harvey behauptet, Mike hätte in Harvard studiert, besorgt ihm ein Anwaltsdiplom und alles, was der zukünftige Superanwalt von New York braucht. Nur stimmt das alles nicht, und das ließe sich einfach überprüfen, indem sich jemand zwei Minuten Zeit genommen hätte, um in den Harvardarchiven die Existenz eines Mike Ross zu checken. Dass das in «Suits» faktisch nicht geschieht, ist ein zu großer Mängel, um es einfach als Logikloch abzustempeln. In einer dramatischen und kantigen Welt wie der in «Suits» ist es einfach unbegreiflich, warum solch ein Setup einer Serie nicht nur von Serienerfinder Aaron Korsh, sondern auch vom Sender blind links akzeptiert wird. Dieser Umstand bleibt beim Zuschauer für den Rest der Staffel übrigens im Gedächtnis, da die Autoren immer wieder auf die große Lüge der beiden Anwälte anspielten und es mehrere Chancen gibt, in welchen das Geheimnis kurz davor ist, der Weltöffentlichkeit bekanntzuwerden. Wenn man jedoch in der Lage ist, über dieses planetengroße Manko hinwegzusehen, bekommt man mit «Suits» eine Serie zu sehen, welche durchaus untypisch USA Network ist.

Mit einem realistischen Touch in den juristischen Geschichten setzt die Serie sehr viel Wert darauf eine andere Seite des Juristendramas zu zeigen: Während die altbekannten Serien wie «Law & Order», «The Good Wife», oder die Welt eines David E. Kelley sich im Großteil mit dem Strafrecht beschäftigen und in fast jeder Episode versuchen müssen, einen entweder unschuldig Verurteilten aus dem Gefängnis zu holen oder einen freilaufenden Mörder hinter Gittern zu bringen, geht «Suits» den bisher unbekannten Weg: Auch Firmen haben Anwälte, müssen mit oder gegen Plagiatsrechte kämpfen, oder wenn es darum geht, einen Weg zu finden, wie ein Präsident oder Vizepräsident einer Firma entlassen werden kann, ohne groß Schwierigkeiten zu machen. Nicht nur die eines kriminellen Akt angeklagten Verbrecher brauchen Anwälte, sondern auch die hart arbeitenden Manager und Millionäre, die von links und rechts mit feindlichen Übernahmen und anderen Bedrohungen zu rechnen haben. In der Hinsicht ist «Suits» eine Serie, die Einblick in eine Welt gibt, welche von den Zuschauern noch nicht erforscht wurde. Und das Beste daran ist: Es lohnt sich wirklich, einen Einblick in eben jene Welt zu haschen, welche unbekannte Bedrohungen mit sich bringt.

Der Nachteil von «Suits» besteht jedoch darin, dass die einzelnen Geschichten nicht langweiliger hätten sein können. Statt sich vollkommen auf die eigentlichen juristischen Fälle zu konzentrieren, werden meist Umwege bestritten, die eigentlich gar nichts mit dem Fall der Woche zu tun haben; und die beteiligten Charaktere könnten uninteressanter kaum sein. Man kann als Zuschauer keine Verbindung zu den verschiedenen CEOs und Geschäftsleuten bekommen, wenn deren Fälle nicht von dieser Welt scheinen und deren Auflösungen am Ende der Episode vorhersehbar sind wie der nächste kommende Werbeblock. Immerhin stimmt die Chemie zwischen den beiden Hauptdarstellern inzwischen so sehr, dass «Suits» als nächste Buddycomedy durchgehen könnte, wenn die Autoren sich in der Zukunft auf den Comedyaspekt ihrer Arbeitsbeziehung fokussieren. Denn sollte es in Staffel zwei mit der (eigentlich realistischen) Langeweile in den einzelnen Geschichten weitergehen, ohne wirklich eine Entwicklung darzubieten, wird auch «Suits» schnell zu den USA-Dramen gehören, die für die Allgemeinheit nur Durchschnitt sind – und welche sie trotzdem Woche für Woche gucken und mit hohen Einschaltquoten belohnen.



Dass «Suits» mit seinen befremdlichen Storys trotzdem ein Erfolg ist, ist dem romantischen Plot zuzuschreiben. Als am Anfang der Staffel klar wird, dass es zwischen Mike und Jenny (Vanessa Ray), der Freundin seines Drogendealerfreundes Trevor (Tom Lipinski), heftigst knistert, konnte man erwarten, dass es im Verlauf der Staffel zu einer Beziehung kommt. Umso mehr, als die Autoren anfingen Mike mit der Anwaltsgehilfin Rachel (Meghan Markle) zusammenzubringen. Hier hat man das stereotypische und vorhersehbare Love Triangle, welches die Fans und Romantiker überzeugen könnte, in der Welt von Fernsehserien jedoch ein ausgereiztes Storyelement und somit einfach langweilig ist. Da «Suits» mit seiner einfachen Herangehensweise an die Geschichten jedoch genügend Sendezeit für solch ein Liebesdreieck hatte, wurden in der zweiten Staffelhälfte auch alle Klischees ausgekostet: Mike fällt für beide Frauen zum gleichen Zeitpunkt; Rachel mag Jenny nicht so ganz, Jenny fürchtet sich vor Rachel; und am Ende kommt auch noch Trevor zurück und ist nicht erfreut, dass sein Kumpel mit seiner Freundin herummacht.

Das ist auch der einzige serielle Plot, der während der ersten Staffel überhaupt eine Entwicklung erfährt. Währenddessen wurden die anderen Chancen, aus «Suits» eine bessere Serie zu machen, nicht ausgenutzt. Das größte Beispiel dürfte hier Louis (Rick Hoffman) sein, dessen Position als Seniorpartner der Firma von seiner Chefin Jessica (Gina Torres) weggenommen und zu Harvey weitergereicht wurde. Einen anderen Grund gibt es nicht, warum Louis ständig versucht, Harveys neuen Partner Mike zu jeder Zeit einzuschüchtern und ihm weiszumachen, dass der Job in der Kanzlei der härteste des Landes ist. Natürlich lässt Mike sich davon nicht beeindrucken (während alle anderen des Mitarbeiterstabes Louis fürchten, als wäre er der sexistische und notgeile Teufel höchstpersönlich), was wiederum zu einigen humorvollen Momenten in der Staffel führt. Dass dadurch Louis zum comichaften Charakter wird, schadet der Story ein wenig – immerhin scheint Louis der einzige in der Kanzlei zu sein, der mit seinem Misstrauen gegenüber Mike den beiden Anwälten eine Bedrohung darstellt. Ein weiteres Problem in der Hinsicht besteht in der Mission der Autoren, Mikes und Harveys gemeinsames Geheimnis so spät wie möglich auffliegen zu lassen – unzählige Zweifel von unzähligen Charakteren (darunter 2010er und 2011er Absolventen aus Harvard, die sich anscheinend nicht an Mike erinnern können) führten bisher nicht dazu, dass jemand nach Mikes Vergangenheit fragte, was genauso wie das Setup der Serie unlogisch und voller Logiklöcher ist.

Am Ende ist «Suits» zwar eine feine Serie, die sicherlich überraschen kann, doch sollte man nicht hoffen, sich an die einzelnen Storys der Episoden nach Wochen noch zu erinnern. Denn etwas wirklich Standfestes gab es über die zwölf Folgen nicht. Was allerdings auch kein Wunder ist, wenn man bedenkt, wie die Autoren den (nicht vorhandenen) seriellen Aspekt der Serie handhaben. Es gibt Elemente und Charaktere, die problemlos in späteren Folgen auftreten können (wie zum Beispiel Eric Close als Harveys Nemesis Travis), doch gibt es keine Hoffnung, dass das je geschehen wird. Doch wenn die Autoren an ihren Geschichten arbeiten, diese den Zuschauern mehr zugänglich machen und den Charaktere einen Grund zur Existenz geben, dürfte auch die zweite Staffel von «Suits» problemlos überraschen. Weltbewegend ist die Serie nicht, aber qualitativ immerhin besser als so manch anderer Wiederholungstäter im Programm von USA Network.
28.09.2011 15:30 Uhr  •  Christian Wischofsky Kurz-URL: qmde.de/52302