Serien-Update: «Ringer»

Aus dem lang erwarteten Noirdrama wurde eine Weekly Soap, die alles andere als ein toller Anblick ist

Es zeigt sich immer wieder in verschiedenen Serien, dass ihre Autoren nicht wissen, wohin sie mit ihren Geschichten wollen. Der visuelle Stil ändert sich innerhalb von einer Handvoll Episoden, die ursprüngliche große Story um Identitätsklau zwischen Zwillingsschwestern ist keine wichtige Story mehr, das Genre wird urplötzlich geändert, und nach einem halben Dutzend Episoden hat man das Gefühl, dass aus dem Thriller eine generische Teenagerserie wurde. «Ringer» nahm zwar nicht zu 100 Prozent diese Entwicklung, doch zurzeit ist die Serie mit Sarah Michelle Gellar ein Schatten des Schatten ihrer selbst. Die CW-Serie ist aktuell das beste Beispiel für aufstrebende Drehbuchautoren, wie man nicht mit Twists um sich schmeißen sollte, und wie es wirklich in fertiger Form aussieht, wenn einfach mal so ohne triftigen Grund das Genre gewechselt wird.

«Ringer» startete mit Bridget (Gellar) und ihrer Flucht vor dem FBI und der Mafia zu ihrer Zwillingsschwester Siobhan (Gellar). Diese stirbt anscheinend auf offener See, weshalb Bridget entscheidet die Identität ihrer Schwester anzunehmen. In ihrer Gedankenwelt scheint es logisch sein, vor ihrem alten problembeladenen und durchaus bald tödlichen Leben wegzulaufen, um eine neue große Lüge in New York zu leben. Dass sowohl das FBI in Form von Agent Machado (Nestor Carbonell) und die Mafia in Form von Macawi (Zahn McClarnon) nun nach Bridget suchen, ist Teil des Thrillerplots der Serie. Dass sich die Autoren aber lieber auf eine geheime Beziehung, Liebesgeschichten, und eine drogenkonsumierende Stieftochtergöre fokussieren, und damit «Ringe» zu einer waschechten Daily Soap im Wochenformat verwandeln, zeigt nur die Uneinsichtigkeit der Autoren und die Tatsache, dass sie ihre Charaktere stumpf von Punkt A nach Punkt B, und von dort nach C bringen, ohne vorher über den Rest des Alphabets nachzudenken.

Natürlich war es von den Produzenten von Anfang an geplant gewesen, mit «Ringer» eine halbwegs originelle Weekly Soap zu haben, welche sich im Sendeschema von The CW und als Lead-out nach «90210» wohlfühlen sollte. Doch inzwischen ist die Serie weder originell, noch anspruchsvoll, oder richtig gut. Um es freundlich auszudrücken, sie ist schlecht. Im Bezahlfernsehen würde ein Kritiker wohl mit vulgärer Sprache um sich werfen, um «Ringer» bestens beschreiben zu können, und dabei versuchen herauszufinden, was an der Serie wirklich falsch läuft. Ist es wirklich der Noir-Aspekt der Handlung, sowie die ständige Angst der Hauptcharakterin, hinter jeder Ecke Gefahren abwehren zu müssen? Ist es die Verbindung zwischen dem Thrillerplot und dem Soapdrama-Anteilen der letzten Episoden, die überhaupt nicht zusammenpassen wollen? Ist es das schlechte Schauspiel von Sarah Michelle Gellar, die mit ihrer Doppelrolle überhaupt nicht klarzukommen scheint? Ist es die Tatsache, dass die Autoren glauben, jeder Twist birgt eine Überraschung, welche die Zuschauer in eine Irre führen lässt? An «Ringer» ist so einiges falsch, und es würde Tage dauern, um die Fehler ausreichend zu analysieren. Das Chaos wird jedoch durch einen anderen Faktor sogar noch erhöht: Die Serie hat einen gewissen Charme an sich, der es schwierig macht, über die wirklich schlechten Teile der Story hinwegzusehen, und «Ringer» weitere Chancen einzuräumen.

Doch irgendwann sollten auch die Autoren realisiert haben, dass es in der aktuellen Form nicht weitergehen kann. In inzwischen jeder Episode wird ein Twist ins Drehbuch geworfen, welcher die Story in eine völlig neue Richtung lenken könnte, doch eine halbe Episode später ziehen die Schreiber den Schwanz ein, und der Twist verwandelt sich in heiße Luft, der bei einigen Logik suchenden Zuschauern Ärger kreieren könnte. In der Serie wird hin und wieder mit Mord und Totschlag als Storyelement gespielt, doch Auswirkungen für die Charaktere gibt es keine. Stattdessen wird die Story nach 30 Minuten einfach abgeschrieben und vergessen. Selbiges gilt für die Entscheidungen einiger Charaktere. Allein schon Bridgets Erklärung, warum sie Siobhans Identität angenommen hat, wird jedes Mal gewissermaßen mit „Weil die Mafia mich tot sehen will“ beantwortet, ohne sie wirklich die Konsequenzen ihrer Tat begreifen zu lassen. Auch Macawi als schweigender Antagonist und FBI-Agent Machado scheinen nicht die hellsten Köpfe zu sein, wenn es darum geht Bridget zu finden.

Wirklich gute Elemente gibt es in «Ringer» nicht. Die jungen Soapfans, die noch nicht so viel Ahnung vom Fernsehen haben, werden mit der Serie vielleicht ihren Spaß haben. Doch für die «Buffy»-Generation, die im vergangenen Sommer sehnsüchtig auf die Serie gewartet hat, wurde enttäuscht und gelangweilt zurückgelassen. The CW hat die Staffel inzwischen auf 22 Episoden aufgestockt – notgedrungenerweise, da einfach kein Ersatzprogramm verfügbar ist. Zeit genug für die Autoren, um zu beweisen, dass sie wirklich mutig genug sind, um einen ihrer Twists von Grund auf durchzuziehen. Die Hoffnungen sinken jedoch mit jeder neuen Episode, denn offenbar haben die Autoren Gefallen daran gefunden, den Zuschauern ihren Spaß zu rauben.

Nach einer kurzen Weile fragt man sich wirklich, warum Bridget die Identität ihrer Schwester angenommen hat. Auf dem Papier scheint es logisch zu klingen, dass sie die Flucht vor der Mafia ergreift, aber im Film ist der Erklärungsbedarf weitaus höher, und die Autoren können nicht einfach mit den Erklärungen mitten in der ersten Episode aufhören. In der zweiten Folge ist Bridget hin- und hergerissen von ihrer Entscheidung und entschließt sich am Ende doch bei Andrew (Ioan Gruffudd) und seiner Tochter Juliet (Zoey Deutch) zu bleiben, weil sie ihre Hilfe benötigen. Nach sechs Episoden ist Bridget sogar versessen darin, ihr Spiel weiter aufrecht zu erhalten, weil sie sich in einen Jack-Shepard-Charakter («Lost») verwandelte und die Lebensruine, die Siobhan mit ihrem anscheinenden Selbstmord hinterlassen hat, reparieren will. Gründe für diese Entscheidungen gibt es keine. Die Zuschauer müssen einfach so akzeptieren, dass Bridget sich im Haus der Lügen und Gefahr, ständig aufzufliegen, mehr wohlfühlt als mit der Mafia in ihrem Nacken. Logisch ist das Ganze nämlich überhaupt nicht.

Auch nach den Auflösungen der „alles entscheidenden“ Twists zerbricht die Logik vollkommen. Allein schon der Episodencliffhanger, in welchem suggeriert wird, dass Henry (Kristoffer Polaha) seine Frau Gemma (Tara Summers) tötete, widerspricht allem, was in der darauffolgenden Episode zu sehen und zu hören war: Henry konfrontiert Bridget/Siobhan, da er glaubt sie hätte etwas mit Gemmas Verschwinden zu tun, und plötzlich befinden sich beide in einem Netz aus Geheimnissen und Lügen, in welchem bald auch die Polizei involviert ist. Dabei wäre es für alle Beteiligten einfacher gewesen, wenn Henry seine Frau als vermisst gemeldet hätte, bevor er sein Apartment von dem Blut reinigte. Nach Logik wird wieder einmal vergebens gesucht.

Immerhin versuchen die Autoren die Geschichte schnell voranzubringen. So ist Bridgets Geheimnis schon nach fünf Episoden ans Licht gebracht worden, allerdings ging, zusammen mit Gemma, auch diese Offenbarung eine Episode später spurlos verschwunden. Dass es auch buchstäblich in andere Richtungen gehen kann, zeigt Malcolms (Mike Colter) Story in Wisconsin. Hier steht die Story innerhalb von drei Episoden völlig still und zeigt wieder und wieder Macawis Versuche, den Aufenthaltsort von Bridget herauszufinden, obwohl es viel einfacher zu sein scheint, seine internen Quellen beim FBI anzuzapfen. Immerhin zeigt sich, dass auch Siobhan in Paris ihre geheimen Quellen hat – ist es da nicht logisch, dass auch Macawi, immerhin ein Boss der Mafia, auch seine Maulwürfe irgendwo untergebracht hat? Anzeichen gibt es keine, und mit ihnen auch keine Logik – mal wieder.

Und dann ist da noch Siobhan, die aus unersichtlichen Gründen ihren Tod vortäuschte, Bridget im Grab haben will, in Paris ihren großen wohldurchdachten Plan durchzieht, aber dann doch mittendrin in eine Gefühlswelt verfrachtet wird, die sie gedanklich wieder zurück nach New York bringt. Dass ihre Schwangerschaft in nur einer Minute abgehandelt wird, scheint ein offenes Logikproblem zu sein. Siobhans Story ist offensichtlich der Thriller- und Mysterypart von «Ringer», und doch wurde dieser nicht von den Soapelementen befreit. Das ganze Geschehen (wenn Siobhan denn zu sehen ist) passt einfach nicht ins große Gefüge und zögert die Antworten auf viele Fragen einfach nur hinaus. Die Autoren wollen ihr Pulver nicht so früh in der Serie verschießen, was die Frage aufwirft, wofür sie überhaupt die Drehbücher schreiben.
02.11.2011 09:15 Uhr  •  Christian Wischofsky Kurz-URL: qmde.de/52964