Presserat rechnet 2011 mit weniger Beschwerden

Vermutlich um 1200 Beschwerden werden in diesem Jahr wohl eingehen.

Der Deutsche Presserat rechnet für 2011 – trotz medienwirksamer Ereignisse wie dem Amoklauf in Norwegen – mit weniger Beschwerden im Vergleich zum Vorjahr. Das Gremium für Presse-Ethik schätzt, dass im laufenden Jahr etwa 1.200 Beschwerden eingereicht würden. Im Vorjahr hagelte es noch rekordverdächtige 1.661 Negativ-Einreichungen.

2010 erreichte den Presserat vor allem Kritik rund um die Berichterstattung über die Loveparade-Katastrophe im Juli 2010. Auch über das Titelblatt der Satirezeitschrift „Titanic“, das eine Karikatur eines katholischen Geistlichen zeigte, seien knapp 200 Kritiken eingegangen. Trotz der teils umstrittenen Berichterstattung über den Amoklauf in Norwegen habe es solche gravierenden Vorgänge in diesem Jahr noch nicht gegeben, wie Bernd Hilder, Sprecher des Deutschen Presserats, mitteilte. Lediglich 16 Einreichungen kritisierten die Amoklauf-Berichterstattung der Medien bislang, welchen der Presserat teils zustimmte. Im Mittelpunkt der Beschwerden stehe dabei häufig die Veröffentlichung von Fotos sowie die Namen der Opfer. Viele Leser würden darin eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Toten und eine Belastung für die Hinterbliebenen sehen. Dies sei presseethisch nicht vertretbar. Opfer von Unglücksfällen und Straftaten hätten Anspruch auf einen besonderen Schutz ihres Namens, was der Pressekodex vorschreibt – so der Deutsche Presserat.

Viele Medien wollten durch Fotos die außergewöhnlich, tragischen Ereignissen personifizieren, damit die Geschichten „menscheln“. Diese Absicht kollidiere allerdings mit dem Persönlichkeitsrecht der Opfer. Nur weil Menschen zufällig Opfer eines schrecklichen Verbrechens oder eines Unglücks würden, sei es nicht gerechtfertigt, automatisch eine identifizierende Berichterstattung über ihre Person zu machen. Das Persönlichkeitsrecht der Opfer stehe weiterhin über dem möglichen Informationsinteresse der Mediennutzer. Das Verwenden von Fotos zur Emotionalisierung sei lediglich ein erweiterndes Element, das jedoch nicht ausschließlich der Information diene.

350 eingegangene Beschwerden wurden bislang als unbegründet zurückgewiesen. Öffentliche Rügen mit Pflicht zur Veröffentlichung in den jeweiligen Medien wurden 34 Mal ausgesprochen. Dazu gab es nicht-öffentliche Rügen und Missbilligungen des Deutschen Presserates.

Der Presserat fordere außerdem, dass das Pressefreiheitsgesetz verabschiedet werden solle. Die parlamentarischen Beratungen an dem Gesetz zur Stärkung der Pressefreiheit und des Schutzes von Journalisten im Straf- und Strafprozessrecht scheinen ins Stocken zu geraten, wie Bernd Hilder vom Deutschen Presserat sagte.
Die Freiwillige Selbstkontrolle der Presse möchte die Pressefreiheit stärken und dient als Anlaufstelle für Beschwerden der Leser, die presseethische Kritik loswerden möchten. Bernd Hilder ist der Sprecher des Deutschen Presserats, zudem Chefredakteur der „Leipziger Volkszeitung“ und war zuletzt in den Schlagzeilen, als er bei der MDR-Intendanten-Wahl scheiterte.
18.10.2011 09:47 Uhr  •  Benjamin Horbelt Kurz-URL: qmde.de/52693