Die Kritiker: «Engel der Gerechtigkeit»

Story
Dr. Patricia Engel war früher Ärztin und will nun als Anwältin den Opfern von Ärztepfusch zu ihrem Recht verhelfen. In ihrem neuen Fall gerät sie dabei mit ihrem Vater, dem Chefarzt in der betroffenen Klinik, aneinander. Denn dessen aufstrebender Protégé Dr. Florian Grohmer hat die Operation durchgeführt, die nun für all das Drama sorgt.

Eigentlich sollte Sonja Danner nur der Blinddarm herausgenommen werden – doch nun liegt sie im Sterben. Und, wie Dr. Engel schließlich herausfindet, fehlen ihr auch die operationstypischen Narben. Schnell wird klar, dass Dr. Grohmer bei der OP eine neuartige Behandlungsmethode ausprobiert haben muss, bei der ihm ein schwerer Fehler unterlaufen ist – und den er jetzt vertuschen will. Doch zunächst will das niemand wahrhaben.

Darsteller
Katja Weitzenböck («Wilde Wellen») ist Dr. Patricia Engel
Robert Atzorn («Tatort: Köln») ist Professor Brenner
Franziska Walser («Erfolg») ist Elisabeth Brenner
Marie Gruber («Das Leben der Anderen») ist Schwester Karin
Maria Simon («Goodbye, Lenin!») ist Sonja Danner
Dietrich Mattausch («Zwei Ärzte sind einer zu viel») ist Professor Bernstein
Mathias Herrmann («John Rabe») ist Dr. Florian Grohmer

Kritik
Endlich ein Fernsehfilm, der den hektischen und damit riskanten Krankenhausalltag nicht idyllisiert, sondern stattdessen versucht, ein realistisches Bild von ihm zu entwerfen – das denkt man zumindest, wenn man die Prämisse dieses Films liest. Doch weit gefehlt. Denn obwohl die Ärzte hier einmal nicht als altruistische Götter in Weiß dargestellt werden, kann «Engel der Gerechtigkeit» nicht im Geringsten überzeugen. Das hat verschiedene Gründe.

Äußerst bezeichnend ist schon einmal die Aussage, auf die dieser Film wohl hinaus will: „Menschen machen Fehler. Das ist keine Schande. Doch es ist eine Schande, wenn ein Mensch stirbt, weil niemand diesen Fehler zugeben will“, tönt die Hauptfigur Dr. Engel ständig vor sich hin.

Dabei verkennt Drehbuchautor Jürgen Werner wohl, dass bei bestimmten Berufsgruppen – und da gehören Ärzte sicherlich dazu – Fehler per se vollkommen inakzeptabel sind – ob sie zugegeben werden oder nicht. Unsere Hauptfigur sieht das aber anders: Auch bei den Patienten müsse ein Umdenken stattfinden; sie sollen auch einen Arzt akzeptieren, der fachlich nicht perfekt ist. Nicht nur, dass diese Vorstellung weltfremd ist – es ist wohl auch ein völlig falscher Ansatz zur Behebung der vielseitigen Probleme, mit denen unser Gesundheitswesen so zu kämpfen hat. Ärzten mehr Fehler zuzugestehen, ist sicherlich nicht der richtige Weg. Doch für die Realität interessiert sich dieser Film ohnehin wenig.

So passiert es der Hauptprotagonistin, die immerhin auch einmal als Ärztin gearbeitet hat, dass sie bei der Untersuchung der Patientin, deren Mandat sie zunächst recht widerwillig übernommen hat, schon einmal ganz offensichtliche Dinge übersieht – nämlich, dass ihr die typischen Narben der bei ihr durchgeführten Operation fehlen. Das sieht sie erst beim zweiten Blick, was alles andere als glaubwürdig ist. Und auch im Gerichtssaal benimmt sie sich immer wieder so, wie es wohl kein ordentlicher Richter in der Bundesrepublik dulden würde. Hinzu kommt noch ein völlig bizarrer Nebenhandlungsstrang um zwei verdatterte Lotto-Spieler, von denen einer den Lottoschein mit den sechs Richtigen verschluckt hat. Der Fokus liegt zu oft auf Banalitäten und Albernheiten, an Tiefgründigkeit versucht man sich gar nicht erst.

Ein weiteres großes Problem des Films ist Hauptdarstellerin Katja Weitzenböck, deren Leistung wieder einmal vollkommen desaströs ausfällt. Ihr monotoner Sprachduktus scheint keinerlei Variation zu erlauben, und jeder Satz wirkt bei ihr aufgesetzt. Ob „Wollen Sie sterben?“ oder „Wie geht’s Ihrer Tochter?“ - beides spricht sie gleich gestelzt. Durch so ziemlich jede Szene marschiert sie mit einem unabstellbaren Lächeln und einer hemmungslosen, und dabei billig und inszeniert wirkenden Emotionalisierung. Damit erreicht sie genau das Gegenteil von Glaubwürdigkeit. Maria Simon spielt die geschundene Patientin derweil recht apathisch – und das ist angesichts des kargen Zustands, in dem sich das Drehbuch befindet, wohl auch der richtige Ansatz.

An diesem Film ist alles aufgesetzt und mit den billigsten Tricks wird hier versucht, auf die Tränendrüse zu drücken. Doch man schreckt vor jeglicher Tragik zurück und tut alles für das Happy End. Schuldzuweisungen werden vermieden, wo es nur geht. Und die unfähige Hauptdarstellerin gibt der Produktion ein für allemal den Todesstoß. «Engel der Gerechtigkeit» liegt von Anfang an tot auf dem Tisch.

Das ZDF strahlt «Engel der Gerechtigkeit» am Donnerstag, den 6. Oktober 2011, um 20.15 Uhr aus.
04.10.2011 11:05 Uhr  •  Julian Miller Kurz-URL: qmde.de/52414