Der Worst Case ist eingetreten, oder doch nicht? Grundsätzlich dürfe eine britische Wirtin die Premier League weiterhin über einen griechischen Anbieter zeigen - aber nur, wenn in der Übertragung keine "geschützten Werke" zu sehen sind.
So ganz wollte es bis zuletzt niemand glauben und dennoch war unter der Hand schon zu hören, dass es nicht gänzlich ausgeschlossen ist, dass es am Dienstag zum von einigen Fußball-Clubs und Verbänden als Worst Cast bezeichneten Szenario kommen wird. Denn: Oftmals richtet sich der Gerichtshof nach dem, was die Generalanwaltschaft sagt, und Generalanwältin Kokott sprach Anfang des Jahres in Zusammenhang mit der Länderbeschränkung bereits von einer schwerwiegenden Beeinträchtigung der Dienstleistungsfreiheit. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat am Dienstagmorgen sein Urteil in der Frage um Länderbegrenzungen beim Pay-TV gefällt. Das war passiert: Eine britische Kneipenbesitzerin wollte Geld sparen und schloss sich anstelle des eher teuren BSkyB-Abos einen Vertrag mit einem griechischen Pay-TV-Anbieter, sparte somit Geld, bekam aber ebenfalls die Spiele der Premier League zu sehen. Die englische Liga zerrte die Wirtin vor Gericht – und sie argumentierte: Will sie ihr Auto reparieren, dann kann sie das in England, Frankreich oder sonst wo tun. Wieso gilt das nicht auch beim Pay-TV?
Genau dieser Auffassung ist nun auch das EuGH – heißt: Das Zeigen von ausländischem Pay-TV in Kneipen ist erlaubt, die Länderexklusivität entfällt somit. Bayerns Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge sprach in diesem Zusammenhang von möglicherweise aufkommenden "gefährlichen Zeiten" - und das wusste wohl auch der Europäische Gerichtshof, denn er gab der Wirtin zwar eigentlich Recht, sagte aber auch, dass ihr bisheriges Vorgehen so nicht korrekt war. Es geht im Detail um alles das, was als Werk angesehen werden kann. Also etwa die von der Liga im Vorfeld platzierten Einspielfilme, die Eröffnungshymne, Highlight-Berichte und anderes. Sind diese ohne Einwilligung des Urhebers, in diesem Fall also der Rechtegeber, im Ausland zu sehen, so verstößt dies gegen geltendes Recht.
Und nun? Der Gerichtshof lässt mit diesem Urteil genau das Hintertürchen offen, auf das die TV-Sender gehofft haben. Fazit: Das Fußball-Spiel an sich darf von einem griechischen Sender ab sofort auch in Deutschland gezeigt werden; nicht aber das, was in irgendeiner Form als Werk gesehen werden kann - beispielsweise eine Bundesliga-Musik, von der DFL mit vertriebene Magazin-Beiträge und dergleichen.
Das Urteil des EuGH betrifft nun zuallererst die Bundesliga. Denn diese will die TV-Rechte ab der Saison 2013 in den nächsten Wochen ausschreiben. Die Auslandsvermarktung wird dabei immer wichtiger und lukrativer, gerade für eine so angesehene Liga wie die deutsche; und nun ist die Frage, wie viel Geld ausländische Bezahlsender bereit sind auf den Tisch zu legen, wenn theoretischerweise ein europaweiter Preiskampf droht. Die DFL kann sich gegen das Urteil einfach darin behaupten, indem sie vorschreibt, im Rahmen der Übertragung gewisse "Werke" ausstrahlen zu müssen - durch das Zeigen dieser Werke ist es somit nicht mehr erlaubt, das Signal auch ins Ausland zu senden. Angesichts der Tatsache, dass fast alle großen Ligen die Spiele inzwischen selbst produzieren - in Deutschland zum Beispiel die DFL-Tochter Sportcast - dürfte es nur mit geringem Aufwand verbunden sein, selbst in ein laufendes Spiel solche "Werke" zu intergrieren.
Quotenmeter.de hat die komplette Urteilsbegründung in einem eigenen Artikel veröffentlicht.
Update 14.10 Uhr: Die DFL hat sich am Nachmittag in einer kurzen Stellungnahme zum Urteil des Gerichtshofes gemeldet und gab sich darin wenig überrascht. Ein solches Urteil habe sich nach der Stellungnahme der Generalanwältin abgezeichnet, heißt es. Rechteinhaber versuchte die Deutsche Fußball Liga derweil zu beruhigen. "Die DFL hat sich gemeinsam mit ihrer Vertriebstochter DFL Sports Enterprises in den vergangenen Monaten intensiv mit der Thematik befasst und Vorkehrungen getroffen, um Auswirkungen sowohl auf die nationalen als auch die internationalen Medienrechte soweit wie möglich einzuschränken." Mögliche Konsequenzen dieses Urteils sollen nun geprüft werden, heißt es aus Frankfurt am Main.