Christoph Maria Herbst: 'Unsere Autoren sind kränker als jeder Fan'

Ein viel beschäftigter Mann: Christoph Maria Herbst drehte vor einigen Monaten die fünfte Staffel von «Stromberg» ab, danach eine Sat.1-Komödie und befindet sich jetzt auf Lese-Tour mit seinem Buch „Ein Traum von einem Schiff“. Wir sprachen mit dem Schauspieler.

Herr Herbst, mit der nun schon fünften Staffel kehrt «Stromberg» zurück auf den Bildschirm. Es ist sicher ungelogen, dass eine Vielzahl von Fans die neuen Folgen mit großer Vorfreude erwarten. Wie sehr fiebern Sie selbst der Erstausstrahlung entgegen?
Gar nicht. Meine ganz persönliche Feuertaufe hat die neue Staffel bereits erhalten, als ich sie nämlich zusammen mit allen Kolleginnen und Kollegen vor einigen Wochen gemeinsam angeschaut habe. Ich selbst bin immer noch unser schärfster Kritiker und das was ich sah, war ziemlich klasse. Insofern gibt es auch bei mir nur Freude, kein Fieber.

Die Dreharbeiten zur neuen Staffel liegen auch schon einige Monate zurück und die Folgen sind schon seit einiger Zeit fertiggestellt. Ruht Stromberg jetzt wieder in der Mottenkiste?
So ungefähr. Der schwimmt jetzt wieder in der Kölner Kanalisation herum, letztlich besteht er ja nur aus Haaren an den unmöglichsten Stellen, die ich mir sofort am letzten Drehtag abrasiere. „Mottenkiste“ ist ein schöner Ausdruck, denn in der Drehzeit sehe ich aus, als röche ich schlecht.

Was war denn Ihr erster Eindruck der fertigen «Stromberg»-Episoden?
Ich bin äußerst glücklich mit dem Ergebnis. Ich war es ja, der nach jeder Staffel geunkt hat, man könne das momentane Niveau bestimmt nicht halten. Mit Staffel Fünf haben wir die Latte nochmal ein Stück höher gelegt. Ich bin ein kleines bisschen stolz, dass wir das wieder hingekriegt haben, und «Stromberg» eben nicht zu den Serien gehört, die sich in späteren Seasons in einer Delle wiederfinden.

Ist es für Sie als Hauptdarsteller in der Serie «Stromberg» jeweils von Vorteil gewesen, dass bislang zwischen den einzelnen Staffeln durchschnittlich zwei Jahre lagen oder spielt das keine Rolle?
Doch, das spielt sogar eine sehr große Rolle. Diesem Umstand zum Beispiel ist es zu verdanken, dass ich die Figur eben nicht über habe, dass wir mit der Serie nicht inflationieren, dass die Bücher so gut abgehangen sind. Lieber ab und zu auf dem Bildschirm erscheinen und dann erstklassig, als ständig und dann eher mittel - deswegen funktioniert in Deutschland ja auch eine Daily-Late-Night nicht.

In diesem Zwei-Jahres-Rhythmus haben neue «Stromberg»-Folgen aber Seltenheitswert. Erklärt das den Fan-Hype, den es vor jedem Staffel-Start gibt?
Bestimmt. Der Fan ist an dem Punkt Serien-Junkie, der endlich seinen Stoff braucht, nur zum Glück mit dem Unterschied, dass «Stromberg» nicht süchtig macht und ausschließlich über die Augen aufgenommen werden kann.

Doch nicht nur die Serie ist zurück im deutschen Fernsehen, sondern auch die Hauptfigur Bernd Stromberg kehrt zurück in die Zentrale der Capitol Versicherung. Was erwartet ihn dort?
Wer glaubt, wir hätten alles in der Capitol erzählt, der irrt. Was bislang fehlte, war die Horizontale in der oberen Management-Etage. Und genau in diese Horizontale hat sich der Bernd nun umgebettet. Er wird quasi sein eigener Chef und bekommt mehr Macht. Das muss man sich mal vorstellen: Ein Spacken wie er mit mehr Macht. Nun ja, willkommen in der Fiktion, die mal wieder verdammt real ist.

Die vierte Staffel erzählte vom beruflichen Absturz des Bernd Stromberg und der Versetzung nach Finsdorf. In der fünften Staffel geht es für ihn wieder steil aufwärts, mehr noch – er macht sogar Karriere in der oberen Etage des Managements. Eine Entwicklung, die auch an dem Charakter nicht spurlos vorbei geht, oder?
Zunächst muss der Bernd nicht mehr so strampeln, denn da wo er jetzt ist, hat er sich ja selber kaum gesehen. Nun heißt es, die erreichten Pfründe sichern, das Revier abstecken, Marken setzen, wie man es halt aus dem Tierreich so kennt. Er spürt wohl die dünnere Luft da oben, daher verstärkt er nochmal den Input in seinen „Love Interest“, wie wir Medienmenschen sagen, mit anderen Worten: Er macht „Schirmchen“ den Hof, weil er so allein ist.

Damit sprechen Sie Strombergs Beziehung zu Kollegin Jennifer an, die schon in der vierten Staffel groß im Fokus stand. Setzt man diese Schiene in der fünften Staffel also nahtlos fort?
Yep. Das tut man. Wenn auch anders, als man glauben mag. Sie werden überrascht sein. Ich war es beim Lesen.

Bernd Stromberg und die Frauen - ein wiederkehrendes Thema der Serie. Zuletzt bei «Markus Lanz» gestand Indira Weis, dass sie Stromberg sexy findet. Wie sexy ist Bernd Stromberg wirklich für die Frauenwelt und was finden Frauen an der Figur?
Äh, ich finde die Figur nicht sexy, bin allerdings auch keine Frau. Was Frau am Bernd findet, bitte ich, Frau zu fragen. Mein zweiter Vorname ist zwar Maria, das reicht aber nicht, um eine Antwort zu basteln. Mir selbst fiele das Wort „sexy“, glaub ich, als letztes ein im Zusammenhang mit ihm. Dafür ist er aber alles andere, was es so gibt, und genau dieser Facettenreichtum sorgt dafür, dass ich diesen Charakter so gerne spiele, erst das macht ihn nämlich zu einem Menschen und unterscheidet ihn von einem Abziehbild.

Sie erzählten auch von Liebeserklärungen an Bernd Stromberg. Wie gehen Sie damit um? Und können Sie nachvollziehen, dass manche Zuschauer offenbar Realität und Fiktion verwechseln?
Ich schätze, die Liebeserklärungen kommen von den Frauen, deren Männer in meiner Schauspielagentur anrufen, um Bernd Stromberg zu engagieren - kein Witz, ist echt passiert. Es gibt eine Art geschlechtsübergreifende Verstrahltheit. Meine Reaktion darauf ist immer dieselbe: Schmunzeln.


Ein viel beschäftigter Mann: Christoph Maria Herbst drehte vor einigen Monaten die fünfte Staffel von «Stromberg» ab, danach eine Sat.1-Komödie und befindet sich jetzt auf Lese-Tour mit seinem Buch „Ein Traum von einem Schiff“. Wir sprachen mit dem Schauspieler.

Inwiefern hat sich die Figur Bernd Stromberg denn weiterentwickeln können? Hat er dazu gelernt oder Lehren aus seinen Fehlern der früheren Staffeln gezogen?
Gelernt? Lehren gezogen? Hallo?! Wir reden von Bernd Stromberg. Das passt nicht zusammen! Wir wollen ja lustig bleiben. Bei allem realistischen Anspruch, den wir haben, bei aller Psychologie, die sicher auch in dem Ganzen steckt, wollen wir doch letztlich eine Comedy sein und zum mit-, aus- und drüber lachen ist meine Figur nur so lange, wie sie eben nichts dazu lernt.

Aber wird Stromberg je sein Karriere-Ziel erreichen?
Hat er eins? Welches wäre das denn? Ich glaub', der ist froh, wenn er dabei sein darf, wenn man ihn mitspielen lässt in diesem großen Sandkasten und er zumindest ein Förmchen hat. Was ihm da jetzt gerade widerfährt, hat er sich doch in seinen kühnsten Träumen nicht vorgestellt. Jetzt geht es darum, den Ist-Zustand möglichst lange einzufrieren und alle anderen Lebensbaustellen zu beackern - genau dabei werden wir ihm zusehen.

Bekommen Sie auch noch Rückmeldungen aus der Versicherungsbranche?
Die Briefe mit dem Inhalt, „wenn ihr glaubt, ihr übertreibt, dann kommt mal zu uns“, reißen nicht ab. Erschreckend viele müssen sich oder andere in unseren Figuren gespiegelt sehen. Krass, oder? Burn-Out zum Beispiel ist ein zentraler roter Faden in Staffel Fünf: Realistischer geht's ja wohl kaum. Noch bevor das ein gesellschaftlich relevantes Thema war, hatten wir es schon verwurstet. Visionär.

Würden Sie zustimmen, dass «Stromberg» sich im Laufe der Jahre von der reinen Comedy-Serie zur „Dramedy“ entwickelt hat? Und wenn ja, wie erklärt sich dieser Wandel?
Ich denke, eine reine Comedy war es nie. Schon in Staffel Eins nicht. Aber es stimmt, die Passagen, bei denen man mit Kloß im Hals lacht, haben zugenommen. Wenn Sie aber bereits die bisherige Entwicklung so bezeichnen, dann warten Sie mal die neueste Staffel ab, vielleicht müssen sie das Wort „Dramedy“ dann austauschen gegen... nun gucken Sie erstmal.

Zuletzt waren Sie mit den ersten vier Folgen von «Stromberg» auf Kino-Tour durch mehrere Großstädte in Deutschland. Wie waren die Reaktionen des Publikums auf die neuen Folgen?
Knaller. Das war für uns alle ein Mordsevent. Die Fans und wir konnten uns endlich gegenseitig mal in 3D erleben. Für uns war es sehr spannend, aufschlussreich auch, zu beobachten, wann wer lacht, und - es wurde viel gelacht. Es war ein Lachen in allen nur denkbaren Schattierungen von „muuuuahahahahahahaha“ bis „boahchharharhar“. Danach haben wir alle bis morgens um 1 Uhr noch Autogramme geschrieben. Ich glaube, solche Fans haben nur wir!

Gab es denn auch bestimmte Wünsche der Fans, was sie in der Serie gerne noch sehen würden?
Nee, nicht, dass ich wüsste. Unsere Autoren sind kränker als jeder Fan. Zum Glück.

Bernd Stromberg auf der Leinwand ist ein gutes Stichwort. Wann wird denn nun der Kino-Film gedreht? Und wie wichtig ist Ihnen das Quoten-Ergebnis der fünften Staffel bei ProSieben?
Die Wahrheit ist, dass wir von Beginn an losgelöst von Quote waren, da die Sender-Verantwortlichen bereits bei Staffel Eins sahen, dass sie da ein Schätzchen hatten. Schon vor diesem Hintergrund ist mir persönlich die Quote, diese allseits so überschätzte, schnurzpiepe. Wenn es nach dem Sender ginge, drehten wir jedes Jahr eine Staffel. Das möchte ich aber nicht. Der Turnus, den wir gefunden haben, kommt uns allen zupass. Ich mache noch so viele andere Sachen und auch so gerne, für die brauche ich auch Zeit. Und was den Kinofilm anbelangt: Wir stehen zur Verfügung.


Ein viel beschäftigter Mann: Christoph Maria Herbst drehte vor einigen Monaten die fünfte Staffel von «Stromberg» ab, danach eine Sat.1-Komödie und befindet sich jetzt auf Lese-Tour mit seinem Buch „Ein Traum von einem Schiff“. Wir sprachen mit dem Schauspieler.

Auch diesmal gibt es die fünfte «Stromberg»-Staffel wieder direkt nach der ersten Folge auf DVD zu erwerben. Schauen dadurch nicht weniger Menschen bei ProSieben rein?
Keine Ahnung. Aber das ist doch immer so. Anfangs ist der Hype riesig und viele folgen ihrem Einschaltimpuls, der daraus resultiert, dass man gar nicht anders kann, und dann trennt sich Spreu von Weizen. Bei uns überwiegt zum Glück Weizen, was nicht jedes Format von sich behaupten kann, dass mit riesigen Paukenschlägen in den letzten Monaten an den Start gegangen ist.

Mit «Kreutzer kommt» soll es bei ProSieben ja auch weitergehen. Wie weit sind hier die Planungen?
Es liegt ein erster Buchentwurf vor. Alle arbeiten fieberhaft an einem zweiten «Kreutzer».

Zuletzt drehten Sie mit Annette Frier den Sat.1-Film «Und weg bist du» - was erwartet uns hier und wann wird der Film voraussichtlich zu sehen sein?
Ein selten geiles Buch lag diesem Film zugrunde. Es ist eine Tragikomödie, die von einer krebskranken Frau im Endstadium handelt und vom Tod geholt werden soll. Der Film muss wohl toll geworden sein. Ich selbst habe noch nichts gesehen. Der Stand der Dinge ist, dass er voraussichtlich im Frühjahr 2012 im TV gezeigt werden soll. Annette ist eine brillante Schauspielerin, so brillant wie dort hat sie aber noch niemand gesehen. Auf jeden Fall hat sie einen neuen Fan.

Derzeit befinden Sie sich auf einer Lese-Tour. Es geht um Ihr Buch „Ein Traum von einem Schiff“, in dem Sie von ihren Eindrücken auf dem «Traumschiff» schreiben. Erzählen Sie doch mal, was Sie auf Ihrer Lese-Tour so erleben?
Stimmt. Ich bin gerade jeden Tag in einer anderen Stadt und das noch bis zum 30. November, dann habe ich 31 Städte in 31 Tagen durchgerockt. Das kommt dem Nomaden in mir sehr entgegen, zumal ich zwischendurch die Bühne einfach brauche. Ein Traum von mir wäre, irgendwann mal ein eigenes Programm zu haben, mit dem ich touren kann. Mein erstes Buch ist ein erster schöner Schritt in diese Richtung. Es macht den Leuten genauso viel Spaß wie mir und es ist immer wieder großartig zu beobachten, wie unterschiedlich in Deutschland gelacht wird. Es gibt Menschen, die freuen sich eher nach innen, und andere, bei denen ich kurz davor bin abzubrechen, da sie alles in Grund und Boden wiehern – faszinierend.

Herr Herbst, vielen Dank für das Gespräch.

Eine Übersicht der noch anstehenden Termine der Lese-Tour von Christoph Maria Herbst mit seinem Buch „Ein Traum von einem Schiff“ ist hier zu finden.
06.11.2011 08:00 Uhr  •  Jürgen Kirsch Kurz-URL: qmde.de/53044