First Look: «American Horror Story»

Der FOX Channel zeigt die Serie, die erst vor etwas über einem Monat in den USA anlief, ab Mittwoch, 09. November 2011, um 21.45 Uhr in Deutschland. Unser US-Korrespondent Christian Wischofsky hat sie bereits vorab gesehen.

Terror ist der spannungsgeladene Aufbau bis zu dem Moment, wenn das Monster zu sehen ist. Horror ist der Moment, wenn das Monster zu sehen ist. So ähnlich hat Stephen King einmal den Unterschied zwischen Terror und Horror erklärt. Für den erfahrenen Horrorautor war es manchmal nicht einfach, den Terror als „feinste Emotion“ in eine Geschichte unterzubringen, wenn der Horror als „schreckender Moment“ den eigentlichen Sinn der Geschichte, den Aufbau des Terrors und die damit verbundene Angst, aushebelt. Das ist üblicherweise auch ein Problem eines jeden Horrorfilms, der sich für eine Variante entscheiden muss: Entweder ist der Terror und die Angst im Zentrum des Geschehens, meist in den japanischen Geisterhorrorfilmen und ihren amerikanischen Remakes, oder der Horror soll dafür sorgen, dass die Zuschauer wiederholt aus ihren Sitzen springen, wozu auch das Slashergenre zählt. Mit der neuen FX-Serie «American Horror Story» gibt es jedoch ein Werk, welches sowohl Terror als auch Horror in die Geschichte einbinden will, und damit gar nicht mal so scheitert. Die komplette Pilotepisode ist eine Ansammlung von angsteinflößenden Szenen, welche Angst neu definieren sollen und bietet mit ihrem Geisterschreck auch die Definition des Horrors. Das Problem in diesem Fall ist nur: Die Mischung aus Terror und Horror ist so unausgeglichen, das nicht einmal das ängstliche Kind aus der Grundschulklasse schreiend vor der Serie davonläuft.

«American Horror Story» beginnt mit einer Szene aus dem Jahr 1978. Zwei Brüder mit Baseballschlägern in ihren Händen haben Lust, das Innere eines Hauses zu demolieren. Vom Nachbarskind bekommen sie vorher noch die Warnung, dass sie im Haus sterben werden. Die Kinder, ahnungslos wie sie sind, hören nicht auf die Warnung und begeben sich auf ihren Zerstörungstrip. Ein paar Minuten später sind die Brüder tot. 33 Jahre später befindet sich die Familie Harmon – das Ehepaar Vivien und Ben (Connie Britton, Dylan McDermott), sowie Tochter Violet (Taissa Farmiga) – auf dem Weg zur Westküste, um nach einer schwierigen Zeit einen Neuanfang zu wagen. Einziehen werden sie in eben jenes Haus, welches komplett mit fertiger Renovierung und einer Komplettausstattung daherkommt. Vivien arbeitet an den emotionalen Nachfolgen ihrer Fehlgeburt, während Ben dabei ist, nach einer Affäre das Vertrauen seiner Frau zurückzugewinnen. Und Tochter Violet kann nichts mit der neuen Welt und ihrer neuen Schule anfangen, weshalb sie ihre Arme ritzt. Dass das nicht alles für die Harmons ist, beweisen die mehr als eigenartigen Nachbarn, die Haushälterin, sowie die unzähligen Geister, die ein gewisses Interesse für die neue Familie entwickeln.

Man kann die neue Serie von den «Glee»-Machern Ryan Murphy und Brad Falchuk mit nur zwei Worten beschreiben: verdammt seltsam. «American Horror Story» ist definitiv keine gewöhnliche Serie, was schon der Aufbau der Story in der Pilotfolge zeigt. Mit Hektik und schnellen Schnitten rast man von einer Szene zur anderen, stellt ein unheimliches Element nach dem anderen vor, und bietet am Ende der 51 Minuten unzählige Geschichten, mit der man eine komplette Serie füllen könnte. Obwohl diese Aufmachung der Serie, welche dem Zuschauer kaum bis gar keine Zeit gibt, entweder mit den Charakteren oder mit der Story warm zu werden, beabsichtigt ist und für den gewissen „Pepp“ der ungewöhnlichen Serie sorgen soll, ist es die Abfolge der Szenen, und wie schnell sie abgehandelt werden, das größte Problem der Serie. Man kann sich als Zuschauer gar nicht mal so sicher sein, ob die gerade stattfindende Szene real ist oder der Fantasie eines der Charaktere entspringt, wenn es kurz vorher oder danach eine Szene gab/gibt, die überhaupt nicht ins Zeitgefüge passen will. Zusätzlich gibt es durch den schnellen Schnitt nicht mal eine Chance, die Entscheidung der Charaktere zu verstehen. In einem Beispiel durchlebt unser Hauptprotagonist in weniger als einer Minute gleich vier verschiedene Situationen, von denen zwei perfekt für die Charakterentwicklung wären. Doch diese Chance wird überhaupt nicht genutzt und stattdessen hüpfen Murphy und Falchuk zum nächsten Storyelement, um den nächsten Flashback vorzubereiten, welcher gewissermaßen die nächsten Schockszenen hervorholt.

Weil das schon nicht genug ist, hapert es auch an der eigentlichen Story. Obwohl es einfach war, den Plot der Pilotfolge kurz zusammenzufassen, ist es fast unmöglich, die übernatürlichen Elemente eines Horrorprodukts mit den Dramaelementen einer TV-Serie zusammenzufügen. Es scheint unklar, was die emotionalen Probleme der Familie mit den Geisteraktivitäten (und umgekehrt) zu tun haben; und Antworten, warum das Haus von den Opfern der Geister heimgesucht wird, gibt es auch nicht. Zwar kann man sich als erfahrener Zuschauer im Genre einiges selbst zusammenreimen, doch wer bei «American Horror Story» nach klaren und logischen Antworten sucht, wird wohl unter der Fassade der Serie graben müssen, um fündig zu werden.

Wenn man jedoch die Charakter- und Storyschwächen erst einmal verarbeitet hat, bekommt man einen visuellen Overkill zu spüren, der mehr als nur bemerkenswert ist. Der Terror verkommt zwar nicht zur „feinsten Emotion“ eines Stephen Kings (geschweige denn eines Ryan Murphys), doch die Horrormomente funktionierten wunderbar. Sobald es einen Geist zu sehen gibt, kann man sich als Zuschauer sicher sein, dass «American Horror Story» keine normale Serie ist, und definitiv auf eben diese Momente Wert legt. Geister, die Sex haben (ein «Grey's Anatomy»-Syndrom); Geister, die einen verführen; Geister, die darauf aus sind, das Bündnis einer Familie zu zerstören, indem man Vater, Mutter und Tochter von Anfang an trennt und Gefahren aussetzt. Hier steckt definitiv ein Plan dahinter und der interessanteste Aspekt der Serie dürfte sein, welchen Weg die Autoren gehen werden, um die 13-teilige Staffel abzuschließen. Wenn jetzt schon die Geister versuchen, ihr Ziel mit Hilfe eines Masterplans zu erreichen, ist mit sicherlich mehr zu rechnen als nur ein Friedhof unter der Fassade des Gebäudes a la «Poltergeist». Sollten jetzt auch noch die Schockmomente funktionieren, welche im Slashergenre («A Nightmare on Elm Street», «Scream») so beliebt sind, kann man die kreativen Fehler der Serie durchaus akzeptieren und sich stattdessen auf das Visuelle konzentrieren. Immerhin gab es eine Serie wie «American Horror Story», welche mit den üblichen Hollywood-Konventionen spielt und diese über Bord wirft, im Fernsehen noch nicht. Selbst die Horroranthologien aus den 1980ern und 90ern waren nicht so einfallsreich und boten Standardkost.

«American Horror Story» ist nicht unbedingt für Jedermann. Freunde des konventionellen Storytellings und Charakterdramas werden es schwer haben, sich mit der Serie anzufreunden. Zwar kann der Cast, vor allem Connie Britton, überzeugen, doch liegt es an den Drehbüchern der kommenden Folgen, um der Serie nicht nur einen beeindruckenden visuellen Stil zu bescheinigen. Leider wissen Fernsehkenner schon, wie Ryan Murphy seine Serien gerne mal für seine eigenen Ideale verschandelt. Die späteren Staffeln von «Nip/Tuck» sowie die zweite Staffel von «Glee» haben bewiesen, dass Murphy nicht immer nur nach seinen eigenen Wünschen gehen sollte. Wie ist man als Zuschauer in der Lage, auch diese Serie ernst zu nehmen, wenn Murphy nicht in der Lage ist, auf Kritiken zu hören?

Dieser Artikel erschien erstmals zum US-Start Anfang Oktober 2011.
08.11.2011 17:15 Uhr  •  Christian Wischofsky Kurz-URL: qmde.de/52500