Die Kritiker: «Borgia»

Story
Die Familie der Borgia, die im 15. Jahrhundert zwei Päpste stellte, verkörpert wie wenige andere den Geist der Renaissance mit ihren heute kaum vorstellbaren Widersprüchen. Kardinal Rodrigo Borgia ist Vizekanzler von Papst Innozenz VIII., der schwer erkrankt ist. Rodrigos Ziel ist es, den Stuhl Petri zu beerben. Mit großem politischem Instinkt laviert Rodrigo zwischen den verfeindeten Königshäusern von Mailand und Neapel sowie zwischen den einflussreichen römischen Familien der Colonna und Orsini. Als Rodrigo die Nachricht vom Tod seines Erstgeborenen Pedro Luis erhält, sammelt er seine nicht legitimierten Kinder Juan, Cesare und die junge Lucrezia um sich.

Juan soll eine militärische und Cesare eine kirchliche Laufbahn einschlagen. Doch Cesare ist mit der Karriere, die Rodrigo für ihn im Sinn hat, nicht einverstanden. Rodrigo holt Giulia Farnese in seinen Haushalt. Die Schwiegertochter seiner Haushälterin Adriana wird seine Geliebte. Beide Frauen sollen Lucrezia auf ihre spätere Rolle als Ehefrau vorbereiten, doch ständige Streitereien zwischen Lucrezia und der fast gleichaltrigen Giulia stellen Rodrigos Geduld auf die Probe. Juan und Cesare sollen Rodrigos Interessen unterstützen und das Misstrauen der Orsini und der Colonna auf Kardinal Della Rovere lenken.

Cesare lässt sich provozieren und gerät mit Marcantonio Colonna in Streit. Juan dagegen ist erfolgreich und sichert Rodrigo die Loyalität der Orsini. Zur Belohnung wird Juan Herzog von Gandia. Auf lange Sicht will Rodrigo den Anspruch der Familie Borgia auf den spanischen Thron sichern. Er erwartet eine Delegation aus Neapel unter der Führung von Kardinal Carafa, aber die Männer sind auf dem Weg nach Rom von Mailändern überfallen worden. Die Friedensverhandlungen werden ausgesetzt.

Die Situation droht zu eskalieren, als Juan ein Verhältnis mit einer verheirateten Orsini anfängt. Rodrigo gewährt daraufhin dem osmanischen Prinzen Cem Aufnahme in seinen Palast, um ihn gegebenenfalls als strategisches Faustpfand einzusetzen. Bei der Verlobungsfeier zwischen Lucrezia und dem spanischen Grafen Don Gaspar kommen Juan und Cesare einer Verschwörung auf die Spur: Der verarmte Graf Castanea plant, den Brunnen des Apostolischen Palastes zu vergiften, um so all seine Bewohner einschließlich Papst Innozenz zu töten.

Darsteller
John Doman («Damages – Im Netz der Macht») ist Rodrigo Borgia
Mark Ryder («Albatross») ist Cesare Borgia
Stanley Weber(«Any Human Heart») ist Juan Borgia
Isolda Dychauk («Unsere Farm in Irland») ist Lucrezia Borgia
Andrea Sawatzki («Tatort») ist Adriana De Mila

Kritik
«Borgia» ist die bislang teuerste europäische Fernsehserie. Mit einem Budget von 25 Millionen Euro entstand das europäische Projekt, das in Koproduktion unter anderem vom ZDF hergestellt wurde. Sechsmal 100 Minuten lang versetzt die Serie «Borgia» das Publikum zurück in das düstere Mittelalter und zeigt es in allen seiner Facetten. Schon im ersten Teil schreckt Regisseur Oliver Hirschbiegel nicht davor zurück, Sex und Gewalt in aller Deutlichkeit zu zeigen. In der Primetime zeigt das ZDF deswegen eine entschärfte Fassung, in Österreich läuft die Serie dagegen erst am späten Abend. Dabei geht es im ersten Teil von «Borgia» vor allem um jene Szene, in der der todkranke Papst am Sterbebett Muttermilch von einer jungen Frau trinkt und ihm später das Blut von Kindern eingeflößt wird; so soll er noch ein wenig durchhalten können.

Szenen wie diese symbolisieren die starke Bildsprache in der Serie, in der Blut und andere Körperflüssigkeiten nicht zu knapp fließen. Immerhin wurden 157 Liter Filmblut bei den Dreharbeiten verbraucht, wie das ZDF in einer Produktionsnotiz schreibt. Man sieht fast minütilich entblößte Frauenbrüste oder nackte Kardinäle. «Borgia» zeigt auch, wie Kranke mit Schweinekot eingeschmiert werden, Menschen Ohren oder Finger abgeschnitten bekommen und Blut getrunken wird. Sex und Gewalt – das wird deutlich zur Schau gestellt und nahezu nichts ausgespart. Im Mittelalter war das Gang und Gäbe. Heute wirken die Bilder für manchen verstörend. Doch dabei lenken diese Details nur von den schwachen Dialogen und der sonst weniger anspruchsvollen Kulisse ab. Das Drehbuch von Tom Fontana können auch die mitwirkenden deutschen Schauspieler wie Andrea Sawatzki nicht mehr retten. Oftmals sind die Dialoge zwischen den einzelnen Figuren so einfallslos, dass sich mit der Zeit eine gewisse Langeweile breit machen. Bis eben wieder etwas „Verstörendes“ passiert, das dann die Aufmerksamkeit des Zuschauers wieder auf die Serie lenkt.

Spannend wird es bei «Borgia» sowieso nur dann, wenn wirklich gehandelt und nicht nur gesprochen wird. Dabei hat man sich aber streng an die historischen Vorgaben gehalten und nicht viel dazu gedichtet. Das ist gut so, denn das spanische Adelshaus der Borgia hat ja auch genug zu bieten. Es kommt zu Mord, Intrigen, Sex und Folter – eine Kombination, die auf dem Papier schon spannend klingt und in ihrer Umsetzung dafür sorgt, dass der Zuschauer der Serie «Borgia» doch noch etwas abgewinnen kann. Der erste Teil von «Borgia» ist dabei nur der Anfang der Machtspiele, die sich in den weiteren Folgen noch fortsetzen werden und gleichauf genügend Potenzial haben dürften, um für eine spannende Handlungsstränge zu sorgen. Allein die Tiefgründigkeit in den Dialogen bleibt so auf der Strecke, weil zwischen Gewalt und Gelüsten nicht viel Zeit übrig ist. Darunter leidet auch die Charakterzeichnung, die sehr dünn ausfällt. Wer all dies aber ausblenden kann oder historisch interessiert ist, wird an «Borgia» seinen Spaß haben können.

Das ZDF zeigt «Borgia» ab dem Montag, 17. Oktober 2011, um 20.15 Uhr.
16.10.2011 14:54 Uhr  •  Jürgen Kirsch Kurz-URL: qmde.de/52656