Popcorn und Rollenwechsel: Familien-Halloween
In wenigen Tagen ist wieder Halloween. Unser Kolumnist hat ein paar familientaugliche Schrecken parat. Und Sie?
Die Supermärkte quillen nicht nur vor lauter Weihnachtsgebäck über, derzeit nimmt auch ein weiteres Fest umkämpften Platz in den Regalen ein. Halloween. Orangefarbene Packungen mit Bonbons, Schokoladentafeln mit nett grinsenden Geistern und zu Schokokürbissen umgeschmolzene Schokohasen stehen in den Regalen. Und ich freue mich darüber – Halloween ist doch ein spaßiges, kleines Fest, das mittlerweile als gesunder, augenzwinkernder Umgang mit dem Schaurigen und Übernatürlichen einlädt. Durch Halloween findet sich wieder Zeit, alte Schauermäre hervorzukramen. Da gehen mir diese ständigen Vorwürfe, Amerika hätte uns dieses Fest mal wieder aufgedrückt, am Allerwertesten vorbei. Als ob vor einigen Jahren Bill Clinton mit seinem Saxofon bei der EU vorsprach, und eine Verankerung Halloweens im europäischen Kalender zusammendudelte.
Denke ich an Halloween, denke ich aber nicht nur an Naschkram, kreativ verkleidete Kinder sowie über den amerikanischen Imperialisten-Kack zeternde Strickpullunder-Träger. Natürlich denke ich auch selig an die Zeit zurück, als ProSieben, RTL und RTL II ein schauriges Sonderprogramm zusammenstellten, im Sonderangebot erworbene DVDs mit Horrorfilmen und … ans Babysitten. Kuriose Assoziation? Nicht zwangsweise. Viele Horrorfilme arbeiten mit der klassischen Rolle der Babysitterin im fremden, weitläufigen Haus, die nachts seltsame Geräusche hört und letztlich einem Geist, einem Monster oder einem Killer zum Opfer fällt. Aber nicht nur deshalb hat sich diese Assoziation bei mir eingeschliffen. Ich war auch während meiner Jugend öfter bei Freunden, um einen Filmabend zu veranstalten, und streckenweise lümmelten auch jüngere Geschwister dieser Freunde bei uns rum. Bis halt ihre Halloween-Feier in der Schule losging oder sie mit ihrer Runde Süßigkeiten-Erbetteln anfingen. Das war kein echtes Babysitten, jedoch so nahe, wie ich an diese Tätigkeit je herankam.
Zu jener Zeit habe ich mich dann auch bei meinen Freunden stets etwas unbeliebt gemacht. Vielleicht war ich zu verantwortungsbewusst, vielleicht wollte ich nur etwas Filmaufklärung betreiben, eventuell hatte ich auch nur keine Lust, mir Ärger mit der Gastgeber-Mutter einzuhandeln. Jedenfalls war ich immer dafür, bei der Filmwahl das Alter der jüngsten Person im Raum zu beachten. So lange der zwölfjährige Bruder gebannt mitguckt, war ich strikt dagegen, härtere Horrorfilme einzulegen. Da fällt mir ein, dass wohl auch ein kleiner in mir ruhender Beschützerinstinkt mitgespielt haben könnte, denn auch wenn die Buben und kleinen Mädels erst vorgaben, stahlharte Nerven zu haben, wurde mir nach meinem Einsatz doch immer heimlich gedankt …
So oder so: Ich finde nicht, dass man die Qualität eines Horrorfilms an der Jugendfreigabe messen kann. Selbstverständlich bin ich dagegen, wenn Filme aus rein kommerziellen Gründen für eine niedrigere Freigabe zurechtgestutzt werden, und natürlich sehe ich, dass ein als Splatter-Komödie gedachtes Projekt mit einer FSK-Freigabe ab zwölf Jahren kaum das halten wird, was sie verspricht. Trotzdem ist die Jugendfreigabe nicht alles. «Scream» etwa ist ein Meilenstein des Genres, und mittlerweile ist die ungeschnittene Fassung auch offiziell für Sechszehnjährige zugänglich. Selbiges gilt etwa auch für «Nightmare – Mörderische Träume», Freddy Kruegers legendären ersten Leinwandauftritt.
Und so finde ich auch, dass sich im breiten Spektrum der Grusel- und Horrorfilme einige kleine Juwelen finden lassen, die man jüngeren Familienmitgliedern vorsetzen kann, ohne dass man sich als älteres Semester zu Tode langweilen muss. „Spinnst du, willst etwa, dass wir für die kleinen nun was von Winnie Puuh einlegen?“, musste ich mir damals anhören, als ich erstmals verlangte, den 18er-Stoff zurückzulegen, bis die Älteren unter sich sind. Letzten Endes saßen wir dann aber alle zufrieden vor der Flimmerkiste. Denn es gibt sie halt, solche Filme, die den Jüngeren einen Schauer über den Rücken laufen lassen und sie zuweilen vielleicht auch erschrecken (ohne sie dabei zu traumatisieren), während die Älteren gespannt sind und sich von den schaurigen, schönen und schaurig-schönen Einfällen überraschen lassen. Und manche von ihnen stehen in Sachen beklemmender Atmosphäre sogar auf der gleichen Stufe, wie die „erwachsenen“ Alternativen. Manchmal drückt die FSK halt ein Auge zu, wenn kein Blut fließt und sich auch sonst das schlimmste allein im Kopf des Betrachters abspielt.
Aus letzterer Kategorie wäre unter anderem «Das Waisenhaus» zu nennen. Die spanisch-mexikanische Koproduktion erzählt eine schaurige Geistergeschichte, die ohne Blutspritzer oder Verstümmelungen auskommt, so dass dieser Horrorfilm ab zwölf Jahren freigegeben wurde. Doch aufgrund der beklemmenden Kameraarbeit, der bedrückenden Ausstattung und der eine intensive Atmosphäre schürenden Inszenierung hat er tatsächlich sehr beängstigende Züge. Für Erwachsene vielleicht sogar mehr, als für Kinder. In die gleiche Kategorie fällt der recht bekannte Mysterythriller «The Others» mit Nicole Kidman, der sich Schockeffekten und Gewalt widersetzt, und stattdessen eine klaustrophobische Grundstimmung heraufbeschwört. Viele vergessen auch, dass selbst «Blair Witch Project» gemäß der FSK für Zwölfjährige geeignet ist, ebenso wie die mit Fantasy- und Horrorelementen durchsetzte, norwegische Pseudo-Dokumentation «Trollhunter», die ein ähnliches Konzept verfolgt.
Und dann gibt es halt noch die erste Kategorie, also die bewusst auf ein größeres Publikum abzielenden Filme, die sich an Halloween als Programmpunkt eignen. Auch hier gibt es eine sehr hübsche Auswahl an Produktionen. Und das, obwohl die Filmstudios den Bereich des familientauglichen Schreckens derzeit sträflich vernachlässigen. Gewiss dank dieser dämlichen „härter muss besser sein“-Mentalität.
Ganz vorne stehen natürlich die Stop-Motion-Meisterwerke des Animationsgenies Henry Selick. Der monströs-spaßige «Nightmare before Christmas» und der schaurige «Coraline» sind für Neugierige jeden Alters empfehlenswert.
Und während der von Tim Burton produzierte Kultklassiker «Nightmare before Christmas» älteren Zuschauern einfach ein Grinsen auf das Gesicht zaubern wird, kann die von «Alice im Wunderland» inspirierte Schauermär der in ein verdrehtes Wunderland abtauchenden Coraline mit ihrer düsteren Szenerie auch ältere Jugendliche, wenngleich nicht erschrecken, so zumindest in einen wohlig-unguten Bann ziehen.
Ein kleiner Geheimtipp ist die Komödie «Matinée» mit John Goodman. Regisseur Joe Dante (dessen «Gremlins»-Filme ebenfalls in die Kategorie des familientauglichen Schreckens fallen) lieferte eine makabere Hommage an frühere B-Horrorfilme ab, die viele nette Gags beinhaltet und auch augenzwinkernd vom Unterschied zwischen echten und Filmängsten erzählt. Und auch der Disney Channel bot mit dem Fernsehfilm «Halloweentown» einen für Kinder gruseligen, für Jugendliche und Erwachsene dank seiner Fantasie durch und durch vergnüglichen Halloween-Film. Die Fortsetzungen sind dagegen eher Kinderfutter.
Mein heimlicher Favorit aus der Sparte des familientauglichen Halloween-Programms ist «Hocus Pocus» mit Bette Midler. Diese überaus vergnügliche Komödie erzählt von drei Hexenschwestern, die wieder zum Leben erwachen und eine Nacht lang Zeit haben, die Seelen unschuldiger Kinder aufzusaugen, um so unsterblich zu werden. Der Film nimmt sich einiger typischer Horrorfilm-Elemente an, um sie süffisant auf den Kopf zu stellen. So kennen wir alle wohl das Gesetz, dass Jungfrauen üblicherweise verschont bleiben. Nicht so in «Hocus Pocus», wo nur eine Jungfrau die Hexen aus dem Todesreich zurückholen kann, und nur sexuell unerfahrene Personen können ihnen auch zum Opfer fallen. Für jüngere Kinder kann «Hocus Pocus» aufgrund solcher Einfälle, wie eines angepissten Zombie-Exfreunds oder Menschen in Trance versetzenden Liedern, sicherlich auch ein bisschen schaurig sein, doch der Spaßfaktor überwiegt. Und meiner Meinung nach nimmt er mit dem Alter sogar zu, schon allein deshalb, weil man viel mehr Gags versteht.
Zumindest für mich gehören solche Filme genauso sehr zur Halloween-Zeit, wie die „echten“ Horrorfilme. Denn mit ihrem einfallsreichen Umgang mit Legenden, Mythen, Gruselgeschichten und eigentlich äußerst düsteren Themen, sowie der Launenhaftigkeit, die vielen von ihnen ausmacht, verbreiten sie die Feststimmung, die ein erheblicher Teil des modernen Halloweens ist. Halloween ist nun mal auch zu einer Zeit für originelle Dekorationen und gesellige Partys geworden. Um also auch das bei meinem eigenen, persönlichen Halloween zu berücksichtigen, müssen einfach ein oder zwei „Familien-Gruseleien“ sein.
Deshalb werde ich mich auch dieses Jahr an Halloween, während die rötliche Sonne versinkt und die orange-braunen Blätter weiter von den Bäumen fallen, vor den Fernseher setzen und breit grinsend «Hocus Pocus» gucken. Danach werde ich mir irgendeinen schon oft gesehenen Genreklassiker ansehen, bei dem ich auch mal auf Pause drücken kann, um den klingelnden Kindern in gar schrecklichen Kostümen eine zuckrige Spende zu geben. Sobald die aber alle im Bett sind, greife ich ans andere Ende des Spektrums. Im neuen Quotenmeter-Podcast gaben mir einige der Kollegen noch ein paar Filmtipps, die ich dringend nachholen muss…