Die Kritiker: «The Event» (Pilotfolge)

Story
Kreischende Menschen, verwackelte TV-Bilder. 23 Minuten zuvor: Der letzte Aufruf zum Boarding von Flug 514 von Miami nach San Paulo. Unter den Passagieren ist Software-Entwickler Sean Walker, der sich sichtlich nervös auf seinen Platz begibt, während auf dem Flughafengelände eine Gruppe Agenten durch die Gänge rennt. Doch sie kommen zu spät, das Flugzeug startet wie geplant. Kurz darauf zieht Sean Walker eine Waffe.

Ein Blick acht Tage in die Vergangenheit zeigt einen völlig anderen Sean Walker. Entspannt genießt er eine Kreuzfahrt mit Freundin Leila, bis er in einer halsbrecherischen Aktion Mitpassagierin Vicky aus den Fluten einer Brandung rettet. Eine verhängnisvolle Begegnung, wie ihm später klar werden soll als Leila spurlos verschwindet. 13 Monate vorher: Im vor der Außenwelt geheim gehaltenen Hochsicherheitsgefängnis Mount Inostranka wird Sophia Maguire gefangen gehalten, die besonnene Anführerin einer ganzen Gruppe Gefangener. Doch das Geheimnis könnte bald keines mehr sein, denn ein neuer Präsident ist an der Macht und will die Geschehnisse um Inostranka offenlegen. Eine mächtige Verschwörung versucht dies jedoch zu verhindern.

Darsteller
Jason Ritter («Die himmlische Joan») als Sean Walker
Laura Innes («Emergency Room») als Sophia Maguire
Blair Underwood («L.A. Law») als Präsident Elias Martinez
Sarah Roemer («Disturbia») als Leila Buchanan
Scott Patterson («Gilmore Girls») als Michael Buchanan
Ian Anthony Dales («Surface») als Simon Lee
Željko Ivanek («Damages») als Blake Sterling
Taylor Cole («Summerland Beach») als Vicky Roberts

Kritik
Ja, der kurze Story-Abriss zu Beginn dieses Artikels mag kryptisch, wirr und sprunghaft erscheinen, aber das ist nur ein kleiner Ausblick darauf, wie die Pilofolge von «The Event» tatsächlich aufgebaut ist. Wer einen Mindestanspruch an nachvollziehbare Strukturen und eine Story legt, die sich Schritt für Schritt erkenntnisreich an ihre Lösung herantastet, wird mit «The Event» so seine Probleme bekommen. Nicht nur lässt der Pilot den Zuschauer am Ende genauso ratlos dastehen wie nach Ansicht der ersten verworrenen Trailer, er verpackt seine Story auch noch in ein derart wildes Konstrukt aus Vor- und Rückblenden, Rückblenden in Rückblenden und solchen die sich gegenseitig überschneiden, dass einem Hören und Sehen vergeht.

Zwar hat die non-lineare Erzählung in Teilen durchaus ihren Reiz, aber «The Event» bedient sich dieses Mittels doch deutlich zu sehr, was in dramaturgisch fragwürdigen Konstruktionen und einer erstaunlichen Menge Redundanz resultiert. Jedes Mal, wenn die Folge wieder in die Gegenwart springt, werden die letzten Sekunden der letzten Gegenwartsszene wiederholt, damit der vollends verwirrte Zuschauer wieder den Anschluss findet. In den Flashbacks wird gar ein und dasselbe Telefongespräch zweimal in voller Länge gezeigt. Und ein Teil des Schlusses wird bereits als Anfang der Episode gebracht und dann am Ende wiederholt, was im Übrigen auch die Frage mit sich führt, wieviel Sinn es macht, eine dramatische Verfolgungsjagd zu zeigen, wenn deren Ende bereits bekannt ist.

Durch das ständige Springen durch die Zeit- und Erzählebenen lässt «The Event» dem Zuschauer kaum Raum, mit den Charakteren vertraut zu werden, obwohl das Storymaterial eigentlich da ist. Zwar wird der Charakter Sean ausgiebig und in zahlreichen verschiedenen Szenarien behandelt, jedoch muss man konstatieren, dass dies deutlich zugänglicher hätte passieren können, würde «The Event» seine Geschichte halbwegs chronologisch erzählen. Der Spannung hätte es keinen Abbruch getan. So nimmt die Pilotfolge mehrfach sogar den Ausgang dramatischer Sequenzen vorweg und beraubt sich damit dieser selbst.

Vieles bleibt im ungewöhnlichen, sicherlich reizvollen, aber einfach schwer zu folgenden Erzählstil bruchstückhaft. Die Verbindungen zwischen den Hauptcharakteren bleiben größtenteils schleierhaft, auch jenen, die direkt miteinander zu tun haben. Die Motive der Figuren werden nicht klar, alles dreht sich um besagtes mysteriöses "Event", die Gegenspieler bleiben im Dunkeln und namenlos. In bester Lost-Manier windet sich «The Event» um die kleinsten konkreten Antworten und lässt seine Charaktere ständig um den heißen Brei herumreden, bevor die Pilotfolge ganz zum Schluss zumindest einen Ausblick gibt, in welche Richtung die Serie sich bewegen dürfte.

Über die technische Machart kann man sich hingegen nicht beklagen. «The Event» ist packend inszeniert, liefert große Bilder, ist immer in Bewegung und zieht den Zuschauer in seinen Bann. Im stilistischen Kontext trägt auch die non-lineare Erzählung viel zum bannenden Effekt des Ganzen bei. Auch die Schauspieler liefern gute Leistungen ab. Jason Ritter kann die Hauptfigur mit genügend Leben füllen, um die Serie zu tragen, für besonders starke Performances sind Laura Innes und Blair Underwood zuständig.

Wer sich gerne auf große Verschwörungen, komplexe Mythologien und unorthodoxe Erzählstile einlässt ohne sofortige Antworten zu fordern, der ist bei «The Event» richtig. Für jeden Fan von Serien wie «Lost» oder «FlashForward» ist «The Event» eigentlich ein Muss, sofern man sich nicht von der Tatsache abschrecken lässt, dass die Serie nach der ersten Staffel abgesetzt wurde. Wer gute Charakterarbeit sucht, eine nachvollziehbare Dramaturgie oder spätestens seit «Lost» genug davon hat, überhaupt keine Antworten zu bekommen, wird «The Event» vermutlich schon nach der ersten Folge aufgeben.

RTL II zeigt die 22 Episoden von «The Event» ab dem 26. Oktober 2011 immer mittwochs ab 20:15 Uhr in Doppelfolgen.
26.10.2011 09:00 Uhr  •  Stefan Tewes Kurz-URL: qmde.de/52833